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Finanzierung > Metaller Tariferhöhung

Auch ein fairer Abschluss kann ruinieren

Der Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie mag unterm Strich ein guter Kompromiss sein. Für viele Mittelständler ist das Lohnplus ein Sargnagel. Es braucht nun ein hohes Maß an Flexibilität. Ein Kommentar.

Für viele Mittelständler ist das Lohnplus ein Sargnagel. Es braucht nun ein hohes Maß an Flexibilität.© Shutterstock

Ein gutes Drama zeichnet sich auch dadurch aus, dass das zugrundeliegende Dilemma so fundamental wie unverschuldet ist. Kurz vor einer Rezession die Löhne derart abzuheben, ist auf der einen Seite Wahnsinn, auf der anderen Seite unvermeidlich: Die Einigung beim Tarif­ab­schluss für die Metall- und Elektro­in­dus­trie mit ihren 3,8 Millio­nen Beschäf­tig­ten ist fair und geschickt, hat aber einen praktisch unvermeidlichen und womöglich insolvenzbringenden Schönheitsfehler – doch dazu später. Die Sozial­part­ner einigten sich auf Tarif­er­hö­hun­gen in zwei Stufen von zusam­men 6,5 Prozent plus zweimal 1500 Euro steuer- und abgaben­freie Einmal­zah­lung. Für die unters­ten Lohngrup­pen bedeutet das gemes­sen am Netto­lohn ein Plus von bis zu 20 Prozent. dass die Bundesregierung im Rahmen des sogenannten Dritten Entlastungspakets Sonderzahlungen von bis zu 3000 Euro von Steuern und Abgaben befreit hat, ermöglichte wie schon in der Chemiebranche einen guten Mittelweg, um den Menschen zu helfen, ohne die Betriebe dauerhaft noch stärker zu belasten.

Und dennoch: Neben steigenden Energiekosten drücken nun also auch noch die fürs Personal massiv auf die Marge. Zur Erinnerung: Deutsche Unternehmen haben in den vergangenen Jahren im Schnitt rund 3.4 Prozent Nettorendite gemacht. Die schmilzt gerade dahin wie der erste November-Schnee in der Sonne. Und wann die besseren Zeiten kommen, in denen Produktion in Deutschland wieder hochprofitabel ist, das weiß noch keiner. Tarifpolitik sollte immer durch den Blick nach vorne gestaltet werden, nicht die die Rückschau wie hier geschehen.

Wenn es vom Arbeit­ge­ber­ver­bands Gesamt­me­tall heißt, der große Schluck aus der Pulle sein ein „Vorschuss auf hoffent­lich besse­re Zeiten“, dann kommt das durchaus hin – zeigt aber auch, wie schwierig die Gemengelage für die Verhandler war.

Das Plus des Tarifsprungs begründet sich vor allem in den Rekordzahlen von Konzernen wie Siemens oder Daimler Truck. Hätte man allein die aktuellen Gewinne der mittelständischen Unternehmen gemittelt, wäre es der Gewerkschaft deutlich schwerer gefallen, dieses Paket auszuverhandeln. Einige der 24.000 Betriebe können steigende Kosten durch ihr globales Geschäft abfedern, andere nicht. Keine andere Branche ist so heterogen wie die Metall- und Elektroindustrie. Diese für alle gleiche Regelung überfordert viele Firmen. Sie hätten mehr Flexibilität gebraucht.

Man merkt, dass die IG Metall den Großteil ihrer Mitgliederinnen und Mitglieder in den Konzernen hält. Doch was ist mit denen, die von den Produktionsbedingungen in Deutschland abhängig sind, die sich massiv verschlechtert haben durch die hohen Energiekosten? Und mit all den Autozulieferer, die ohnehin strukturelle Probleme haben angesichts des Umstiegs auf Elektroantriebe? Hier müssen die geplanten Entlastungen der Regierung nun schnell greifen.

Gemessen an diesen Umständen haben die Verhandler eine gute Lösung gefunden. Streiks wurden vermieden, die Verhandlungen gingen relativ flott. Aber dennoch hat sich mit diesem Abschluss die Höhe des Tarifzuschlags von der wirtschaftlichen Realität der meisten Unternehmen entkoppelt – und das kann nur dann gut ausgehen, wenn Betriebe mit dem Beschluss flexibel umgehen können zum Beispiel im Falle eine Gasmangelsituation. Wenn nicht, könnte das Drama seinen Lauf nehmen.

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