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Finanzierung > Abkühlende Konjunktur

„Deutschland ruht sich zu sehr auf seinem Wohlstand aus“

Seit einigen Monaten stockt die Konjunktur. Warum der Mittelstand dennoch keinen Pessimismus kennt und was die Politik in Zeiten des Abschwungs tun muss, erklärt BDI-Präsident Dieter Kempf im Interview.

Lange Zeit klangen die Konjunkturprognosen düster. Mittlerweile hellt sich die Stimmung wieder auf. Was gilt nun: Kommt die Krise, oder ist der Abschwung abgesagt?

Die Industrie an sich, egal ob börsennotierter Konzern oder mittelständisches Familienunternehmen, steckt wegen internationaler Herausforderungen bereits in der Rezession. Darunter leidet die Gesamtwirtschaft. Aber wir sollten es halten wie damals im Lied von Geier Sturzflug: Wir müssen in die Hände spucken und das Bruttosozialprodukt steigern. Und zwar alle miteinander.

Noch ist die Stimmung in vielen deutschen Unternehmen aber nicht gut. Hat der Mittelstand Angst vor der Zukunft?

Der Mittelstand kennt Pessimismus eigentlich nicht. Wie sollte er? Wenn ein mittelständischer Familienunternehmer nicht mehr will, endet die Unternehmensgeschichte. Der Mittelstand denkt langfristig, krempelt die Ärmel hoch, arbeitet an Chancen und sucht stets Neues. Er weiß genau: Wenn das nicht gelingt, ist er ganz schnell aus dem Rennen. Diese Mentalität zeichnet Mittelstand aus und hat ihn groß gemacht.

Dennoch sprechen Sie in letzter Zeit häufig vom „Schnarchland Deutschland“. Drohen wir, unsere Zukunft zu verschlafen?

Meine Kritik zielt nicht nur auf die Politik ab. Das wäre falsch und zu kurz gegriffen. Unser Standort insgesamt ist ein „Schnarchland“ geworden. Ich beobachte, dass sich viel zu viele auf dem erreichten Wohlstand von zehn Jahren Hochkonjunktur ausruhen. Dabei gerät in Vergessenheit, dass wir dieses Niveau auch in die Zukunft tragen müssen.

Woran liegt diese Schnarchnasigkeit?

Wenn es einem gut geht, lehnt man sich zurück. Das ist nachvollziehbar. Aber wer traut sich außerhalb des Mittelstandes, eine Sache mal zügig und klar zu entscheiden? Oft verschanzen sich die Verantwortlichen hinter Genehmigungsprozeduren, die tatsächlich immer umfassender werden. Unternehmen werden überzogen von einer Fülle einschränkender und behindernder Vorschriften. Das hält sie vom eigentlichen Geschäft ab. Das Ergebnis ist eine Lähmung.

 

Was könnte diese Situation verbessern?

Zum Beispiel könnten Prozesse und Verfahrensabläufe in Behörden gerade durch die Digitalisierung schlanker und schneller gemacht werden. An Ideen herrscht kein Mangel. Mir scheint, es fehlt ein echter Wille. Das ist auch eine Frage der Prioritäten. Es darf doch nicht so sein, dass es bequemer ist, alles zu diskutieren und darüber einzudösen, als voranzugehen.

 

Vor kurzem haben Sie sich darüber beklagt, dass Sie als BDI nicht in die politische Willensbildung eingebunden würden. Was war passiert?

Es ging dabei um den Gesetzentwurf zum nationalen Emissionshandel. Den hat uns das Bundesumweltministerium am Samstagabend um 20 Uhr gemailt, und zwar an unsere info@bdi.eu-Adresse – mit Frist zur Stellungnahme bis Montag um 18 Uhr. Auch alle anderen Verbände sind auf diese Art und Weise überrumpelt worden.

Sehen Sie darin Ignoranz oder Absicht?

Selbst Ignoranz hielte ich schon für problematisch. Wenn aber Absicht vorliegt, dann muss ich mich fragen: Will die Politik gesellschaftlich legitimierte und fachlich relevante Verbände wirklich und wirksam im Gesetzgebungsverfahren anhören? Ich habe da meine Zweifel.

Wie erklären Sie sich das?

Die Bundesregierung wollte das Klimagesetz durchpeitschen. Das wäre mit einer ordnungsgemäßen, weil angemessenen Äußerungsfrist, die eine echte inhaltliche Prüfung zulässt, kaum möglich gewesen. Dieser Zeitdruck verstärkt bei mir die Vermutung, dass unsere Meinung – die unbequem ist – nicht willkommen war.

Was lernen Sie als BDI daraus?

Dass die Regierung nicht erkennt, dass gerade auch Mittelständler entscheidend zum weltweiten Klimaschutz beitragen. Dabei wollen die Unternehmen hierzulande Lösungen entwickeln, investieren und gutbezahlte Arbeitsplätze schaffen und sichern. Ich lerne daraus, dass ich diese Botschaft der Politik immer wieder klarmachen muss. Das mache ich aus Überzeugung und im Interesse des heimischen Mittelstandes.

Weshalb besonders der Maschinenbau vom Konjunkturabschwung betroffen ist – und wie der Mittelstand die Krise für sich nutzen möchte –, lesen Sie in der Titelgeschichte der neuen „Markt und Mittelstand“-Ausgabe (12/2019) Hier können Sie das Heft bestellen oder abonnieren.

 

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