Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Finanzierung > Autoindustrie im Absturz?

Autokrise: Akuter Handlungsbedarf

Wegen eingebrochener Verkaufszahlen bleiben Hersteller und Zulieferer auf ihren Investitionen sitzen. Die Rufe nach staatlichen Hilfen werden immer lauter. Vor allem aus Wolfsburg.

(Foto: picture alliance, Markus Grolik)

Die deutsche Autoindustrie steckt in der Krise. Das ist einer breiten Öffentlichkeit und vor allem der Politik allerdings erst jetzt deutlich geworden. Erst nachdem der Vorstand von Volkswagen die Beschäftigungsgarantie aufgekündigt hat und sogar laut über die Schließung von zwei Werken nachdenkt. Jetzt ist die Aufregung groß und reflexartig wird von Staatshilfen gesprochen. Weil ja der Autoriese nicht fallen darf - so das Argument.

Da lohnt es sich doch, etwas genauer hinzusehen. Die Aufregung um VW hat vor allem politische Gründe. Die IG Metall und das Land Niedersachsen haben durch das VW-Gesetz einen überbordeten Einfluss. Beide haben vor allem ihre Mitglieder und Wähler im Blick. Das führt zu eklatanten Fehlentwicklungen. Das belegt ein Blick auf die Konkurrenz. So hat im vergangenen Jahr Toyota mit 380.000 Beschäftigten mehr als 11 Millionen Autos produziert. Der VW-Konzern kommt auf etwas mehr als neun Millionen – mit 680.000 Mitarbeitern. Wenn dem Vorstand in Wolfsburg also die Kosten davonlaufen, findet sich hier ein erster Ansatz.

Die Politik trägt aber auch ihren Anteil an der Misere in Wolfsburg. Hier wird deutlich, dass man ohne Not global agierende Konzerne und ihre Zulieferer auf den Kurs in die E-Mobilität gezwungen hat. Natürlich ist der Antrieb sinnvoll. Aber man kann Märkte nicht verordnen. Jetzt bauen VW, Opel, Ford und Stellantis zwar E-Modelle, doch die sind in einigen Fällen fast doppelt so teuer als die Variante mit Verbrennungsmotor. Und das in einem Segment, in dem die Kunden auf jeden einzelnen Tausender schauen. Ganz davon abgesehen, dass bis heute die Ladeinfrastruktur immer noch sehr lückenhaft ist. Die Ablehnung auf dem deutschen E-Automarkt ist so krass, dass auch die chinesischen Anbieter ihre Expansionspläne bei uns verworfen haben.

Strategien sind gefragt

Volkswagen konzentriert sich schon aus der Firmentradition heraus auf Modelle, die große Volumina benötigen, um nennenswerte Erträge erwirtschaften zu können. Bleiben die aus, schnappt die Kostenfalle zu – gerade in Deutschland.

Da loben die Finanzmärkte die Strategien von Mercedes und BMW, die sich verstärkt auf Luxuskarossen konzentriert haben. Sie erwirtschaften damit höhere Renditen mit kleineren Stückzahlen und agieren gleichzeitig in einem Marktsegment, in dem es auf 1000 Euro mehr oder weniger nicht so ankommt. Wer das lobt, verliert allerdings völlig aus der Wahrnehmung, dass bei den mittelständischen Zulieferern folglich auch weniger Teile bestellt werden. Die Lieferanten sind also derzeit doppelt gekniffen:  einerseits durch die Absatzkrise und zudem noch durch den Kurswechsel wichtiger Kunden mit weniger Stückzahlen.

Erschwerend kommt hinzu, dass der für VW so wichtige Absatzmarkt China ebenfalls gerade nicht läuft. Auch dort herrscht Krisenstimmung und die Leute halten ihr Geld zusammen. Zudem gibt es etliche heimische Anbieter, die ihre Überkapazitäten zu Dumpingpreisen in den Markt drücken. Selbst Premium-Anbieter wie Mercedes, BMW oder Audi bekommen das derzeit schmerzlich zu spüren.

