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Finanzierung > Fallstricke in Kreditverträgen

Tücken im Kreditvertrag - Risiken für den Mittelstand

In der Krise drohen Unternehmen vermehrt, fest vereinbarte Zielwerte nicht zu erreichen. Das kann sogar zur Insolvenz führen. So beugen Betriebe vor.

Harter Kreditgeber: Selbst ohne Zwicker und in Flanell sieht Dagobert nicht wie jemand aus, der mal eben einen Kredit vergibt. Bei genauer Betrachtung sollte man gar nicht erst danach fragen. (Foto: shutterstock, KI-generiert)

Von Midia Nuri

Im Moment sieht es nicht gut aus. Die wirtschaftliche Lage ist mehr als bescheiden. Die Stimmung ist mies im Mittelstand, „nah an der Depression", stellt die Wirtschaftsauskunftei Creditreform Mitte Oktober 2024 fest – wie schon ein Jahr zuvor. Die Wende in 2025 ist bisher nicht in Sicht. 40 Prozent der Mittelständler wollen deshalb weniger investieren als im Vorjahr, wie der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft (BVMW) ermittelt hat. Wer sein Geld nicht ausgibt, kann das Eigenkapital stärken, was für schwierige Zeiten wichtig ist. Aber: „Die Eigenkapitalquote ist in dieser Krise nicht das Problem", sagt Arno Fuchs, Chef des Finanzierungsberaters FCF. Es sei vielmehr, „dass Unternehmen die Liquidität ausgeht, bevor das Eigenkapital weg ist", ergänzt Kai Frömert, der das Mittelstandsgeschäft bei FCF leitet. Denn eine gute Versorgung mit Eigenkapital bedeutet nicht, über hinreichend flüssige Mittel zu verfügen. Tatsächlich hatten 10,4 Prozent der Mittelständler zuletzt Creditreform zufolge mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen.

Kredite würden helfen, sind aber wegen der unsicheren Lage derzeit wenig gefragt. Und Mittelständler, die doch um Kredit bitten, bekommen ihn nur schwer. Vermehrt sind auch bestehende Kredite gefährdet, weil Mittelständler gegen Vertragsbedingungen verstoßen, sogenannte Covenants brechen. Diese Gefahr steigt in jeder Krise. Das kann schwerwiegende Folgen bis hin zu Kreditkündigung und Insolvenz haben – und die Finanzierung der Firma zumindest verteuern. Unternehmer sollten alles daran setzen, keine Covenants zu brechen.

Insgesamt gaben Banken 2023 in Deutschland 1,872 Milliarden Euro Kredit an inländische Unternehmen und Selbstständige. 2022 waren es 1,852 Milliarden Euro. Der Anteil der kleinen und mittleren Unternehmen, die mit ihren Banken über eine Kreditaufnahme sprechen, lag KfW Research zufolge im Frühling 2024 mit 21,2 Prozent auf niedrigem Niveau. „Unternehmen zögern wegen der andauernden wirtschaftlichen Schwächephase, der politischen Unsicherheit und der pessimistischen Geschäftserwartungen, sich in langfristigen Kreditverträgen zu binden", stellt Jenny Körner fest, Finanzmarktexpertin bei KfW-Research. Wird verhandelt, wird es ungemütlich. Fast ein Drittel der mittelständischen Unternehmen mit Interesse an Kreditaufnahme beklagte im vierten Quartal ein restriktives Verhalten von Banken, wie die KfW-Research berichtet – ein Höchstwert. Besonders strenge Maßstäbe legten Banken an Unternehmen aus Industrie, Groß- und Einzelhandel an.

Beim aktuellen Treasurer-Panel von Oktober bis November 2024 nannten 36 Prozent der Finanzierungsverantwortlichen in Unternehmen den Umgang mit Banken herausfordernd, jedes vierte Unternehmen befand das für Finanzierung generell. Immerhin: Die Kreditbedingungen hatten sich für 23 Prozent der Befragten im Vergleich zum Vorquartal verbessert, für 17 Prozent verschlechtert. Der Rest bemerkte keine Veränderung. Besonders Unternehmen, die sich gerade wandeln, haben es dem Panel zufolge schwer.

