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Politik > Wachstums-Chancen-Gesetz

Was Lindners Steuerreform für Betriebe bedeutet

Nach den Haushaltsverhandlungen ist für den Bundesfinanzminister vor der Steuerreform. Christian Lindner hat vor allem kleinere und mittlere Betriebe im Fokus. Was Ökonomen und Verbände davon halten.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bereitet eine wie er selbst sagt "kleine Steuerreform" vor.

Deutschland ist ein Hochsteuerland, das sind sich sogar Regierung und Opposition einig. Die offizielle Antwort des Finanzministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Unionsfraktion lautete jüngst: „In Deutschland fällt die Steuer- und Abgabenbelastung auf Arbeitseinkommen in einer OECD-weiten Betrachtung hoch aus.“ Unter den Industrieländern verlangt nur Belgien seinen Bürgern noch mehr ab. Frankreich, Österreich und Italien sind zum Beispiel nicht weit weg von deutschen Verhältnissen. Deutlich weniger Steuern und Abgaben müssen Menschen in der Schweiz, Israel, Großbritannien oder den USA berappen. Auch die deutschen Unternehmen werden mit 29,8 Prozent im Vergleich sehr hoch besteuert, was ein Nachteil für den Standort ist. "Die im internationalen Vergleich hohe Unternehmensteuerbelastung hat Auswirkung auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit", schreibt Finanzstaatssekretärin Katja Hessel – und es fällt einer FDP-Politikerin wohl nicht leicht, das zuzugeben.

Da liegt der Gedanke nah, die Steuern zu senken. Dafür steht ja auch die FDP, die mit Christian Lindner den Finanzminister stellt. Es würde dem Wirtschaftsstandort gut tun, der gerade massiv unter Druck steht. Dessen Ministerium erkennt an, dass Steuersenkungen „die Investitionstätigkeit und die Innovationskraft der Unternehmen stärken". Und: „Aufseiten der Bürgerinnen und Bürger erhöht eine sinkende Abgabenbelastung die Nettolöhne und schafft Anreize zur Beschäftigungsaufnahme oder auch zur Verschiebung des Ruhestands."

Die Opposition stichelte bereits, wann es von Lindner ein Konzept geben wird. „Es herrscht steuerpolitischer Stillstand", sagt der CDU-Finanzpolitiker Fritz Güntzler. „Dabei brauchen wir dringend Entlastung: Bei den Unternehmen für einen wirtschaftlichen Aufschwung, bei den Bürgern, damit diese unter der hohen Abgabenlast wieder aufatmen können." Lindner wollte erst einmal den Haushalt durch das Kabinett bringen und im Sommer etwas vorstellen.

Nun ist es draußen längst hochsommerlich warm und aus den vagen Andeutungen wird Konkretes. Im Detail sind solche Steuerthemen stets technisch und ein sprachlicher Graus, deshalb gibt der Finanzminister seinem Konzept einen schönen Namen: Wachs­tums-Chan­cen-Ge­setz. Oder in lang: „Gesetz zur Stärkung von Wachs­tums­chan­cen, Inves­ti­tio­nen und Innova­ti­on sowie Steuer­ver­ein­fa­chung und Steuerfairness“. 

Auch wenn das Paket 50 Maßnahmen umfasst, nennt es der Finanzminister eine „kleine Steuerreform“. Es geht um einen – im Vergleich mit üblichen Steuerdimensionen – und niedrigen einstelligen Milliardenbetrag, der ab 2025 wirksam wird. Kern der Maßnahmen ist Lindners Ansatz, den Klimaschutz nicht durch Verbote zu fördern, wie es im Bundeswirtschaftsministerium favorisiert wurde, sondern mit Prämien für Investitionen. Lindner will „die Wettbe­werbs­fä­hig­keit Deutsch­lands stärken und Spiel­räu­me eröff­nen für Inves­ti­tio­nen und Innova­tio­nen“.

