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Finanzierung > Vorschriften fressen Marge auf

Studie ermittelt erstmals Kosten für Bürokratie

Wie hoch ist der Aufwand für Bürokratie? Jetzt gibt es konkrete Zahlen. Untersucht wurden Betriebe verschiedener Größe – mit durchaus unterschiedlichen Ergebnissen. Wen es am stärksten trifft und warum es immer schlimmer wird.

Bürokratie kostet die deutschen Unternehmen so viel wie Forschung und Entwicklung und frisst die Hälfte des Gewinns. Vor allem kleinere Betriebe leiden zunehmend unter der immer größer werdenden Regelungswut aus Brüssel, Berlin sowie Länder und Kommunen. Das geht aus einer bisher einzigartigen Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) hervor, die im Auftrag der Impuls-Stiftung des VDMA durchgeführt wurde. In vielen Betrieben herrscht demnach große Verunsicherung angesichts der kaum noch zu durchdringenden Vorschriften und Regelungen. Die Betroffenen nennen bereits 375 verschiedene Regelungen allein auf Bundesebene, die sie zu erfüllen haben. Hinzu kämen noch einmal so viele Vorschriften auf EU-, Landes- und kommunaler Ebene. Als zusätzliche Belastungen aus Brüssel nennen die befragten Unternehmen die Taxonomie, das Lieferkettengesetz sowie die CSR-Richtlinie.

 

In der Studie „Bürokratiekosten von Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau" wurden erstmals in drei Betrieben unterschiedlicher Größe zwischen 125 und 3500 Beschäftigten die Belastungen tief im Detail analysiert. Die folgenden Daten beziehen sich auf die 375 Regelungen auf Bundesebene. Dazu kommen all die weiteren für EU, den Bundesländern und den Kommunen. Es wäre vom Aufwand her praktisch unmöglich gewesen, die auch noch zu ermitteln. Man kann davon ausgehen, dass die Belastungen tatsächlich nochmal deutlich höher sind.

 

Die Studie (hier zum kostenlosen Download) stellte für das beispielgebende kleine Unternehmen heraus, dass 3,2 Prozent des Umsatzes durch die Erfüllung der direkten deutschlandweit geltenden bürokratischen Pflichten gebunden werden. Konkret waren es bei einem Geschäftsvolumen von 23,5 Millionen rund 705.000 Euro – umgerechnet auf die Personalkosten zehn in Vollzeit arbeitende Beschäftigte. Fast 43 Prozent der Bürokratiekosten entfielen auf den Bereich Steuern, Zoll und Normen. Es folgen rund ein Viertel auf den Bereich Arbeits- und Umweltschutz sowie 18,5 Prozent auf Bürokratiekosten im Bereich Personal.

 

Damit seien die allein vom Bund ausgelösten Bürokratiekosten ähnlich hoch wie die jährlichen Forschungsausgaben eines Mittelständlers im Maschinen- und Anlagenbau und annähernd so hoch wie der durchschnittliche Bruttogewinn in der Branche, stellt der VDMA fest und folgert: „Kommen noch mehr Bürokratiebelastungen hinzu, droht eine weitere Verringerung der Marge und damit auch eine Schwächung der Investitionen.“  Bei dem größeren Unternehmen mit einem Umsatz von 240 Millionen Euro in zwei untersuchten Betriebstätten lagen die Kosten für den direkten bürokratischen Aufwand der Regelungen auf Bundesebene bei einem Prozent (2,5 Millionen Euro). Dies entspricht zugleich den Kosten für die Beschäftigung von 40 Vollzeitbeschäftigten. Aufgrund der internationalen Ausrichtung des Unternehmens entfielen hier 63 Prozent auf den Bereich Steuern, Zoll und Normen. Allerdings sieht man darin auch Positives: „Mit Normen kauft man sich Verlässlichkeit.“ zitiert die Studie den Leiter Zentrales
Qualitätsmanagement des Unternehmens.

Das mittelgroße Unternehmen hat mit 450 Mitarbeitern am Stammsitz und 800 weiteren im Ausland einen Umsatz von 150 Millionen Euro erwirtschaftet. Davon flossen 1,36 Millionen Euro (0,91 Prozent) in die Abwicklung bürokratischer Pflichten. Überwiegend waren es Aufwendungen für Zoll Steuern und Normen (40 Prozent) sowie für Arbeits- und Umweltschutz (30 Prozent).  „Wenn ich ganz ehrlich bin, kenne ich einen Teil der Anforderungen als Geschäftsführer gar nicht. Das ist schon echt ein Monstrum“, zitiert die Studie den Geschäftsführer des Unternehmens, der vorrechnet: „Wir haben auf Jahresbasis im Schnitt zwischen 15 und 20 Personen dauerhaft in diesem Thema gebunden. Das müssen Sie sich erstmal leisten können.“ Angesichts des Fachkräftemangels würden so Kapazitäten verloren gehen, die für andere Dinge dringend gebraucht würden.

