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Finanzierung > Staatsbeteiligungen

Die Commerzbank wird zum Spekulationsobjekt

Die Ampelkoalition könnte den Verkauf des Instituts vorantreiben. Dafür stünde möglicherweise ein überraschender Käufer bereit.

Wenn die Ampelkoalition in Berlin jetzt ihre Arbeit aufnimmt, könnte das der Anfang vom Ende der mehr als 150-jährigen Geschichte der Commerzbank als selbständiges Geldhaus sein. Die Bank, die sich als führendes Kreditinstitut für den Mittelstand bezeichnet, würde von der Bildfläche verschwinden. Der Grund: Die Liberalen, die nun Regierungsverantwortung tragen, wollen, dass Staatsbeteiligungen an Privatunternehmen künftig die Ausnahme sind. FDP-Chef Christian Lindner selbst hatte vor der Wahl die Beteiligungen des Bundes an der Deutschen Telekom und der Deutschen Post angesprochen. Es gebe keinen ordnungspolitischen Grund dafür, solche Aktienpakete im Staatsbesitz zu behalten. Während es um Post und Telekom allerdings in den Koalitionsverhandlungen ruhig geblieben ist, wird die Staatsbeteiligung an der Commerzbank tatsächlich überprüft. Unter Frankfurts Bankern wird über die Zukunft der traditionsreichen Bank spekuliert und ein neuer Kaufkandidat für die seit Jahren angeschlagene Commerzbank herumgereicht: die DZ-Bank, deren Zentrale in Frankfurt knapp einen Kilometer vom CommerzbankTower entfernt steht.

Das Spitzeninstitut der Genossenschaftsbanken hat schon jetzt gemessen an seiner Bilanzsumme die Commerzbank überholt und steht in Deutschland hinter der Deutschen Bank auf Platz zwei. Die Bank hat trotz der Corona-Pandemie in diesem Jahr bisher so viel verdient wie nie zuvor. Für das Gesamtjahr rechnet Co-Chef Cornelius Riese mit einem Vorsteuerergebnis von "spürbar über zwei Milliarden Euro" und damit etwa ein Viertel mehr als im vergangenen Jahr. Das Ergebnis gebe "Rückenwind, unseren Wachstumskurs in allen Einheiten beherzt fortzuführen", hatte Riese Ende August erklärt, als er die Zahlen vorlegte.

Personelle Nähe

Dazu kommt: Personell sind ehemalige DZ-Manager im Aufsichtsrat der Commerzbank seit diesem Jahr gut vertreten: mit Frank Westhoff etwa, dem ehemaligen Risiko-Chef der DZ-Bank. Und mit Helmut Gottschalk, der die Rolle des Chefkontrolleurs der Commerzbank übernommen hat, nachdem er zuvor bis 2018 das DZ-Kontrollgremium geleitet hatte. Dort hatte er die Sanierung vorangetrieben. Das Spitzeninstitut der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken war in der Finanzkrise selbst in Schwierigkeiten geraten, konnte aber im Gegensatz zur Commerzbank ohne Staatshilfen saniert werden. Bei Frankfurter Banken heißt es dazu, es sei kein Zufall, dass ausgerechnet zwei Ex-DZ-Banker in herausgehobener Funktion ins Kontrollgremium der Commerzbank berufen worden seien. "Damit hat der Bund eine Karte mehr im Skat", sagt ein mit dem Vorgang vertrauter Spitzenbanker. Was er meint: Die Commerzbank steht seit Jahren ganz oben auf der Verkaufsliste des Bundes, der seit der Rettungsaktion während der Finanzkrise 2008 noch 15,6 Prozent der Anteile besitzt.