Profitieren sollen vor allem kleine­re und mittle­re Betrie­be. Die Unternehmen, die in klima­freund­li­che Technologien investieren, bekommen eine Prämie. Forschung wird stärker gefördert und bei der Verlustrechnung will der Fiskus großzügiger sein. Firmen sollen kleine­re Anschaf­fun­gen schnel­ler abschrei­ben können, damit sie sich rascher amortisieren. Anders als ursprünglich vorgesehen sieht der Reform wohl keine Förderung für Investitionen in Digitalisierung mehr vor.

Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammern (DIHK), Martin Wansleben, nannte die Reform "einen guten Aufschlag", der hoffen lasse: "Der Bundesfinanzminister verfolgt die richtigen Ziele: Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen am hiesigen Standort soll gestärkt, die Wachstumschancen sollen erhöht und die Steuerbürokratie vermindert werden", sagte Wansleben.

Firmen soll eine gewin­n­un­ab­hän­gi­ge Prämie in Höhe von 15 Prozent der Inves­ti­ti­on, maximal 30 Millio­nen Euro, im Zeitraum von 2024 bis 2027 gewährt werden. Eine gewin­n­un­ab­hän­gi­ge Prämie für Wirtschafts­gü­ter aus den Berei­chen Energie- und Ressour­cen­ef­fi­zi­enz soll – anders als bei einer Abschrei­bung – auch in Verlust­fäl­len einen Anreiz bieten, Investitionen in den Klima­schutz zu tätigen. Konkret soll die Inves­ti­ti­ons­prä­mie greifen für „abgeschlos­se­ne Inves­ti­tio­nen in beweg­li­che Wirtschafts­gü­ter, die die Energie- und Ressour­cen­ef­fi­zi­enz des Unter­neh­mens verbes­sern und in einem Energie­spar­kon­zept oder einem unter­neh­mens­ei­ge­nen Energie­ma­nage­ment­sys­tem enthal­ten sind“.  

Zudem sieht die Reform bei der Forschungs­för­de­rung vor, die bishe­ri­ge Bemes­sungs­grund­la­ge zu verdrei­fa­chen und mehr Projekte einzubeziehen, um Innova­tio­nen zu fördern. „Forschung und Entwick­lung in Unter­neh­men sind entschei­dend für die Zukunfts­fä­hig­keit unseres Landes.“ Lindner will auch einen seit langem geäußerten Wunsch der Betreibe erfüllen und den steuer­li­chen Verlust­ab­zug aus­bau­en, sprich den Verlust­rück­trag auf drei Jahre auswei­ten und die erhöh­ten Betrags­gren­zen von bis zu 20 Millio­nen Euro entfris­ten.

Trotz dieser Verbesserungen dürften sich viele Betriebe von einem FDP-Finanzminister wohl deutlich mehr erhofft haben. Die erhoffte Senkung der Unternehmenssteuern ist wohl nicht machbar angesichts der Haushaltslage: Die Koalitionspartner SPD und Grüne drängen ja eher auf höhere Steuern, um allen Ausgabenwünschen gerecht zu werden. Und auch die nahende Pflicht zur Mittei­lung über natio­na­le Steuer­ge­stal­tun­gen, wie sie im Koalitionsvertrag steht, dürfte so manchem nicht gefallen. Bisher gibt es das nur für grenz­über­schrei­ten­de Model­le. Neben der nahenden Pflicht zur elektro­ni­sche Rechnun­g soll eine Zinshö­hen­schran­ke die gelten­de Zinsschran­ke erset­zen.

Ökonomen finden Kritikpunkte. IW-Chef Michael Hüther bemängelt die Begrenzung. "Die Einschränkung der Investitionsprämierung auf Klimaneutralität greift zu kurz." Dass Digitalisierung ausgeklammert ist leuchtet ihm genausowenig ein wie die Befristung bis 2027.

Auch Clemens Fuest, Chef des Ifo-Instituts, hat auf mehr gehofft.  Er verweist auf eine Studie seines Hauses, wonach verbesserte Abschreibungen die Wirtschaft so ankurbeln, dass sich langfristig eine um fast drei Prozent höhere Wirtschaftsleistung ergeben. "Eine solche Reform hat also Investitionscharakter", sagt Fuest. "Das jetzt geplante Volumen ist deutlich geringer." Und dadurch steigen entsprechend auch wieder die Steuereinnahmen.

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