Auch bestehende Kreditverträge haben Tücken. Kürzlich warnte FCF-Experte Marcel Lange auf Linkedin vor drei Alarmsignalen, die „zeigen, dass Ihre Unternehmensfinanzierung auf der Kippe steht." Neben einem schwachen Liquiditätsmanagement ist das zum Beispiel die Abhängigkeit von wenigen Banken. „Viele Familienunternehmen glauben immer noch: Meine Hausbank wird das schon regeln", schreibt er. „Doch genau das ist der Trugschluss, der vielen Mittelständlern zum Verhängnis wird." Und dann nennt Lange kurzfristige Finanzierung als Alarmsignal, die häufig am günstigsten sei, jedoch sehr anfällig, vor allem in Krisenzeiten. „Wird eine dieser Finanzierungslinien gekürzt oder gekündigt, fällt häufig das gesamte Kartenhaus der Unternehmensfinanzierung zusammen."

Zu solchen Kürzungen oder Kündigungen sind Banken berechtigt, wenn Unternehmen die Vertragsbedingungen verletzen. Ob Kreditverträge solche Covenants enthalten, hängt von der Bonität des Kreditnehmers ab, von Höhe und Laufzeit des Kreditbetrags sowie der Finanzierungsstruktur. Auch gesamtwirtschaftliche Faktoren wirken sich aus. So verschlechterte die Corona-Krise 2020 die Kreditbedingungen. Nach dem Ende der Pandemie hätten zumindest Unternehmen mit guter Bonität wieder sehr kreditnehmerfreundliche Konditionen erhalten können, berichten Finanzierungsfachleute.

Covenants sind zum Beispiel Finanzzahlen wie Leverage (Nettoverschuldung durch Ebitda), Gearing (Gesamtverschuldung durch Eigenkapital) oder Debt Service Cover Ratio (Free Cashflow durch Schuldendienst). Zu den nicht finanziellen Covenants gehören Berichts- und Informationspflichten sowie weitere Auflagen, die durch Bestimmungen wie Negative-Pledge- oder Cross-Default-Klauseln Gläubigerschutz gewährleisten. Auch sogenannte Information Covenants, wie etwa Quartalsberichte, sind häufig. Sie können ein Unternehmen besonders belasten, wenn es sonst lediglich einmal jährlich bilanziert. „Das ist der häufigste Covenant-Bruch", beobachtet Martin Heidrich, Partner der Kanzlei Taylor Wessing Deutschland und Experte für Restrukturierung und Insolvenzrecht. Verstößt ein Unternehmen einmal gegen die Vereinbarung, ist das meist zu lösen. „Andererseits werden Banken richtig sauer, wenn sie ständig mahnen müssen", sagt Heidrich. „Die nutzen Covenants oft als Frühwarnsysteme. Und dann hat der Kreditverantwortliche natürlich auch Vorgesetzte und die Aufsicht im Nacken. Da kommt schnell das Gefühl auf, am Ring durch die Manege gezogen zu werden." Das sei nicht förderlich.

Kündigung droht

Ein Covenant-Bruch kann schwerwiegende rechtliche Folgen haben. Ein Kreditgeber kann den Vertrag kündigen. Auch könnte er auf zusätzliche Sicherheiten bestehen oder höhere Zinsen verlangen, Transparenzanforderungen verschärfen oder die Möglichkeit nutzen, Forderungen an Dritte zu veräußern. „Bei revolvierenden Krediten oder Betriebsmittellinien kann die weitere Kreditaufnahme blockiert werden", erklärt Stephan Brandes, Partner der Wirtschaftskanzlei SZA Schilling, Zutt & Anschütz. „Selbst wenn Kreditgeber von einer Kündigung absehen, kann die vertragliche Ziehungssperre dazu führen, dass dem Unternehmen liquide Mittel für den Geschäftsbetrieb fehlen. Dadurch wird die Fortführung des Betriebs erschwert. Die Gefahr der Illiquidität steigt."

Ein Covenant-Bruch ist also für Unternehmen hochriskant. „Eine Kündigung des Kredits kann direkt zur Insolvenz führen, weil das Unternehmen selten in der Lage ist, den Gesamtbetrag kurzfristig zurückzuzahlen", sagt Brandes. Was es nach der Kündigung müsste.

Natürlich muss es nicht ganz arg kommen. Als üblich gilt nach einem Covenant-Bruch, dass Schuldner und Kreditgeber die Kreditvertragsbedingungen nachverhandeln, Waiver aufsetzen, wie es heißt. Hier kann es darum gehen, einen Puffer zu erhöhen. Auch könnten vertraglich vereinbarte Kennzahlen befristet ausgesetzt werden – ein sogenannter Covenant Holiday. Doch schon einen Waiver sollten Unternehmer nicht leichtfertig riskieren, denn oft zieht er weitere, neue Covenants nach sich. Und er kostet.

