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Finanzierung > Kommentar

Weltspartag abschaffen? Entweder das, oder völlig neu denken!

| Thorsten Giersch | Lesezeit: 2 Min.

Der Weltspartag ist nostalgisch, aber überholt. Zeit für einen „Weltanlagetag“ – mit Finanzbildung statt Sparschweinen.

Sparschwein
Früher Spardose, heute ETF: Der Weltspartag braucht ein Update – vom Kleingeldzählen zum Kapitalaufbau. (Foto: shutterstock)

Der Weltspartag teilt seit Jahren dasselbe Schicksal wie das Netz der Bankfilialen: er stirbt allmählich. In seiner jetzigen Form ist das auch gut so. Banken und Unternehmen sollten sich darauf besinnen, ihn ganz anders zu begehen.

von Thorsten Giersch für Markt und Mittelstand

Es sind schöne Kindheitserinnerungen: Ich trug meine Spardose – ein Schwein hatte ich nie – mit großer Vorsicht in die Bankfiliale meines kleinen Heimatortes. Die mir gut bekannte, freundliche Mitarbeiterin nahm es entgegen, schüttelte den Inhalt in diese Zaubermaschine und es ratterte einige Sekunden, bis eine Zahl angezeigt wurde. Kaum ein Geräusch ist mir aus meinen ersten Lebensjahren so gut in Erinnerung geblieben.

Die Filiale ist längst geschlossen, die Mitarbeiterin in Rente. Aber der Weltspartag ist noch da. Heute feiern ihn Kinder und Banken gleichermaßen. An sich ist die Idee dahinter eine gute Sache: Gib nicht alles aus, spare, und du wirst belohnt!

Die Frage ist aber, was aus dieser Idee genau folgt: Wie sollte man denn sparen? Wirklich mit Festgeld, Sparbriefen oder Tagesgeldzinsen, wie es die meisten Banken am Weltspartag intensiv bewerben? Worte machen Wirklichkeit, wusste schon Wittgenstein. Lasst uns den „Weltspartag“ umbenennen nach der vielen Jahren der Niedrigzinsen. Wie wäre es mit „Weltanlagetag“? Und ihn feiern, indem es große Kampagnen gibt mit Aufklärung rund um sinnvolles, zeitgemäßes Geldanlegen. Das können übrigens auch Arbeitgeber tun, für die Hilfe in solchen Fragen eine wirkungsreiche Mitarbeiterbindungsmaßnahme sein kann.

Apropos: Derzeit hat man auch bei Unternehmerinnen und Unternehmern das Gefühl, dass 365 Tage im Jahr Weltspartag ist. Vor allem bei denen, die am Ende ihrer Karriere stehen und wo die Nachfolge ansteht, sehen Fachleute eine zu geringe Investitionsneigung. Als ob Sparen und Vererben die Ultima Ratio ist. Auch hier braucht es einen Mentalitätswechsel. Hier wäre zugegeben das Branding „Weltinvestitionstag“ sinnvoller, aber übertreiben müssen wir es ja auch nicht.

Meine Tochter hat übrigens auch kein Sparschwein. Sie packt ihr Taschengeld, 50 Cent pro Woche, in ihren „Spar-Westie“, der unserem West Highland Terrier erstaunlich ähnelt. Einen Teil davon haben wir stets in ihrem kleinen Portemonnaie dabei. Wenn sie etwas unbedingt kaufen möchte, beteiligt sie sich direkt – und spürt, wenn das Geld alle ist. Aber für die Geldanlage hat sie seit Geburt einen ETF, wo auch die Großeltern regelmäßig einzahlen. Das mag unromantisch sein, aber wenn sie in 13 Jahren tatsächlich noch einen Führerschein brauchen sollte, wird sie sich mehr freuen als über 0,5 Prozent Zinsen.

 

Faktenbox: Weltspartag – Ursprung, Wandel, Bedeutung

Datum

  • Weltweit: 31. Oktober

  • Deutschland und Österreich: letzter Arbeitstag vor dem 31. Oktober (wegen Reformationstag als Feiertag in mehreren Bundesländern)

Ursprung

  • Entstanden auf dem 1. Internationalen Sparkassenkongress in Mailand vom 26. bis 31. Oktober 1924

  • Erster offizieller Weltspartag: 31. Oktober 1925

  • Initiator: Filippo Ravizza, Direktor des International Savings Banks Institute

Gründungsländer (Auswahl, insgesamt 27 Staaten)

  • Deutschland, Italien, Frankreich, Großbritannien, USA, Japan, Australien, Brasilien, Argentinien, Schweden, Schweiz, Polen, Österreich

Heutige Bedeutung

  • In Industrieländern: vor allem Imagepflege der Banken

  • In Entwicklungs- und Schwellenländern: Instrument zur Förderung finanzieller Bildung und wirtschaftlicher Selbstbestimmung

Kritik

  • Verbraucherschützer bemängeln werbliche Ausrichtung statt pädagogischer Wirkung

  • Kritik an ungeeigneten Spar- und Versicherungsprodukten, die sich an Kinder oder unerfahrene Anleger richten

  • In Industrieländern tritt der ursprüngliche Bildungsauftrag in den Hintergrund

Traditionen

  • Ausgabe von Spardosen, Kalendern und kleinen Geschenken an Kinder

  • Einführung von „Sparwochen“ statt eines einzelnen Tages

  • Symbolisches Leeren von Spardosen als Anreiz für regelmäßiges Sparen

Historische Entwicklung

  • 1925–1950: Aufbauphase mit Fokus auf Sparpädagogik und gesellschaftliche Verantwortung

  • 1950–1980: Hochphase in Europa, breite Teilnahme der Bevölkerung

  • Ab 1990: Bedeutungsverlust in Industrieländern

  • Ab 2000: Wiederaufleben in Schwellen- und Entwicklungsländern als „World Thrift Day“

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