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Einfach mal etwas wagen: Einblicke in die Kunst der Risikoabwägung

Nate Silver, Datenanalyst und Ex-Pokerspieler, beleuchtet in "On The Edge" die Vorteile von Risikobereitschaft und die Denkweise von Innovatoren im Silicon Valley.

Der Datenanalyst Nate Silver hat auf der Webseite FiveThirtyEight 2008 und 2012 besser als jeder andere die US-Wahlausgänge vorhergesagt. 2016 lag er – im Rahmen des statistischen Grundrauschens – falsch. Einen Sieg Trumps hielt er für nur 29 Prozent wahrscheinlich. Auch diese Voraussage war allerdings besser als die der meisten anderen Demoskopen, die Trump überwiegend weniger als zehn Prozent Siegeswahrscheinlichkeit attestierten und Hilary Clinton vorn sahen.

Bevor er sich politischen Prognosen zuwandte, war Silver Profi-Pokerspieler, was sein Denken über Risikoabwägung bis heute prägt. Sein Buch „On The Edge: The Art of Risking Everything“ gibt interessante Einblicke in die Philosophie des Silicon Valley.

Nach Silver sind die meisten Menschen zu risikoscheu, sie leben in seiner Metapher „im Dorf“. Dazu zählen die meisten Angehörigen der modernen westlichen Priesterkaste: Politiker, hochrangige Beamte, Medienmenschen, besonders geisteswissenschaftliche Akademiker. Diese Gruppe sei emotionsgetrieben und wegen ihrer mangelnden Risikobereitschaft inhärent politisch linkslastig.
Den Gegensatz bilden die Menschen, die „am Fluss leben“: Risikokapital-Investoren, professionelle Pokerspieler wie Silver selbst, Krypto-Spekulanten. Das klingt ähnlich wie die Unterscheidung zwischen den „Anywheres“ und den „Somewheres“, also Leuten, die ortsunabhängig leben und andererseits jenen, die an ihrem Wohnort hängen, sei es durch Wohneigentum, soziale Bindungen oder schiere wirtschaftliche Not.

Gerade deutsche Leser können sich von der Feier der Risikofreudigen inspirieren lassen. Sie müssen ja nicht gleich alles umsetzen. Silvers spezifische Perspektive sieht den Risikokapital-Investor, der sich den Rest seines Lebens ärgert, weil er damals Sergey Brin und Larry Page kein Geld gegeben hat, um Google zu finanzieren, und damit den eigenen Einsatz nicht x-millionenfach vermehrt hat. Der Ex-Pokerprofi übersieht aber den Durchschnittsleser, dessen Investitionsentscheidungen durchaus ruinöse persönliche Wirkungen haben können.

Sam Bankman Fried, dem inzwischen verurteilte Gründer der amerikanischen Krypto-Börse FTX, begegnet Silver ebenso wohlwollend wie dem Open-AI-Chef Sam Altman. Altman bestreitet einerseits nicht, dass die Technik der künstlichen Intelligenz, die seine Firma entwickelt hat, das Potenzial besitzt, die Menschheit auszulöschen. andererseits ruft er sieben Billionen Dollar an Kapital für die Entwicklung eben dieser Technik auf, weil sie ja realistischerweise ein Ende der Armut auf Erden bedeuten könnte.

Ob man an „den Fluss“ ­ziehen will, oder lieber Dorfbewohner bleibt – es lohnt, die Glaubensgrundsätze der Flussbewohner zu kennen, um Schlüsse für eigenen Entscheidungen zu treffen.

Der Datenanalyst Nate Silver hat 2008 und 2012 besser als jeder andere die US-Wahlausgänge vorhergesagt. Sein neues Buch "On The Edge: The Art of Risking Everything" gibt interessante Einblicke in die Philosophie des Silicon Valley und ermutigt Leser, mehr Risikobereitschaft zu zeigen.

Buchtitel:

On the Edge: The Art of Risking Everything,

576 Seiten, um 20 Euro

 

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