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Der letzte Sponsor: Wie Adidas der WM in Katar die Treue hält

Angesichts der massiven Kritik an Katar, dem Ausrichter der bald startenden Fußball-Weltmeisterschaft, müssen auch deren Sponsoren schwierige Entscheidungen treffen: Wie offensiv zeigt man sich als Sponsor? Adidas steht angesichts seiner postulierten Werte besonders unter Beobachtung.

Der offizielle Spielball der Fußball-WM 2022 in Katar: ''Al-Rihla''© adidas

Die Fußballweltmeisterschaft in Katar hat nur noch einen großen Sponsor, der aus Europa kommt: Adidas. Und es dürfte dem Sportartikelriesen aus Herzogenaurach noch niemals so schwergefallen sein, sein Engagement zu verteidigen. Schon das vorangegangene WM-Gastgeberland Russland war seit seinem Angriff auf die Krim im Jahr 2014 umstritten und damit keine Traumdestination aus Sicht der Sponsoren. Katar allerdings ist durch die westeuropäische Brille betrachtet der Tiefpunkt: ein Turnier im Winter in einem Land, dem zumindest in Deutschland kaum einer abnimmt, sich nach hiesigen Maßstäben ausreichend ums Thema Menschenrechte zu kümmern.

Insgesamt sind es 14 Unternehmenspartner und WM-Sponsoren, die bei der diesjährigen Weltmeisterschaft auftreten. Die meisten kommen aus Asien, davon wiederum die meisten aus China, was ein Zeichen ist, dass sich das Turnier, das die Europäer als ihre Erfindung preisen, langsam auf einen anderen Kontinent verlagert. Zum erlauchten Kreis der Sponsoren gehören diesmal beispielsweise der chinesische Haushaltsgeräte Hersteller Hisense, der Immobilienriese Wanda-Group ebenfalls auch China, der koreanische Autokonzern Hyundai-Kia und der indische Technologie-Konzern Byju`s. Daneben gibt es Stammsponsoren aus den USA wie Coca-Cola und Visa. Und eben Adidas. Die Deutschen sind seit mehr als 40 Jahren als offizieller Partner des Weltfussballverbands Fifa gesetzt und haben sich dieses Recht bis 2030 gesichert. Der Konzern stattet Balljungen, Helfer und Schiedsrichter mit Kleidung aus. Vor allem aber stellt Adidas den Spielball.

Mit seinem Engagement will das Unternehmen, das gerade seinen Chef Kasper Rorsted gegen den bisherigen Kapitän vom Konkurrenten Puma Björn Gulden austauscht, sein Fußballgeschäft verteidigen – immerhin liegen hier die Wurzeln des Unternehmens. Der deutsche Konzern hatte deshalb bislang stets im Zuge der WM aufsehenerregende Werbekampagne aufgelegt. 2014 ließ er Nationalspieler Lukas Podolski ein blutiges Rinderherz in der Hand halten und inszenierte auch andere deutsche Nationalspieler martialisch: Bastian Schweinsteiger trat als wilder Stammeskrieger mit Speer auf, Mesut Özil als Heerführer, Manuel Neuer stand als Samurai mit Schwert im Tor. Diesmal wird deutlich zahmer im offiziellen Werbespot das Thema Gemeinsamkeit hervorgehoben. Der Sportartikelhersteller feiert zum Turnier das Zusammentreffen der globalen Fußball-Familie - inklusive Lionel Messi, Karim Benzema und Jude Bellingham.

Alle Sponsoren gemeinsam zahlen der Fifa für ihre Werberechte in diesem Jahr laut Handelsblatt 1,53 Milliarden Dollar. Was Adidas genau zahlt, ist bislang das Geheimnis der Vertragspartner. Mehr Geld mit einem einzigen Posten verdient der Fußballverband nur aus dem Verkauf der Fernseh-Übertragungsrechte: 2,64 Milliarden Dollar fließen hieraus. Insgesamt rechnet die Fifa mit Erlösen von 4,66 Milliarden Dollar aus dieser Weltmeisterschaft. Sie hat damit alles richtig gemacht. Das letzte Weltmeisterschaftsjahr 2018 schloss sie laut eigenem Finanzbericht unterm Strich mit einem Nettoergebnis von 1,8 Milliarden Dollar ab. An den Einnahmen der Fifa verdienen auch die Nationalverbände wie der DFB gut mit.