US-Finanzinvestor interessiert

Ein Verkauf an die Deutsche Bank scheiterte vor zweieinhalb Jahren – angeblich am mangelnden Interesse seitens der Käuferin. Schon damals hatte das Bundesfinanzministerium, bei der die Beteiligung liegt, im Hintergrund mitgewirkt. Seither wird spekuliert, ob ein ausländischer Interessent zum Zuge kommt. Der US-Investor Cerberus, der fünf Prozent an der Commerzbank hält, soll nach unbestätigten Gerüchten jüngst Interesse gezeigt haben, die staatliche Beteiligung zu übernehmen. Die Gewerkschaft Verdi hatte daraufhin den möglichen Staatsausstieg kritisiert. "Angesichts des Umbaus der Commerzbank fände ich es verantwortungslos, wenn sich der Bund jetzt davonstehlen würde", sagte Verdi-Gewerkschaftssekretär Stefan Wittmann, der auch im Aufsichtsrat des Instituts sitzt. Die Gewerkschafter könnten sich allerdings mit der genossenschaftlichen DZ-Bank als Käufer eher abfinden, heißt es aktuell in Frankfurt. Der Staat hat die Commerzbank in der Finanzkrise mit Kapitalhilfen von insgesamt 18,2 Milliarden Euro vor dem Untergang bewahrt. Einen großen Teil der Summe hat die Commerzbank mittlerweile zurückgezahlt. Mit seiner Beteiligung von 15,6 Prozent ist der Staat allerdings nach wie vor größter Aktionär – vor der amerikanischen Capital Group mit 5,3 Prozent und eben Cerberus mit fünf Prozent. Der Staatsanteil ist wegen des Kursverfalls der CommerzbankAktie derzeit nur noch etwas mehr als eine Milliarde Euro wert. Der Bund hat mit dem Aktienpaket fast 75 Prozent Verlust gemacht, dazurechnen muss er auch die Finanzierungskosten für den Einstieg im Jahr 2008.

Dennoch wäre der Zeitpunkt für den Verkauf günstig. Nachdem die Commerzbank jahrelang an ihrer Strategie gefeilt, bei der Umsetzung aber wenig Erfolge vorzuweisen hatte, ist das Geldhaus im dritten Quartal in die schwarzen Zahlen zurückgekehrt und rechnet nun auch im Gesamtjahr mit einem Gewinn. Nach einem Überschuss von 403 Millionen Euro im dritten Quartal, der damit höher ausfiel, als Analysten erwartet hatten, ist Commerzbank-Chef Manfred Knof "optimistisch". Der Aktienkurs war jüngst unter dem Eindruck der besseren Zahlen gestiegen, der Verkauf könnte also mehr Geld in die Kassen des Bundes bringen. "Nach Jahren des Stillstands habe ich den Eindruck, dass sich die Commerzbank jetzt entschlossen in die richtige Richtung bewegt", sagen Fondsmanager wie Andreas Thomae von der Deka-Bank. Im zweiten Quartal hatte die Commerzbank noch einen Verlust von mehr als einer halben Milliarde Euro geschrieben.

Sparen, sparen, sparen

Die Bank hat sich einen kräftigen Sparkurs verordnet. Sie will weltweit 10.000 Stellen streichen und in Deutschland 340 Filialen schließen. Als ihr Kerngeschäft nennt sie weiter den Mittelstand, was ihr die Konkurrenz allerdings nicht mehr abnimmt. So sagte Ulrich Reuter, Präsident des Sparkassenverbands Bayern, jüngst bei der Vorlage der eigenen Ergebnisse mit einem Seitenhieb auf die Commerzbank: "Wenn sich so manche Privatbank jetzt aus den Auslandsmärkten zurückzieht und neu entdeckt, dass sie angeblich die gleiche DNA wie der kleinere Mittelstand hat, wird sie feststellen müssen, dass der nicht auf sie gewartet hat." Kommt die DZ-Bank als Käuferin zum Zug, wäre es das erste Mal, dass ein Kandidat erfolgreich ist, der nicht aus demselben Bankensektor stammt. Das deutsche Bankensystem ruht bislang auf drei Säulen: den Privatbanken, zu denen die Commerzbank trotz des Staatsanteils offiziell noch zählt, den genossenschaftlichen Banken, deren Spitzeninstitut eben die DZ-Bank ist, und den Sparkassen, die zwar zusammengezählt die größte Gruppe darstellen, aber formal als selbstständige kleine Einheiten operieren und mit den Landesbanken gleich mehrere Spitzeninstitute haben. Bislang gab es nur Übernahmen innerhalb dieser Bereiche, was aber nicht heißt, dass das so bleiben muss.

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