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Recht und Steuern > URTEIL DER WOCHE

Zu zwei Dritteln gefüllte Packung ist auch bei Verkauf im Online-Shop eine Mogelpackung

Der Bundesgerichtshof schiebt „Mogelpackungen“ auch im Online-Vertrieb einen Riegel vor. Auch wenn der Käufer im Internet die Packung nicht direkt in Händen hält, darf sie nicht mehr Inhalt vortäuschen als sie tatsächlich enthält.

Shampoo
Der Bundesgerichtshof entscheidet gegen einen Kosmetikhersteller: Die irreführende Verpackung eines Herrenwaschgels verstößt gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Bild: Shutterstock

Der Fall

Ein Kosmetikhersteller bewarb auf seiner Internetseite ein Herrenwaschgel in einer auf dem Kopf stehenden Plastiktube mit 100 ml Inhalt. Die Tube war im unteren Bereich bis zum Deckel transparent. Im oberen Bereich war sie eingefärbt, so dass sich auf den Bildern nicht sehen ließ, bis wohin die Tube befüllt war. Tatsächlich reichte die Füllmenge nur knapp über den transparenten Bereich – der Rest war Leerraum.

Ein Verbraucherschutzverband hielt dies für unlauter und trug den Fall vor Gericht. Der Kosmetikhersteller verteidigte sich mit dem Argument, beim Online-Kauf mache sich der Verbraucher über das spezifische Verhältnis von Verpackungsgröße und Füllmenge keine besonderen Gedanken. Relevant sei für ihn nur, dass er den Inhalt bekomme, den das Produkt angebe zu haben – hier also 100 ml.

Das Landgericht und das Oberlandesgericht Düsseldorf hielten besagte Tube im Online-Vertrieb für nicht zu beanstanden. Denn weil der Kunde die Tube – anders als im Ladengeschäft – nicht tatsächlich in Händen halte, bleibe ihm die konkrete Größe der Produktverpackung zum Zeitpunkt des Online-Kaufs verborgen. Der Kunde möge deshalb aus der – unstreitig korrekt angegebenen – Füllmenge auf eine bestimmte Größe der Verpackung schließen, nicht aber umgekehrt von der Verpackung auf eine bestimmte Füllmenge.

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof sah dies anders. Er bejaht den von den Verbraucherschützern geltend gemachten Unterlassungsanspruch nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in Verbindung mit dem Mess- und Eichgesetz.

Das Gesetz habe den Zweck, Verbraucher von „Mogelpackungen“ zu schützen und dies unabhängig vom Vertriebsweg. Eine wettbewerblich relevante Irreführung über die relative Füllmenge einer Fertigpackung liege – unabhängig von dem konkret beanstandeten Werbemedium – grundsätzlich vor, wenn die Verpackung eines Produkts nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der darin enthaltenen Füllmenge steht. Die nur zu etwa zwei Dritteln gefüllte Waschgeltube täusche sehr wohl ihrer Gestaltung und Befüllung nach eine größere Füllmenge vor, als in ihr enthalten ist.

Das sagt die Expertin

Das Thema „Mogelpackung“ beschäftigt die Gerichte immer wieder. „Das deutsche Mess- und Eichgesetz verbietet Fertigpackungen, die ihrer Gestaltung und Befüllung nach eine größere Füllmenge vortäuschen als in ihnen enthalten ist“, sagt Astrid Luedtke, Partnerin der Kanzlei Heuking in Düsseldorf. Das UWG verbiete es außerdem die Verbraucher irrezuführen. Eine Irreführung könne vorliegen, wenn die Gestaltung der Verpackung eine größere Füllmenge nahelegt, selbst wenn die Mengenangabe auf der Verpackung zutrifft. „Wo aber genau die Grenze zu ziehen ist, ist nach dem Gesetz nicht eindeutig.“

Im Geschäftsverkehr gehe man deshalb davon aus, dass eine Verpackung dann nicht zu beanstanden ist, wenn der Verbraucher klar erkennen kann, wie groß die Füllmenge ist. „Lässt sich beispielsweise durch ein Sichtfenster erkennen, dass eine Verpackung nur knapp befüllt ist und ist die Menge auf der Verpackung korrekt angegeben, kann das einen Verbraucher zwar ärgern, es ist aber rechtlich nicht zu beanstanden, es sei denn das Missverhältnis zwischen Verpackung und Inhalt ist exorbitant“, so Astrid Luedtke. „Von einer Mogelpackung geht die Rechtsprechung aus, wenn die Füllmenge um zwei Drittel hinter dem zurückbleibt, was technisch hineinpassen würde, und der Durchschnittskäufer das nicht ohne weiteres erkennen kann“, erläutert die Anwältin. „Der BGH hat nun klargestellt, dass eine Täuschung nicht nur vorliegt, wenn der Kunde die Ware direkt in Augenschein nimmt, sondern auch, wenn die Werbung in einem Online-Shop mit Blick auf die Menge zu viel verspricht, weil die Verpackung, ohne dass dies technische Gründe hat, nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Füllmenge steht. “

Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. Mai 2024 - I ZR 43/23

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