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Finanzierung > Neuer Investor

Corona-Krise: „Das Eigenkapital ist der Schlüssel“

Nehmen Unternehmen einen zusätzlichen Gesellschafter auf, stärken sie ihre Kapitalstruktur. Welche weiteren Vorteile ein Investor mit sich bringt und worauf Unternehmen bei der Suche und den anschließenden Verhandlungen achten sollten, erklärt M&A-Experte Willem Keijzer.

Herr Keijzer, in der Corona-Krise brauchen viele Firmen zusätzliches Kapital. Welche Möglichkeiten der Finanzierung gibt es?

Als Erstes denken die meisten Unternehmen an die KfW-Hilfen oder neue Kredite der Hausbank. Eine Alternative dazu, die aus meiner Sicht häufig vernachlässigt wird, ist der Verkauf von Unternehmensanteilen an einen zusätzlichen Gesellschafter. Dies stärkt das Eigenkapital, was viele Vorteile mit sich bringt, die gerade in einer Krise wichtig sind.

Welche sind das?

Anders als bei Krediten muss das Unternehmen das Geld nicht zurückbezahlen. Die Firma kann daher in der Zukunft, statt Raten zu tilgen, mit dem Kapital wichtige Investitionen tätigen, etwa in die Digitalisierung. Unternehmen sollten auch während Krisen investieren und ihr Geschäftsmodell weiterentwickeln. Nur so bleiben sie langfristig wettbewerbsfähig und profitabel. Daher ist zusätzliches Eigenkapital auch der Schlüssel zum Erfolg in der Krise.

 

Der neue Gesellschafter kann bei diesen Innovationen außerdem nicht nur mit seinem Kapital weiterhelfen. Findet das Unternehmen den für sich passenden Investor, kann dieser inhaltliche Impulse setzen, die der Mittelständler für sich nutzen kann. Hierbei kann man beispielsweise an den Zugang zu neuen Marktsegmenten, an ergänzende Technologien oder spezifisches Know-how denken. 

 

Stichwort Impulse: Ein Investor möchte in der Regel Mitspracherechte haben. Nicht jedem Unternehmer gefällt das.

Das ist richtig. Daher ist es auch wichtig, dass Unternehmen sich ihren neuen Gesellschafter sorgfältig aussuchen. Wenn die Zusammenarbeit nicht gelingt, kann der Verkauf der Anteile schnell nach hinten losgehen. Bei einem passenden Investor ist die Mitsprache hingegen fruchtbar. Und das weiß auch der Unternehmer. Sein Unternehmen wächst durch das zusätzliche Kapital und die damit verbundenen Investitionen. Hinzu kommen vielleicht noch neue unternehmerische Impulse oder sogar Kunden. Mit einer solchen Perspektive fällt das Teilen leichter.

Wie können Unternehmen nach dem passenden Investor suchen?

Es gibt viele Wege. Wichtig ist, dass man bei der Suche strukturiert vorgeht. Als Erstes würde ich überlegen, ob ich ihn vielleicht bereits kenne, da er ein Geschäftspartner ist, mit dem ich über Jahre vertrauensvoll zusammengearbeitet habe. Das können etwa Lieferanten, Kunden oder auch die Hausbank sein. Einige Banken haben eigene Beteiligungsgesellschaften, die häufig als stille Gesellschafter auftreten und langfristig investieren. In solchen Fällen muss die Firma also gar nicht so viele Mitspracherechte abgeben. Ansonsten können Unternehmen in ihren Netzwerken, wie etwa Verbänden, nach Investoren suchen oder darauf spezialisierte Berater beauftragen.

Es gibt Finanzinvestoren wie Private-Equity-Häuser oder strategische Käufer, also andere Unternehmer, die in Firmen investieren. Wann ist welche Art von Investor sinnvoll?

Das kommt auf die Intention des Verkäufers an. Braucht er beispielsweise Hilfe bei der Sanierung, kann es sinnvoll sein, einen Finanzinvestor an Bord zu holen, der damit viel Erfahrung hat. Gerade in diesem Bereich gibt es allerdings Investoren, die auf schnellen Gewinn aus sind und das Unternehmen nicht im Sinne der bisherigen Geschäftsführung fortführen wollen. Daher sollte man darauf achten, wie der Investor mit seinen bisherigen Beteiligungen umgegangen ist.

 

Sucht der Verkäufer nach inhaltlichen Impulsen, etwa beim Vertrieb – da er dort bislang Schwächen hatte – rate ich eher zu einem strategischen Käufer mit entsprechenden Erfahrungen oder einem darauf spezialisierten Finanzinvestor. Die Grenze zwischen strategischen Käufern und Finanzinvestoren verläuft inzwischen fließend, da auch viele Privat-Equity-Häuser Branchenkenntnisse mitbringen. Möchte das Unternehmen mit dem Verkauf eine Nachfolge vorbereiten, sollte es nach Investoren Ausschau halten, die Interesse daran haben, die Firma mittelfristig selber zu führen.

