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Finanzierung > Pflichtversicherung gegen Hochwasserschäden: Eine Lösung für Deutschland?

Von Hochwasser zu Hochwasser die gleiche Erkenntnis – aber nichts passiert

Nach den Fluten in Süddeutschland wird erneut über eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden diskutiert. Was würde sie kosten und warum kommt sie nicht?

Hochwasser in Passau
Hochwasser in Passau - Nach den Fluten in Süddeutschland wird erneut über eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden diskutiert. Bildnachweispicture alliance / SVEN SIMON | Frank Hoermann

Es ist immer das gleiche: Es regnet stark, Flüsse treten über die Ufer, Keller laufen voll, manche Häuser sind bis auf weiteres unbewohnbar. Dann steigen Politiker in Gummistiefel und versprechen Hilfe. Und dann kocht die Debatte hoch, warum die Betroffenen selbst eigentlich nicht gegen derartige Schäden versichert sind, die sie allein in der Regel nicht bezahlen können. Warum gibt es keine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden wie Starkregen, Erdrutsch und Sturmflut?

So lief die Diskussion, nachdem 2021 die gewaltig über die Ufer getretene Ahr in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz Milliardenschäden verursacht hatte. Passiert ist darauf in der Debatte um eine Versicherungspflicht: nichts. Jedenfalls nichts Sichtbares. Das könnte sich nach den Fluten in Bayern und Baden-Württemberg jetzt ändern. Denn die Diskussion ist hinter den Kulissen weitergegangen, nur bislang eben ohne Ergebnis - was den einen oder anderen hörbar nervt: „Ich habe null Verständnis, dass wir von Hochwasser zu Hochwasser jedes Mal die gleiche Erkenntnis haben und der Bundesjustizminister sitzt es einfach aus“, mault Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger.

Der Hintergrund: Im März 2023 hatten die Länder im Bundesrat einstimmig das Ziel beschlossen, „eine Elementarschaden-Pflichtversicherung voranzutreiben“. Deswegen tagt seit Dezember eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die planmäßig noch diesen Monat ein Ergebnis vorlegen soll. Konkret geht es darum, ob es Pflicht wird, dass in den bestehenden Gebäudeversicherungen gegen eine zusätzliche Prämie der Hochwasserschutz eingeschlossen ist.

Was dafür und dagegen spricht

Das Für und Wider einer Versicherungspflicht liegt auf dem Tisch, die Argumente sehen so aus: Die Befürworter, vor allem die Justizminister der Bundesländer, führen ins Feld, dass eine Versicherungspflicht den Staat und damit den Steuerzahler entlastet. Es gäbe eine klare Regelung, wer für den Schaden aufkommt, und durch ein schlaues Prämiensystem könnten Anreize geschaffen werden, Häuser besser abzusichern oder in Hochwasser gefährdeten Gebieten gar nicht erst zu bauen.

Die Gegner einer Versicherungspflicht, darunter bisher das Bundesjustizministerium, argumentieren etwa so: Jeder hat die Freiheit, Verträge zu schließen – oder eben auch nicht. Zwar gibt es Pflichtversicherungen, aber die dienten, so fasst es das Wirtschaftsmagazin Capital zusammen, dem Schutz von Leib und Leben (Krankenversicherung) oder dem Schutz von Dritten vor Schäden (Auto-Haftpflicht). „Eine Versicherung gegen Schäden durch eigenes Handeln ist nicht so üblich.“ Zudem würden Hausbesitzer bei einer Pflicht in eine solche Versicherung einzahlen müssen, deren Risiko, von Hochwasser betroffen zu sein, gleich null ist.

Damit geht es am Ende um die Kosten. Die Versicherer brauchen möglichst viele Versicherungsnehmer, die regelmäßig Prämien bezahlen, um den Preis für eine solche Versicherung überschaubar zu halten. Nach ihren Berechnungen dürften Kunden für eine Elementarschäden-Pflichtversicherung in Risikogebieten im niedrigen vierstelligen Bereich pro Jahrbezahlen müssen, in unproblematischen Regionen lägen die Kosten im niedrigen dreistelligen Bereich.

Es wird immer noch in Hochrisikogebieten gebaut

Aber die Versicherer gehen grundsätzlich an das Thema ran. Der Gesamtverband der Versicherer (GDV) hat eine Studie erstellt. Darin heißt es, dass in Überschwemmungsgebieten nach wie vor zu viel neu gebaut wird. In Deutschland sind seit dem Jahr 2000 rund 2,7 Millionen neue Wohngebäude entstanden – mehr als 32.000 davon in Überschwemmungsgebieten. Pro Jahr kamen also etwa 1000 bis 2400 neue Wohngebäude in Risikogebieten hinzu. Insgesamt liegen in Deutschland rund 270.000 Wohngebäude in hochgefährdeten Überschwemmungsgebieten. „Wir sind der Meinung, dass in Überschwemmungsgebieten grundsätzlich nicht neu gebaut werden sollte“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Tatsächlich sei aber der prozentuale Anteil neuer Wohngebäude in Überschwemmungsgebieten gestiegen. Der GDV plädiert vor diesem Hintergrund für eine Anpassung des Bau- und Planungsrechts. „Wir brauchen Bauverbote in Überflutungsgebieten, eine Pflicht zu wasserresilienten Baustoffen und bessere Hochwasserschutzanlagen. Nur so können wir die Spirale aus steigenden Schäden und Prämien durchbrechen“, sagt Asmussen. Bei der bislang verheerendsten Flutkatastrophe im Ahrtal waren versicherte Schäden in Höhe von knapp 9 Milliarden Euro entstanden. 

Deswegen steckt hinter den Vorbehalten der Branche auch wieder ein Kostenargument: In der Vergangenheit war ein Knackpunkt der Diskussion, ob der Staat am Ende bereit sei, einen Teil des Risikos mit einer Bürgschaft für die Versicherer zu übernehmen. Damit allerdings ginge der Bund wieder ins Risiko, könnte aber so die Prämien für die Versicherung senken. Und möglicherweise ist es kein schlechtes Geschäft: Denn allein fürs Ahrtal hat der Bund bisher 15 Milliarden Euro bereitgestellt. Eine Bürgschaft könnte da für ihn billiger sein.

 

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