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Finanzierung > Deutsche Börse baut um

Der Mittelstandsindex schmilzt zusammen

Die Deutsche Börse zieht Konsequenzen aus dem Betrugsskandal um Wirecard. Der DAX soll um zehn auf dann 40 Konzerne anschwellen. Das hat gravierende Folgen für den kleinen Bruder.

40 statt 30 Unternehmen - ein breiteres Abbild der Wirtschaft und strengere Regeln. Unter dieser Überschrift könnte die neue DAX-Reform laufen. Zumindest dann, wenn man nicht durch die Brille eines Mittelständlers schaut. Denn der so häufig als „Mittelstandsindex“ titulierte MDAX wird ab September 2021 parallel zur DAX-Erweiterung von 60 auf 50 Unternehmen verkleinert werden. Kurzum: Seine
Bedeutung nimmt ab. Und das in einem Jahr, in dem die zweite Börsenliga stabiler performt als die erste. Aber der Reihe nach.

 

Vor wenigen Monaten hat der mittlerweile insolvente Zahlungsabwickler Wirecard das Vertrauen in den deutschen Leitindex DAX brutal zerstört. Und als dann Wirecard wieder verschwand, zog stattdessen der Essenbestelldienst Delivery Hero in den deutschen Börsenolymp ein. Der Neuling
sitzt zwar in Berlin, macht jedoch keine Umsätze hierzulande und wirft auch keine Gewinne ab. Kritische Stimmen wurden laut – sehr laut. Also musste der Chef der Deutschen Börse Theodor Weimer die Ärmel hochkrempeln und die wohl umfangreichste DAX-Reform seit der Gründung 1988 organisieren. Und das tat er.

 

Der MDax als großer Verlierer?

 

Alle Akteure aus der Finanzindustrie, Unternehmen, Verbände und andere Interessensgruppen wurden ins Boot geholt und befragt. Die Markteilnehmer durften in einer Umfrage angeben, welche Reformschritte sie bevorzugen. Etwa 600 Rückmeldungen wurden ausgewertet, wie Stefan Flägel von der Börsentochter Qontigo berichtete. Rausgekommen ist eine Erweiterung des Index‘ und eine Verkleinerung des Nebenwertindexes MDAX. Die Größe des Kleinwerteindex SDAX bleibt unverändert. Chancen für einen Aufstieg in die erste Börsenliga haben Unternehmen wie Zalando, Airbus, Siemens Healthineers oder Symrise. Und vielleicht schafft es sogar die Lufthansa wieder zurück in die erste Börsenliga.

 

Im September 2021 soll der DAX also zehn weitere Mitglieder bekommen und die deutsche Wirtschaft damit besser repräsentieren. Das sehen einige Experten kritisch. Die deutsche Wirtschaft bestehe aus so vielen mittelständischen Unternehmen, die es entweder in den MDAX schaffen oder gar nicht börsennotiert sind. Da könne der DAX nur ein schwaches Abbild der Gesamtwirtschaft sein. „Wenn wir auf den DAX schauen, haben wir einige Sorgen“, kommentierte Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer
der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, die Erweiterung des Index‘. „Denken sie aktuell an Banken oder Autobauer. Die zweite Reihe mit starken und funktionierenden Geschäftsmodellen im Mittelstand dagegen hat extrem gut performt. Und wenn man nun den DAX vergrößert und den MDAX verkleinert, dann ist die Attraktivität im mittleren Bereich zumindest angefressen.“

 

Nachhaltigkeit bleibt unberücksichtigt

 

Einige Marktteilnehmer hatten vorgeschlagen, auch das Thema Nachhaltigkeit bei der Reform zu
berücksichtigen. Doch diese Idee fand keine Mehrheit. Das ist zwar ignorant, aber konsequent. Immerhin basiert die deutsche Wirtschaft fast flächendeckend auf fossilen Brennstoffen. Würde man
auf Nachhaltigkeit setzen, schafften es nur wenige Unternehmen in den deutschen Börsenolymp – das konnten sich die Befragten Unternehmen nicht vorstellen. Als Konsequenz des Wirecard- Bilanzskandals gelten aber künftig strengere Regeln für die Index- Mitgliedschaft – wenn auch nicht
zugunsten der Umwelt. So müssen ab Dezember 2020 alle künftigen DAX-Kandidaten vor Aufnahme in den Index ein positives Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) in den letzten zwei Finanzberichten vorgelegt haben. Kurzum: Künftig müssen Unternehmen Gewinn machen. Zudem müssen sie testierte Quartalszahlen vorlegen und einen funktionierenden Prüfungsausschuss besitzen. Wirecard und Delivery Hero sollen sich nicht wiederholen.

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