Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Recht und Steuern > Tarifstreit

Streikrecht ohne Grenzen? – was es rund um Arbeitsniederlegungen zu wissen gilt

Der Großstreik zu Wochenbeginn hat Flug-, Nah- und Fernverkehr bundesweit lahmgelegt. Weitere Streiks sind zu erwarten. Bernd Pirpamer, Arbeitsrechtler bei Eversheds Sutherland, beantwortet grundlegende Fragen zum Streikrecht.

Bernd Pirpamer ist Partner im Bereich Arbeitsrecht der Kanzlei Eversheds Sutherland in München.
Bernd Pirpamer ist Partner im Bereich Arbeitsrecht der Kanzlei Eversheds Sutherland in München.

Was ist eigentlich ein Streik?

Bei einem Streik handelt es sich um eine geplante Arbeitsniederlegung durch die Arbeitnehmer, um bestimmte Forderungen durchzusetzen. Wichtig ist dabei, dass es sich um Forderungen handeln muss, die zum Abschluss eines Tarifvertrags führen. Typische und zulässige Tarifforderungen sind etwa Gehaltserhöhungen, Einmalzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld oder die Zahl der Arbeitsstunden. 

Ein Streik muss von einem Streikaufruf einer zuständigen Gewerkschaft getragen sein. Der Betriebsrat unterliegt dagegen der Neutralitätspflicht und darf nicht zum Streik aufrufen. Beteiligen am Streik dürfen sich alle Arbeitnehmer, die von der Gewerkschaft hierzu aufgerufen wurden – die Gewerkschaftsmitgliedschaft ist dabei unerheblich. 

In Deutschland gibt es übrigens kein Streikgesetzbuch. Die wesentlichen Rechte und Pflichten leiten sich daher aus dem Grundgesetz, den Urteilen der deutschen Gerichte oder Rechtsauffassungen in der juristischen Literatur ab. 

Welche Streikformen gibt es? 

Für unterschiedliche Streikformen gibt es gesonderte Bezeichnungen: Warnstreik, Wellenstreiks, Dauerstreik, Erzwingungsstreiks, politische Streiks, virtuelle oder digitale Streiks sowie Unterstützungsstreiks oder Flashmobs sind nur einige Beispiele. 

Ein wesentliches Unterscheidungskriterium ist die Frage, ob ein Streik mit oder ohne Urabstimmung der Gewerkschaftsmitglieder erfolgt. Ohne Urabstimmung erfolgen typischerweise Warn-, Kurz oder Schwerpunktstreiks, die in der Regel Stunden, Tage oder maximal Wochen dauern. Aufgrund der eng getakteten Arbeitsabläufe in den Unternehmen, können die Gewerkschaften damit bereits erheblichen Druck auf die Arbeitgeber aufbauen. 
Mit Urabstimmung leitet eine Gewerkschaft einen langandauernden oder sogar Dauerstreik ein. Solche Streiks sind allerdings seltener geworden, da bereits die Streiks ohne Urabstimmung sehr effektiv sind und die Gerichte weitreichende Warnstreiks als rechtmäßig anerkannt haben.

Eine besondere Form ist der sogenannte Unterstützungsstreik. Er dient – wie der Namen – schon sagt dazu, den Hauptstreik zu unterstützen, mit dem ein Unternehmen und/oder ein Arbeitgeberverband zum Tarifabschluss gezwungen werden soll. Solche Streikaufrufe bei Unternehmen, die nicht Tarifvertragspartner sind, aber von dem angestrebten Tarifabschluss profitieren, sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässig. Sie erhöhen das Streikrisiko auch für Unternehmen, die nicht Mitglied in einem Arbeitgeberverband sind oder keinen Haustarifvertrag haben.
 

Wo hat das Streikrecht seine Grenzen?

Eine Grenze setzt die Friedenspflicht eines geltenden Tarifvertrages. Alles, was darin abschließend geregelt ist, darf kein Teil der Tarifforderung sein, für die gestreikt wird. Ist dies doch der Fall, ist der Streik unzulässig und es bestehen Unterlassungs- sowie Schadensansprüche gegen die streikführende Gewerkschaft. 

Außerdem sind Streikmaßnahmen am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Ob und inwiefern ein Streik unverhältnismäßig ist, lässt sich nur anhand des konkreten Streikgeschehens bewerten. Die Rechtsprechung ist hier sehr großzügig im Sinne der Gewerkschaften, weil ein Streik „weh“ tun muss, also das Unternehmen oder den Arbeitgeberverband letztendlich zu einer Unterschrift eines Tarifvertrages zwingen soll.

Streiks dürfen natürlich nicht zu Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten führen. Zudem dürfen Streikteilnehmer nicht zum „Straßenkleber“ werden: Zu- und Ausfahrten des Unternehmensgrundstücks müssen frei bleiben und arbeitswilligen Mitarbeitern darf der Zugang zum Unternehmen nicht verwehrt werden. Das Hausrecht des Arbeitgebers bleibt bestehen, weshalb Streikkundgebungen nicht auf dem Unternehmensgrundstück stattfinden dürfen. 

Politische Streiks, die dazu dienen partei- oder gesellschaftspolitische Ziele durchzusetzen oder zu beeinflussen, sind in Deutschland bislang verboten.
 

Was kann ein Arbeitgeber gegen einen Streik tun?

Jeder von einem Streik betroffene Arbeitgeber sollte intern ein eigenes „Streikteam“ bilden, bei dem alle Informationen zum Streikgeschehen zusammenfließen und das schnell handlungsfähig ist.

Sobald sich Streikaktivitäten abzeichnen, sollte eine Streikabwehrstrategie entwickelt werden. Diese muss aus einem Kommunikationskonzept sowie aus rechtlichen und strategischen Abwehrinstrumenten bestehen. Die Reaktion des Arbeitgebers kann von einem bewussten Dulden der Streikaktionen bis zu umfangreichend Gegenmaßnahmen reichen. Gegenmaßnahmen können beispielsweise Notdienstvereinbarungen, Streikbruchprämien, der Einsatz arbeitswilliger Mitarbeiter oder eine suspendierende Betriebsstillegung sein. Letztere bedeutet, dass der Arbeitgeber den Betrieb komplett einstellt, sodass auch Beschäftigte, die nicht streiken wollen, suspendiert werden und für die Zeit des Streiks keinen Entgeltanspruch haben. 

Ähnliche Artikel