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Recht und Steuern > Urteil der Woche

Urlaubsanspruch verjährt nicht automatisch

Verfällt der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub automatisch nach drei Jahren? Nicht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, den Urlaub rechtzeitig zu nehmen. Das entschied nun der Europäische Gerichtshof. Was für Arbeitgeber daraus folgt.

Urlaubsanspruch verjährt nicht automatischBild: Shutterstock

Bis vor das Bundesarbeitsgericht (BAG) war der Fall einer Mitarbeiterin gelangt, die von ihrem früheren Arbeitgeber einen finanziellen Ausgleich für nicht genommenen Urlaub verlangte. Sie trug vor, den Urlaub habe sie wegen des hohen Arbeitsanfalls nicht nehmen können. Der Arbeitgeber verwies hingegen auf die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren und wollte den Urlaubsanspruch entsprechend nicht ausgleichen.

Zu Unrecht, entschied das BAG: Der Urlaubsanspruch sei für die in Frage stehenden Jahre 2013 bis 2016 nicht nach dem Bundesurlaubsgesetz erloschen, weil der Arbeitgeber die Mitarbeiterin nicht in die Lage versetzt habe, ihren bezahlten Jahresurlaub auch tatsächlich zu nehmen. Zweifel hatte das Gericht allerdings daran, ob die allgemeine dreijährige Verjährungsfrist hier anwendbar ist, und fragte dazu den EuGH.

In seinem Urteil (vom 22.09.2022, C-120/21) führte der nun aus: Der Arbeitgeber habe zwar richtigerweise ein „berechtigtes Interesse“ daran, dass Arbeitnehmer ihn nicht mit Anträgen auf Urlaub oder finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub konfrontieren, für eine Zeit, die länger als drei Jahre zurückliegt. Dieses Interesse sei aber dann nicht mehr berechtigt, wenn sich der Arbeitgeber selbst in eine solche Situation gebracht habe, indem er den Arbeitnehmer nicht in die Lage versetzt hat, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich wahrzunehmen. Inwieweit dies im vorliegenden Fall gilt, muss nun das Bundesarbeitsgericht prüfen.

Die EuGH-Richter stellten zudem klar, es sei Sache des Arbeitgebers, gegen solche späten Anträge dadurch Vorkehrungen zu treffen, dass er seinen Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachkommt. „Der EuGH folgt mit der Entscheidung seiner bisherigen Linie, nach der er Einschränkungen des Anspruchs auf Erholungsurlaub bereits mehrfach für grundsätzlich unzulässig erklärt hat“, sagt die Düsseldorfer Arbeitsrechtspartnerin Lisa-Marie Niklas.

In Folge der EuGH-Rechtsprechung hat auch das BAG seine Rechtsprechung zum Urlaubsrecht inzwischen arbeitnehmerfreundlicher gestaltet, indem es anerkennt, dass bei Krankheit des Mitarbeiters der Urlaubsanspruch nicht mit dem März des Folgejahres erlischt, dass Abgeltungsanspruche vererbt werden können und dass vor allem Urlaubsansprüche nur dann erlöschen, wenn die Unternehmen ihre Beschäftigten auf den Urlaub hingewiesen haben. „Dieses Urteil des BAG aus dem Jahr 2019 ist für Betriebe besonders relevant, weil sie seither nicht nur darauf achten müssen, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv auf ihren noch zu nehmenden Urlaub und den ansonsten drohenden Verfall hinzuweisen. Sie müssen im Zweifel auch beweisen, dass sie dieser Hinweispflicht nachgekommen sind“, sagt die Partnerin der Kanzlei Arqis. Mit dem EuGH-Urteil sei nun auch die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren nicht mehr gesetzt.

„Worauf Arbeitgeber nach dieser Entscheidung insbesondere achten müssen, wird sich aber wohl erst aus der BAG-Entscheidung ergeben“, sagt Lisa-Marie Niklas. „Insbesondere wird es von Bedeutung sein, bei wem das BAG die Darlegungs- und Beweislast für noch bestehende Urlaubsansprüche sieht.“ Zu raten sei Arbeitgebern aber schon jetzt, offene Urlaubsansprüche fortlaufend zu überwachen und zu dokumentieren, wann sie Beschäftigte dazu angehalten haben, ihren Urlaubsanspruch zu realisieren. „Denn wer nachweisen kann, dass er seit der Rechtsprechung zur Hinweispflicht dieser Verpflichtung jedes Jahr nachgekommen ist, kann sich auch weiter auf die Verjährung berufen“, so die Anwältin.

 

Hinweispflicht auch bei Krankheit des Arbeitnehmers

In zwei ähnlich gelagerten Fällen entschied der EuGH übrigens am gleichen Tag über den Urlaubsanspruch bei Krankheit, der nach deutschem Recht normalerweise nach 15 Monaten verfällt (C‑518/20 und C‑727/20). Auch hier wollte das BAG vom EuGH wissen, ob dies auch dann rechtens ist, wenn der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten nicht nachgekommen ist, also beispielsweise keine Frist gesetzt hat, bis wann der Urlaub zu nehmen ist. Der EuGH urteilte, auch in so einem Fall müsse der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, Jahresurlaub tatsächlich zu nehmen. Nur unter besonderen Umständen könne eine Ausnahme gemacht werden, damit die unbegrenzte Ansammlung von Urlaubsansprüchen nach längerer Krankheit nicht zu Schwierigkeiten für die Arbeitsorganisation führe.

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