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Recht und Steuern > Vergaberecht-Reform

Vergaberecht-Reform: Mythen fallen, Chancen steigen

Bundeskabinett beschließt Vereinfachung des Vergaberechts - Wirtschaft begrüßt Entbürokratisierung und mehr Flexibilität.

Das Bundeskabinett hat eine weitreichende Reform des Vergaberechts beschlossen (Quelle: Shutterstock)

Das Bundeskabinett hat eine weitreichende Reform des Vergaberechts beschlossen. Ziel ist es, öffentliche Aufträge attraktiver für die Wirtschaft zu machen und Bürokratie abzubauen. Die wichtigsten Punkte der Reform sind:

  • Vereinfachung der Vergabeverfahren 
  • Abbau überschüssiger Bürokratie 
  • Praxisnahe Regelungen für nachhaltigere Beschaffung  
  • Stärkung von Innovationen in der öffentlichen Beschaffung
  • Bessere Berücksichtigung von KMUs bei öffentlichen Aufträgen

Der Gesetzentwurf sieht vor, die Nachweispflichten für Unternehmen zu reduzieren und die Chancen für kleine und mittlere Unternehmen bei öffentlichen Aufträgen zu verbessern. Nachhaltigkeit soll zum Regelfall werden, wobei die Auftraggeber flexibel über die konkrete Umsetzung entscheiden können. Mit einem jährlichen Auftragsvolumen im unteren dreistelligen Milliardenbereich soll die Reform die Attraktivität öffentlicher Aufträge für die deutsche Wirtschaft steigern und zur Entwicklung grüner Leitmärkte beitragen. Ergänzend ist eine Neufassung der Unterschwellenvergabeordnung geplant.

Mythen und Realitäten des Vergaberechts

Doch zunächst gilt es mit weitverbreiteten Mythen, die sich um das Vergaberecht ranken, aufzuräumen. Ein weit verbreiteter Mythos im Vergaberecht ist das sogenannte "Billigstbieterprinzip". Viele Unternehmen glauben, dass bei öffentlichen Ausschreibungen immer der günstigste Anbieter den Zuschlag erhält. Die Realität sieht jedoch anders aus: Gemäß § 127 Abs. 1 GWB wird der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt, das nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis bestimmt wird.

Zwar kann der Zuschlag auch weiterhin allein nach dem günstigsten Preis vergeben werden, doch sollte sich dies auf die Fälle beschränken, bei denen es um die Ausschreibung von standardisierten Leistungen geht. Bei komplexeren Beschaffungen spielen auch Faktoren wie Qualität, Nachhaltigkeit und Innovationskraft eine wichtige Rolle.

Ein weiterer Aspekt, der oft missverstanden wird, ist die Möglichkeit der Berücksichtigung von Lebenszykluskosten. Öffentliche Auftraggeber können neben den reinen Anschaffungskosten auch Folgekosten wie Betriebs- und Wartungskosten in ihre Bewertung einbeziehen. Dies führt zu einer ganzheitlicheren Betrachtung der Wirtschaftlichkeit und kann innovative und nachhaltige Lösungen begünstigen.

IHK fordert Vereinfachung und mehr Einheitlichkeit

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) begrüßt grundsätzlich die Reform des Vergaberechts, sieht aber noch weiteren Handlungsbedarf. Ein zentraler Punkt ist die Beseitigung der Rechtszersplitterung. Die DIHK fordert ein verständliches Vergabegesetzbuch, das auch unterhalb der EU-Schwellenwerte für mehr Einheitlichkeit sorgt.

Aktuell führt die föderale Struktur zu einer enormen Rechtszersplitterung im Unterschwellenbereich. Fast jedes Bundesland hat eigene Vorschriften, was die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen für Unternehmen erschwert. Die DIHK plädiert daher für klare, nachvollziehbare und unter den Bundesländern abgestimmte Regeln und Verfahren.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Verringerung des bürokratischen Aufwands. Die DIHK schlägt vor, die Möglichkeiten der Digitalisierung besser zu nutzen und beispielsweise Nachweise von den öffentlichen Auftraggebern selbst abrufen zu lassen, statt sie von den Unternehmen anzufordern.

Ein Spannungsfeld in der aktuellen Diskussion ist die Frage, inwieweit das Vergaberecht für strategische Ziele wie Nachhaltigkeit oder Innovation genutzt werden soll. Die DIHK betont, dass diese Ziele zwar wichtig sind, aber nicht zu einer übermäßigen Belastung der Unternehmen führen dürfen.

Der Bezug zum Auftragsgegenstand sollte bei der Berücksichtigung von sozialen, Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekten beibehalten werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Unternehmen mit Anforderungen belastet werden, die mit dem eigentlichen Auftragsgegenstand nichts zu tun haben und eher tagesaktuell politisch determiniert sind.

Überblick über das Vergaberecht in Deutschland

Die Definition des Vergaberechts umfasst sämtliche Vorschriften zur Vergabe öffentlicher Aufträge, wobei es sich um entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen über Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen sowie seit 2016 auch Konzessionen handelt.

Ein wesentliches Merkmal ist die Zweigliederung des Vergaberechts: Oberhalb der EU-Schwellenwerte gelten die Vorschriften des Kartellvergaberechts, während unterhalb dieser Werte das Haushaltsrecht und landesrechtliche Vergabegesetze greifen. Die primären Ziele des deutschen Vergaberechts sind der wirtschaftliche Umgang mit Haushaltsmitteln, die Korruptionsbekämpfung sowie die Gewährleistung eines transparenten und diskriminierungsfreien Wettbewerbs. Zunehmend spielen auch soziale und umweltpolitische Aspekte eine wichtige Rolle in den Vergabeverfahren. Zusammengefasst sind die wichtigsten Aspekte:

  • Zweigliederung: Kartellvergaberecht (oberhalb EU-Schwellenwerte) und Haushaltsrecht (unterhalb der Schwellenwerte)
  • Wichtige Rechtsquellen: GWB, VgV, SektVO, VOB/A, UVgO
  • Ziele: Sparsamer Umgang mit Haushaltsmitteln, Korruptionsbekämpfung, transparenter und diskriminierungsfreier Wettbewerb
  • Besonderheiten: Berücksichtigung strategischer Ziele wie Nachhaltigkeit und Innovation möglich

Ausblick

Die Reform des Vergaberechts ist ein wichtiger Schritt zur Modernisierung und Vereinfachung öffentlicher Beschaffungen. Sie bietet Chancen für mehr Wettbewerb, Innovation und Nachhaltigkeit. Gleichzeitig bleiben Herausforderungen bestehen, insbesondere bei der Balance zwischen Vereinfachung und der Berücksichtigung strategischer Ziele. Für Unternehmen, insbesondere KMUs, könnte die Reform neue Möglichkeiten eröffnen, sich erfolgreich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Neuregelungen in der Praxis bewähren und ob sie tatsächlich zu einer Entbürokratisierung und Attraktivitätssteigerung öffentlicher Aufträge führen.

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