 

Ein Vergleich der Bürokratiekosten zwischen dem kleinsten und dem größten Beispielunternehmen belegt, dass Skaleneffekte auch bei der bürokratischen Belastung eine wesentliche Rolle spielen Dies führt dazu,
dass die größeren Unternehmen, relativ gesehen, geringere Bürokratiekosten haben als die Kleineren. „Die Kostenbelastung ist für diese Betriebe höher, da sich ihre Fixkosten auf geringere Produktionsmengen verteilen. Ein besonderer Fokus der Politik sollte daher auf dem Bürokratieabbau in den KMU liegen“, erklärt Friederike Welter, Präsidentin des IfM Bonn und Professorin an der Universität Siegen. Dabei müssten ihrer Ansicht nach auch die indirekten Kosten mitbedacht werden: „So sind zwar kleine und mittlere Unternehmen formal nicht vom kürzlich in Kraft getretenen Lieferkettengesetz betroffen. Viele von ihnen müssen ihren Großkunden aber Daten und Informationen zur Verfügung stellen, damit diese ihren neuen Pflichten nachkommen können. Die dafür nötige Datenerhebung, -aufbereitung, und -kommunikation erzeugt also schon jetzt zusätzliche Bürokratielasten bei den KMU", betont Welter.

Digitalisierte Verwaltung würde helfen

Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, dass elektronische Abwicklungsverfahren (eGovernment), elektronische Kommunikation und Datenübermittlung es bereits erleichtern würde, bürokratischen Pflichten zu erfüllen. Damit könnten die Unternehmen sich ein enormes zeitliches und finanzielles Einsparungspotenzial erschließen. Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass die elektronischen Verfahren funktionieren, einfach zu handhaben, bundesweit einheitlich und die Formulare verständlich formuliert sind. Auch sollte die Datenübertragung über hierfür geeignete Software-Programme angeboten werden, heißt es in der Studie.

„Die bürokratische Belastung für Unternehmen ist bereits jetzt immens und sehr personalintensiv. Aus der EU drohen weitere überbordende Berichtspflichten, bei denen auch Schwellenwerte den kleinen und mittelständischen Betrieben nichts nützen“, rügt Henrik Schunk, VDMA-Vizepräsident und Vorsitzender des Kuratoriums der Impuls-Stiftung. „Insbesondere die umfangreichen Forderungen nach gesellschaftlicher Verantwortung und Nachhaltigkeit mit für kleinere Unternehmen nicht leistbaren Nachweispflichten führen zu einem sehr hohen Zeitaufwand, der sicherlich bei einem Zeitaufwand von rund 1000 Stunden liegt“, zitiert die Studie den Geschäftsführer des kleinen Unternehmens. Schunk fordert ein Moratorium sowie Praxischecks, damit die Politik die Auswirkungen der geplanten Gesetze besser einschätzen kann: „Außerdem ist eine zügige Digitalisierung der Verwaltung dringend geboten, um den Unternehmen zum Beispiel die Datenübermittlung an die Behörden zu erleichtern.“
Aufwand steigt und steigt

Allein zwischen 2012 und 2020 hat sich der regelmäßige Aufwand der deutschen Wirtschaft für Bürokratieaufgaben auf vier Milliarden Euro verdoppelt. Zudem mussten die Unternehmen allein 2021 rund 5,8 Milliarden Euro für einmalige Anforderungen öffentlicher Stellen ausgeben. Das ist der höchste Wert, der je ermittelt wurde. „Generell zeigten sich alle teilnehmenden Unternehmen erstaunt über den Umfang der betrieblichen Bürokratiepflichten“, heißt es in der Studie. Es gibt kaum einen Unternehmensbereich, in dem keine gesetzlich vorgegebenen Regulierungen umgesetzt werden müssen. Allein im Bereich Arbeits- und Umweltschutz konnten 250 Bürokratieverordnungen identifiziert werden. Besonders in der Kritik stehen Regelungen, die sich plötzlich ändern, wie es der Geschäftsführer des mittelgroßen Unternehmens beschreibt: „Die verantwortlichen Beschäftigten spielen die ganzen Informationen in eine Blackbox und sie kriegen keine Information zurück, was daraus geworden ist. Und wenn sie dann mal was falsch gemacht haben – ein Beispiel kam bei uns aus dem Zollbereich speziell – dann kriegen sie einen auf die Finger.“

 

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