Und Adidas lässt sich sein Engagement nicht vermiesen. Der nach Nike weltweit zweitgrößte Sportartikelhersteller stellt seine Haltung so dar: Diversität und Gleichheit sei das Fundament von allem, wird aus der Homepage ersichtlich. Das passt zwar nicht recht zum Auftreten des Botschafters der WM in Katar, der Homosexuelle zuletzt in einer Fernsehdokumentation als Personen mit „geistigem Schaden" bezeichnet hatte. Aber Adidas hat eine Erklärung parat: Gegenüber Amnesty International sagten die Deutschen, dass sie die Fifa und das katarische WM-Organisationskomitee dabei unterstützten, „alle Probleme im Zusammenhang mit den Arbeitnehmerrechten, die sich aus der Ausrichtung der WM 2022 ergeben, anzugehen, einschließlich der erforderlichen Abhilfemaßnahmen und gegebenenfalls der angemessenen Entschädigung von Arbeitnehmern und ihren Familien."

Amnesty hat gemeinsam mit zwei anderen Menschenrechtsorganisationen alle Sponsoren abgefragt. Schließlich seien sie „als Unternehmen nach den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte dafür verantwortlich, ihre Einflussmöglichkeiten auf Regierungen oder Geschäftspartner und -innen zu nutzen, um negative Auswirkungen auf die Menschenrechte zu verhindern oder abzuschwächen“, sagt eine Amnesty-Sprecherin.  Oft stünden diese Grundsätze sogar in der eigenen Unternehmensphilosophie.

Die magere Ausbeute: Ganze vier der angeschrieben 14 Sponsoren haben geantwortet, konkret waren dies neben Adidas, AB InBev/Budweiser, Coca-Cola, und McDonalds. Das bedeutet im Umkehrschluss: Zehn hüllen sich in Schweigen, das sind Visa, Hyundai-Kia, Wanda-Gruppe, Qatar Energy, Qatar Airways, Vivo, Hisense, Mengniu, Crypto und Byju's.

Die Geldgeber stecken in einem Dilemma. Zum sind sie besorgt, dass das Negativ-Image, das das Turnier insbesondere in Deutschland inzwischen umgibt, die eigene Marke belasten könnte. Zum anderen sehen sie die Gefahr, dass bei einer kritischen Äußerung die ursprüngliche Idee hinter dem Engagement nicht zum Zuge kommt.

Die Folge ist ein Eiertanz der Sponsoren. Coca-Cola führt nach eigenen Angaben „weiterhin Gespräche mit Sponsoren und der Fifa, um herauszufinden, wie man die in Katar erzielten Fortschritte ausweiten kann, um den Zugang zu wirksamen Rechtsmitteln für Arbeitsmigranten weiter auszubauen". AB InBev/Budweiser unterstützt „den Zugang zu Verfahren, die Arbeitsmigranten, die von negativen Auswirkungen betroffen sind, gerechte Wiedergutmachung verschaffen können." Budweiser hat einen zurückhaltenden WM-Spot gedreht. Darin sehen Zuschauer Spieler und freudige Fans, jeglicher Bezug zu Katar fehlt. Nur das WM-Logo am Ende des Films deutet auf das Turnier hin. McDonald’s will „weiterhin mit der Fifa, mit Menschenrechtsexperten und den anderen Sponsoren zusammenarbeiten, um positive Veränderungen im Bereich der Menschenrechte voranzutreiben, einschließlich der Unterstützung von Prozessen, die den Zugang zu Rechtsmitteln erleichtern, sowohl im Rahmen der Weltmeisterschaft als auch in den Bereichen, in denen wir tätig sind". Auf das Braten eines WM-Burgers verzichtet McDonald’s in diesem Jahr in seinen deutschen Schnellrestaurants.

Für Adidas hat die WM allerdings eine besondere Bedeutung: Der börsennotierte Sportartikelkonzern ist derzeit nicht in Hochform. Vor allem wegen Problemen in China hatte er im Sommer seine Prognosen gesenkt, was für einen Kursrutsch sorgte und den Abgang von Unternehmenschef Kasper Rorsted beschleunigte. An der Börse verlor der Konzern in den vergangenen zwölf Monaten mehr als 50 Prozent seines Wertes. Von der Fußball-Weltmeisterschaft erhoffte er sich Rückenwind fürs Geschäft. Zumindest in Deutschland bläst ihm nun der Wind eher entgegen.

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