 

Daher gilt allgemein: Unternehmen sollten sich genau überlegen, was neben der Stärkung der Eigenkapitalquote das Ziel des Verkaufs ist, und sich dementsprechend passende Käufer suchen.

Für viele Mittelständler sind Verkaufsverhandlungen ein Gebiet, mit dem sie noch keine Erfahrungen haben. Wie bereitet man sich auf solche Gespräche vor?

Optimalerweise bereiten sich Unternehmen gründlich auf einen Verkaufsprozess vor. Sie suchen nach den Schwächen des Betriebs und beseitigen diese nach Möglichkeit. Außerdem sollten Bereiche mit Wachstumspotential identifiziert und erste Schritte zur Umsetzung des Potentials eingeleitet sein. So steigern sie die Verkaufschancen und den Preis. Eine solche Vorbereitung ist in der Krise schwierig, dafür fehlt die Zeit. Es muss daher auch ohne sie gehen. In der Praxis bereiten sich die meisten Unternehmen auch ohne Krise kaum auf den Verkauf vor, was schade ist, weil viel Potential liegen bleibt.

 

Dennoch sollte der Unternehmer auch in der Corona-Krise Vorkehrungen treffen. Wichtig dabei ist ein Perspektivwechsel. Er sollte versuchen, mit der Sichtweise eines Käufers auf das Unternehmen zu schauen. Welche Informationen möchte dieser in den Verhandlungen erfahren? Was könnte ihn von einem Investment abschrecken lassen? Wie kann er das Unternehmen weiterentwickeln und damit den Wert seiner Investition steigern? Die entsprechenden Informationen und Unterlagen sollte der Verkäufer bereitliegen haben, um auf die Fragen des Investors eingehen zu können. 

Was muss in den Verkaufsverhandlungen alles geregelt werden?

Da gibt es einige rechtliche Aspekte, wie beispielsweise ein NDA (Non-Disclosure Agreement). Das ist eine Verschwiegenheitsklausel, die den potentiellen Käufer dazu verpflichtet, keine vertraulichen Informationen aus den Verhandlungen weiterzugeben. Für die juristischen Angelegenheiten rate ich den Unternehmen, sich Unterstützung von spezialisierten Rechtsanwälten zu holen. Gerade in der Krise wird ein Käufer den Unternehmer dazu bewegen wollen, viele Garantien im Vertrag festzuschreiben, weil ein Investor aufgrund des erhöhten Zeitdrucks die Firma nicht bis ins letzte Detail überprüfen kann. Ansonsten sollten Käufer und Verkäufer genau besprechen, wie die künftige Zusammenarbeit aussieht. Wie ist die Mitsprache geregelt, und stellt der neue Gesellschafter beispielsweise einen eigenen Geschäftsführer?

Wie lange dauert es normalerweise, bis der Verkaufsprozess abgeschlossen ist?

Im Normalfall zwischen sechs und zwölf Monate. In einer Krisensituation sind die Unternehmen mitunter darauf angewiesen, dass sie das Eigenkapital schneller erhalten. Wenn es keine Streitpunkte zwischen beiden Seiten gibt und der Verkäufer gut vorbereitet in die Gespräche geht, können die Verhandlungen auch in einigen Monaten über die Bühne gebracht werden

In dieser Zeit muss das Unternehmen vielleicht wichtige Entscheidungen treffen. Sollte man diese während der Verhandlungen mit dem Investor besprechen?

Ich rate dazu, mit dem potentiellen Käufer offen über wichtige anstehende Entscheidungen zu sprechen, da sie unter Umständen die Freiheitsgrade des Unternehmens reduzieren. Ein Beispiel hierfür ist ein langfristiger Mietvertrag bei einer Gewerbeimmobilie. Dieser hätte auch Auswirkungen für den Investor. Außerdem hat dieser vielleicht eine andere Lösung, da er zum Beispiel zufällig eine leerstehende Halle zur Verfügung hat.

Wie groß ist derzeit überhaupt das Interesse für Zukäufe bei Investoren? Hängt das von der Branche ab?

Die Branche spielt gar nicht so eine wichtige Rolle. Es gibt für jeden Wirtschaftszweig passende Investoren. Wichtiger ist, dass das Unternehmen Wachstumspotential hat. Während zu Beginn der Corona-Krise vor allem die Finanzinvestoren bei Käufen zurückhaltend waren, beobachte ich, dass das Interesse an neuen Investitionen zuletzt wieder gestiegen ist. Und gerade jetzt nutzen auch gut aufgestellte mittelständische Unternehmer die Chance, sich durch Zukäufe zu stärkten.

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