Einiges schief gelaufen

Jetzt wird besonders deutlich, dass die VW-Modelle schlicht zu teuer sind. Das hat mit Produktionskosten zu tun, aber auch mit einer verspäteten Entwicklung und mit Fehlentscheidungen. So wollte man lange Zeit die Autos mit eigener Software ausstatten. Inzwischen wird die IT-Tochter Cariad als Fehlschlag abgewickelt. Das hat dem Konzern – und vielen Zulieferern – viel Geld und Zeit gekostet.

Es ist also einiges schief gelaufen in Wolfsburg. Aber warum soll der Steuerzahler jetzt einem Konzern helfen, der sich nur in der Krise daran erinnert, dass er deutsche Wurzeln hat? Was ist mit den vielen Zulieferern, die unter der verkorksten Elektro-Politik mindestens genauso leiden?

Bei ZF soll jeder vierte deutsche Arbeitsplatz wegfallen. Das sind 14.000 Betroffene. Auch bei Bosch, Continental und vielen kleineren Zulieferern wackeln Arbeitsplätze. Aus den mittelständischen Betrieben ist zu hören, dass in diesem Sommer die Hersteller bis zu einem Drittel weniger abgerufen haben. Ihnen sitzen inzwischen die Banken immer heftiger im Nacken. Die Gespräche mit den Geldgebern – so der einheitliche Tenor – würde wesentlich länger und schwieriger verlaufen. Darüber hat sich in Berlin bis heute niemand aufgeregt.

Überhaupt wird auf politischer Seite die Lage auf dem Automobilmarkt nicht verstanden. Nachdem 2017 fast 95 Millionen Autos gefertigt wurden, werden für dieses Jahr 78 Millionen erwartet. In Europa sinkt dabei die Nachfrage weiter, in Nordamerika soll sie stabil bleiben.

Die künftigen Wachstumsmärkte für Autos befinden sich vor allem in Asien. Allein im Großraum China wird dann jedes dritte Fahrzeug gefertigt. Dort müssen die deutschen Hersteller und Zulieferer wettbewerbsfähig sein. Will man also verhindern, dass sie abwandern, darf man den Unternehmen nicht ständig neue Knüppel zwischen die Beine werfen. Im Gegenteil: die politische Aufgabe ist es, die Kostennachteile schnellstmöglich abzubauen.

Durch die Politik gestiftete Verwirrung

Nein mit Steuermilliarden für VW ist dieses Dilemma nicht zu lösen. Es fehlt der Markt, weil die Politik so viel Verwirrung und Unsicherheit gestiftet hat, dass eine ganze Industrie an die Wand fährt. Das hat Folgen, die weit über die aktuelle Absatzflaute reichen. Denn aus den Kreisen der Zulieferer ist zu hören, dass die Hersteller sparen. Beispielsweise am Zertifizierungs- und Qualitätsmanagement. Das bremst die Innovationen des Mittelstands aus, weil bei den Großkunden niemand mehr da ist, der die neuen Produkte in die Konzernprozesse integrieren kann. So können die Zulieferer mit Verbesserungen aber auch keine Kostenvorteile mehr erzielen.

Fuß vom Gas

Aber auch die Hersteller stecken derzeit im „Weiter so“ fest. So besteht also akuter Handlungsbedarf. Aber wenn schon Geld in die Hand genommen werden soll, dann für eine klare und verlässliche Förderstrategie für E-Mobile. Gleichzeitig braucht es einen längeren Bestandschutz für die Modelle mit Verbrennungsmotor. Denn diese Fahrzeuge decken im Moment die Kosten in der Autoindustrie und sorgen für die notwendigen Erträge mit denen Investitionen finanziert werden können. In Brüssel und Berlin muss es also heißen: Fuß vom Gas, Ideologie stehen lassen und mit viel Geld den verursachten Schaden heilen.

 

Ähnliche Artikel