„Eine solche Waivergebühr kann bei kleinen KMU vielleicht 300 bis 600 Euro betragen, bei größeren aber durchaus auch ein richtiger Betrag in Prozenthöhe der Darlehenssumme werden", sagt Sanierungsexperte Heidrich. „Bei Sanierungen, wo es ohnehin schon kritisch ist, ist das natürlich eine hohe Belastung." Auf sie sollten Unternehmen auf keinen Fall genervt und feindselig reagieren, sondern konstruktiv und lösungsorientiert, rät der Anwalt. „Jedes Unternehmen hat Probleme und jede Bank lässt vernünftig mit sich reden und gibt hier und da wertvolle Tipps." Letztlich seien solche Covenants Fragen, die die Geschäftsleitung sich auch selbst stellen sollte.

Unternehmer sollten rechtzeitig prüfen, ob sie Gefahr laufen, in Kreditverträgen vereinbarte Finanzkennzahlen oder Auflagen nicht einzuhalten, und möglichst frühzeitig das Gespräch mit den Finanzierern suchen. Eine Checkliste mit den wichtigen Vertragsklauseln aller Kreditverträge hilft, ebenso ein vorausschauendes Finanz-Monitoring. Unternehmer sollten ruhig auch Szenarien durchrechnen und überlegen, ob sie die Covenants einhalten können. Ihre Verpflichtungen den Kreditgebern gegenüber sollten Unternehmer im Kalender stehen haben.

„Im Falle eines Covenant-Breach stehen die Geschäftsführer vor der Herausforderung, einerseits den Gläubigerschutz und andererseits die Bestandssicherung des Unternehmens zu gewährleisten und gleichzeitig andere Gesellschaftsorgane mit einzubinden", sagt Bank- und Finanzrechtsexperte Brandes.

Als Erstes gilt es, Insolvenzreife zu prüfen und eventuell einen Insolvenzantrag zu stellen sowie natürlich auch, mit der Krise umzugehen und den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Außerdem muss mit Finanzierern verhandelt werden, um eine mögliche Kündigung abzuwenden. Gegebenenfalls sollten Stillhaltevereinbarungen mit Gläubigern geschlossen und Überbrückungskredite aufgenommen werden. Ganz wichtig sind auch die Berichtspflichten gegenüber Gesellschaftern.

Steht trotz aller Vorsicht eine Neuverhandlung von Covenants an oder wird ein Kredit neu verhandelt, sollten Unternehmer auf genügend Puffer für die Covenants achten und auf solche, die sinnvoll für das Unternehmen sind. Der Spielraum sollte nicht zu eng sein.

Sinnvoll kann je nach Unternehmen auch sein, Freibeträge, sogenannte Baskets, vorzusehen – für Akquisitionen, Verkäufe, aber auch Ausschüttungen, Garantien, Kreditvergaben oder Sicherheiten.

Zum Finanzhorror kann ein allzu bunt gewachsener Finanzierungsmix werden – mit womöglich unterschiedlichen Covenants aus syndiziertem Kredit, bilateralen Linien und auch Schuldscheinen.

Groß ist die kreditvertragliche Gefahr auch, wenn verschiedene Gesellschaften einer Unternehmensgruppe unterschiedliche Ratings haben. Kreditgebern ist natürlich nicht daran gelegen, dass gewährtes Geld in höhere Risiken abfließen.

Unternehmer sollten daher darauf achten, ihre Finanzierung zentral zu steuern. Wie mit den verschiedenen Finanzierungsbelangen umzugehen ist, sollte intern klar geregelt sein – und dann mit der Hausbank oder bei größeren Finanzierungsvorhaben auch einem Bankenkonsortium ausgehandelt werden.

Transparenz gegenüber den Banken und sorgfältiges Vorgehen sind das eine, Rücksprache mit einem selbst beauftragten Anwalt das andere. Eigene Rechtsfachleute auf die Formulierung der Kreditvertragsbedingungen schauen zu lassen, ist empfehlenswert. Schließlich macht es einen großen Unterschied, ob beispielsweise die Eigenkapitalquote zu einem Stichtag eingehalten werden muss oder jederzeit.

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