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Finanzierung > Garantien für Anleihen

WSF: „Vom Wohlwollen der Hausbank abhängig“

Wie der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) Unternehmen mit Liquiditätsbedarf in der Corona-Krise helfen kann und weshalb es Garantien für Anleihen von Mittelständlern bräuchte, erklärt Ingo Wegerich vom Interessenverband Kapitalmarkt KMU im Interview.

Mit dem WSF stellt der Bund an der Corona-Krise leidenden Unternehmen insgesamt bis zu 600 Milliarden Euro zur Verfügung, damit diese ihre Kapitalbasis stärken können. Einige – gerade kleinere – Unternehmen sind von diesen Hilfen jedoch ausgeklammert. Lässt die Politik den deutschen Mittelstand im Stich?

So drastisch würde ich das nicht formulieren. Der WSF ist ja nicht das einzige Instrument, mit dem der Staat Unternehmen in der Corona-Krise unterstützt. Speziell für kleinere Betriebe gibt es verschiedene KfW-Hilfen. Dennoch sehen wir es als Verband kritisch, dass KMU grundsätzlich nicht vom WSF profitieren können sollen. Gerade diese Unternehmen sind eine wichtige Stütze der deutschen Wirtschaft. Wenigstens gibt es Ausnahmen, die es auch KMU ermöglichen, Gelder des WSF zu erhalten.

Nämlich welche?

Der WSF kann KMU unterstützen, sofern diese in einem der in § 55 Außenwirtschaftsverordnung genannten Sektoren tätig sind. Dazu gehören kritische Infrastrukturen wie zum Beispiel Verkehr, Gesundheit oder Energieversorgung. Auch Unternehmen, die eine vergleichbare Bedeutung für die Sicherheit oder die Wirtschaft haben, da sie etwa über hohe Wachstumsraten verfügen, können von dieser Hintertür profitieren. Wann solche Ausnahmen zugelassen werden, entscheidet der WSF jedoch nach eigenem Ermessen. Dies bedeutet, dass für KMU viel Unsicherheit im Spiel ist. Daher wäre es besser, wenn kleine und mittlere Unternehmen grundsätzlich vom WSF erfasst wären.

Definition KMU

Unternehmen gelten dann nicht als kleinere und mittlere Unternehmen, wenn sie mindestens zwei der folgenden drei Kriterien für die vergangenen beiden Geschäftsjahre erfüllen:

 

  • eine Bilanzsumme von mehr als 43 Millionen Euro
  • mehr als 50 Millionen Euro Umsatzerlöse
  • mehr als 249 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt

Der Hauptkritikpunkt Ihres Verbandes am WSF ist allerdings ein anderer: Sie fordern, dass Garantien des WSF für Anleihen auch bei kleinen Volumen möglich sein sollen und nicht wie derzeit erst ab 100 Millionen Euro. Weshalb?

So wie das Programm derzeit strukturiert ist, sind Mittelständler zu stark vom Wohlwollen ihrer Hausbank abhängig. Als Standardprodukt des WSF sind derzeit Bürgschaften für Bankkredite vorgesehen. Bei den Bürgschaften des WSF für Kredite müssen die Banken für zehn Prozent des Ausfallrisikos selber haften, der WSF übernimmt nur 90 Prozent. Banken lassen sich dieses Risiko häufig durch die Inhaber oder Geschäftsführer rückverbürgen. Das Ausfallrisiko und der mit der Kreditvergabe verbundene hohe Dokumentationsaufwand führen unter Umständen dazu, dass von der Corona-Krise stark betroffene Unternehmen keinen Kredit erhalten oder die Prüfung ungebührlich viel Zeit in Anspruch nimmt. Letztere haben die Unternehmen aber in der aktuellen Situation nicht wirklich. Dasselbe Problem haben wir bereits bei den KfW-Hilfen gesehen, die ähnlich aufgebaut sind. Hinzu kommt: Unternehmen, die Bürgschaften des WSF in Anspruch nehmen, sollen grundsätzlich die Regeltilgungen für bestehende Bankkredite bis Ende 2021 aussetzen. So möchte der Staat sein Ausfallrisiko minimieren. Diese Bedingung führt dazu, dass sich die Unternehmen mit ihrer Bank auf die Aussetzung der Raten einigen müssen. Dem stimmen die Banken aber nur zu, wenn sie sich hier einen Vorteil versprechen oder einen Vorteil erhalten. Unter Umständen wird es hierdurch für den Unternehmer teurer. 

Ingo Wegerich ist Rechtsanwalt und Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft und Präsident des Interessenverbandes Kapitalmarkt KMU. Der Verband will kleineren und mittleren Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern. Derzeit befindet sich der Verband in Gesprächen mit dem Bundeswirtschaftsministerium um zu erreichen, dass künftig Garantien des WSF für Anleihen von Unternehmen des gehobenen Mittelstandes möglich sind.

Nur wenige Mittelständler haben Anleihen emittiert. Glauben Sie, dass dies mehr Unternehmen täten, wenn der WSF auch Garantien für Anleihen mit kleineren Volumen übernähme?

Davon gehe ich aus. Natürlich sind Anleihen nicht für alle Mittelständler die richtige Wahl, auch weil die Investoren am Kapitalmarkt von den Unternehmen eine hohe Transparenz über ihre Finanzlage fordern. Aber Anleihen sind ein Instrument, mit dem sich Unternehmen relativ günstig und flexibel refinanzieren können. 

Vor einem Jahrzehnt kam es bei Mittelstandsanleihen zu einer Reihe von Ausfällen. Ist diese Historie der Grund dafür, dass der Staat keine Garantien für kleine Anleihen übernehmen möchte?

Nein, das glaube ich nicht. Meines Erachtens liegt das eher daran, dass – wie schon bei den KfW-Programmen gezeigt – in der Form von Bürgschaften für Bankkredite ein vermeintlich einfaches, bekanntes Massenprodukt existiert. Hinsichtlich Anleihen besteht seitens einer standardisierten Abwicklung unter Einbeziehung eines Treuhänders hingegen noch keine Erfahrung der Bundesministerien. Außerdem ist es ja nicht so, dass insolvente Unternehmen mit den Garantien mit Unterstützung des Steuerzahlers Anleihen emittieren können. Sämtliche Hilfen des WSF sind nur für Unternehmen vorgesehen, die wegen der Corona-Krise zusätzlichen Liquiditätsbedarf haben und bei denen die Aussicht auf eine wirtschaftliche Erholung gegeben ist. Eine Refinanzierung bestehender Verbindlichkeiten ist nicht vorgesehen. Diese Einschränkungen halten wir für richtig und wichtig.   

Glauben Sie, dass Garantien des WSF für Anleihen mittelständischer Unternehmen in Zukunft doch möglich sind?

Wir befinden uns derzeit in konstruktiven Gesprächen mit dem Wirtschaftsministerium und gehen davon aus, dass die Garantien des WSF für Anleihen des gehobenen Mittelstandes noch kommen werden. Letztlich gibt es dazu aus Sicht unseres Verbandes keine Alternative, um einen vollständigen Finanzierungsmix für den unternehmerischen Ernstfall in dieser Sondersituation zu bieten. Gerade in Verbindung mit der Aufweichung des Insolvenzantragstatbestandes besteht ansonsten die Gefahr, dass einige wirtschaftlich gesunde Mittelständler wegen der Corona-Krise Insolvenz anmelden müssen – und das kann nicht im Interesse des Staates sein. 

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