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Recht und Steuern > BGH-Urteil: „Klimaneutral“-Werbung ohne Erklärung verboten

Vorsicht mit umweltbezogenen Aussagen

Der BGH verbietet dem Süßwarenhersteller Katjes, den Begriff „klimaneutral“ ohne genaue Erläuterung in seiner Werbung zu verwenden. Das Urteil betrifft Unternehmen aller Branchen – und zwar ab sofort.

Katjes
Als Katjes „klimaneutral“ warb, ahnte der Süßwarenhersteller nicht, dass der BGH diese Aussage ohne genaue Erklärung verbieten würde. Ein Urteil mit weitreichenden Folgen für Unternehmen aller Branchen, das sofort in Kraft tritt. Bildnachweis: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Mit dem Begriff „klimaneutral“ dürfen Unternehmen künftig nur werben, wenn sie direkt in der Werbung erklären, was damit konkret gemeint ist. Dieses Urteil fällte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe (Az: I ZR 98/23) im Fall des Süßwarenherstellers Katjes am 27. Juni. Katjes hatte in einem Fachmedium der Lebensmittelbranche mit einem Logo samt Schriftzug „klimaneutral“ und der Aussage „Seit 2021 produziert Katjes alle Produkte klimaneutral“ geworben.

Dagegen hatte der Verein Wettbewerbszentrale geklagt. Denn Verbraucher könnten ohne Erläuterungen annehmen, das Unternehmen vermeide sämtliche Treibhausgasemissionen, begründet Wettbewerbszentrale-Hauptgeschäftsführer Reiner Münker die Klage. Das jedoch war nicht der Fall. Der BGH stufte die Werbung deshalb als irreführend ein.

BGH fordert die Erklärung unmittelbar

In den Vorinstanzen hatte Katjes noch gewonnen. Doch der erste Zivilsenat des BGH gab der Revision des Klägers nun höchstinstanzlich recht. „Die Werbung ist mehrdeutig“, hält der BGH in seiner Mitteilung fest, denn der Begriff „klimaneutral“ könne „von den Lesern der Fachzeitung – nicht anders als von Verbrauchern – sowohl im Sinne einer Reduktion von CO2 im Produktionsprozess als auch im Sinne einer bloßen Kompensation von CO2 verstanden werden.“ Doch, stellt der BGH in seiner Pressemitteilung zum Sachverhalt klar: „Der Herstellungsprozess der Produkte der Beklagten läuft nicht CO2-neutral ab“. Die Beklagte unterstütze stattdessen über ein Umweltberatungsunternehmen Klimaschutzprojekte und weist in der Werbung auf diese Kooperation hin. Das jedoch reicht den obersten Richtern nicht.

Anders als die Vorinstanz stuft der BGH die Werbung als irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG ein. Gerade für Werbebegriffe zum Thema Umwelt gelten besonders hohe Maßstäbe, erinnert der Vorsitzende Richter des Senats, Thomas Koch, bei der Urteilsbegründung. „Bei einer Werbung, die einen mehrdeutigen, umweltbezogenen Begriff wie „klimaneutral“ verwendet, muss deshalb zur Vermeidung einer Irreführung regelmäßig schon in der Werbung selbst erläutert werden, welche konkrete Bedeutung maßgeblich ist“, sagt Koch. Ein Internetlink in der Werbung, der zu weiteren Informationen führe, reicht also nicht.

Der Bundesgerichtshof verurteilt Katjes, die Werbung zu unterlassen und vorgerichtliche Abmahnkosten zu erstatten.

BGH weitet damit bisherige Rechtsprechung aus

„Nach bisheriger BGH-Rechtsprechung wird Umweltwerbung – und auch gesundheitsbezogene Werbung – besonders streng beurteilt“, erläutert Constantin Eikel, Partner in der Sozietät Bird & Bird LLP in Düsseldorf. „Der BGH bestätigt damit seine Rechtsprechung aus dem Jahr 1988.“ Neu sei, dass der BGH nun Regeln konkret zum Begriff „klimaneutral“ aufstelle, erklärt der Experte für Marken- und Wettbewerbsrecht. Das bereits vor Jahren vom BGH eingeforderte erhöhte Aufklärungsbedürfnis für die Verbraucher hat der BGH damals mit der „hohen emotionalen Wirkung“ von Umweltwerbung begründet. „Die Pressemitteilung sagt nicht, ob dies (erneut) der Grund ist“, hält Eikel fest. Klar ist nach Einschätzung des Anwalts aber, dass das Urteil sofortige Verpflichtungen für Unternehmen mit sich bringt, die mit Klimaneutralität werben.

Diese Anforderungen müssen Unternehmen nun erfüllen

„Das BGH-Urteil verpflichtet Unternehmen, mehrdeutige Begriffe unmittelbar, also noch direkt in der Werbung oder auf der Packung, zu erläutern“, sagt Eikel. „Im Fall von „klimaneutral“ bedeutet das: Es muss direkt in der Werbung oder auf der Packung erklärt werden, welche Art der Klimaneutralität gemeint ist.“ Aufklärende Hinweise außerhalb der Werbung reichen also nicht.

Der BGH hat außerdem klargemacht, dass der Klimaneutralität durch eine Reduktion im Produktionsprozess der Vorzug zu geben ist gegenüber einer Klimaneutralität durch Kompensation. „Wer Klimaneutral sagt, muss also nun im gleichen Atemzug sagen, welche Form der Klimaneutralität es ist“, erklärt Eikel. Für Unternehmen misslich: „Wahrscheinlich werden so viele Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen, dass Werbung mit Klimaneutralität über Kompensationen jetzt unattraktiv und zu risikoreich wird“, erwartet Eikel. „Das wird im Detail aber nur die Urteilsbegründung zeigen.“

Klar ist schon jetzt: Die neuen Regeln des BGH gelten ab sofort. „Jeder Unternehmer, der mit Klimaneutralität wirbt, sollte seine Werbung umgehend anpassen und kritisch überprüfen“, sagt Eikel. „Es gibt keine Übergangsfrist.“

BGH-Urteil greift EU-Richtlinien vor

Das BGH-Urteil macht Unternehmen damit nun Vorgaben für ihre Werbung, die mit zwei EU-Richtlinien sowieso bald gelten werden. Die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher – Empowering Consumers Richtlinie („EmpCo“) verbietet Klimaneutralaussagen für Produkte ab 27. September 2026. Die noch nicht erlassene Green Claims-Richtlinie soll demnächst strenge und neue Regeln für Klimaneutralaussagen für Unternehmen aufstellen – diese aber dann nicht vollständig untersagen.

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