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Finanzierung > Investoren am Kapitalmarkt

„Ein Börsengang verleiht Unternehmen Kredibilität und Sichtbarkeit“

Ein IPO spült Geld in die Kasse, eignet sich aber nicht für jedes Unternehmen, sagt Renata Bandov von der Deutschen Börse im Interview mit Markt und Mittelstand. Worauf Firmen bei einem Börsengang achten sollten.

Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland gerade einmal fünf Börsengänge. Warum wagen sich die Unternehmen derzeit nicht aufs Parkett?

Spätestens seit dem vierten Quartal 2018 sind die Neuzugänge an den Kapitalmärkten global rückläufig. Europa ist davon besonders betroffen. Dabei war Anfang vergangenen Jahres die Pipeline bei uns gut gefüllt. Nur umgesetzt wurde von den Plänen leider sehr wenig. Wir hören von zahlreichen Unternehmen, die ganz konkret darüber nachdenken, an die Börse zu gehen. Aber das allgemeine Sentiment hält sie zurück.

Was meinen Sie mit Sentiment?

Die Stimmung am Kapitalmarkt war und ist von wirtschaftspolitischer Unsicherheit geprägt. Damit Unternehmen den Gang an die Börse wagen, muss aber das gesamte Ökosystem passen: Die Betreuung durch die Banken muss stimmen, potentielle Investoren müssen Interesse haben, und die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen passen. Eine Überregulierung ist immer Gift für den Kapitalmarkt. Anlegerschutz und Verwaltungsaufwand für Unternehmen müssen sich die Waage halten. Ganz wesentlich ist auch die öffentliche Stimmung: Die Deutschen sind leider kein „Aktienvolk“. Das ist schade – zumal die meisten die Bedeutung des Kapitalmarkts für die volkswirtschaftliche Wertschöpfung unterschätzen dürften.

Und wie steuern Sie gegen?

Letztlich haben wir kaum Einfluss darauf, ob Unternehmen an die Börse gehen oder nicht. Unsere Aufgabe besteht darin, zu informieren, aufzuklären und den Firmen die Möglichkeiten aufzuzeigen, die der Kapitalmarkt bietet. Aber wir als Börse haben nur einen kleinen Hebel.

Die meisten Mittelständler haben sich in den vergangenen Jahren ein üppiges Finanzpolster zugelegt. Außerdem bekommen sie von den Banken das Geld hinterhergeworfen. Sie brauchen also gar kein Kapital von Investoren.

In der Tat. Von den vielen interessanten Hidden Champions in Deutschland sind bislang leider nur wenige an die Börse gegangen. Offensichtlich gibt es derzeit keinen echten Bedarf für eine Finanzierung über den Kapitalmarkt. Das halte ich auch nicht per se für verkehrt.

 

Aber Ihrem Geschäftsmodell zuträglich ist eine solche Zurückhaltung sicher auch nicht.

Ein Börsengang ist nicht für jedes Unternehmen das Richtige. Manchmal ist dies einfach nicht sinnvoll. Für uns ist wichtig, dass wir ein gesundes Ökosystem rund um den Finanzplatz haben und dass die Unternehmen, die sich strategisch für einen Börsengang entscheiden, die richtigen Rahmenbedingungen dafür vorfinden.

 

Wenn Sie mit Unternehmen sprechen, die den Gang an die Börse doch wagen: Was werden Ihnen für Gründe genannt?

Einer der wesentlichen Gründe für einen Börsengang ist, dass die Unternehmen an zusätzliches Kapital kommen wollen – etwa um zu wachsen. Aber auch die Megatrends Digitalisierung und Internationalisierung gewinnen im Mittelstand zunehmend an Bedeutung. Beide Themen bedeuten einen höheren Finanzierungsbedarf, der oft nicht mehr allein aus dem eigenen Cashflow oder einer klassischen Bankfinanzierung gedeckt werden kann.

Hilft eine Börsennotierung im internationalen Geschäft?

Absolut. Ein Börsengang verleiht Kredibilität und Sichtbarkeit – gegenüber Geldgebern sowie gegenüber potentiellen Kunden und Lieferanten, gerade im Ausland. Gleichzeitig bedingt die Börsennotierung aber auch, dass die Mittelständler einen Spagat schaffen müssen.

Wegen der Vorgaben an die Transparenz? Kaum ein Mittelständler kommuniziert gern nach außen, wie seine Geschäfte laufen.

Ganz genau. Aber auch wenn ein Unternehmer zu einer Bank geht, muss er heute seine Zahlen offenlegen und fortlaufend über die Geschäftsentwicklung berichten. Dazu kommt: Gelistete Unternehmen bekommen von ihren Investoren und Analysten kritische Fragen gestellt. Das kann dabei helfen, die Unternehmensstrategie weiterzuentwickeln und Anregungen zu bekommen. Es liegt im ureigensten Interesse der Investoren, dass der Unternehmenswert gesteigert wird. Die wollen nicht mit ihren Nachfragen quälen.

Aber einem Familienunternehmer in fünfter Generation kann die „Quartalsdenke“ der Börse auch Angst machen.

Der Kapitalmarkt funktioniert über Information und über Transparenz. Das muss man sich bewusst machen. Wenn man den Kapitalmarkt in Anspruch nehmen will, gehört das dazu. Als Unternehmen kann ich nur sagen: Ich bin dazu bereit – oder eben auch nicht. Eine Option dazwischen gibt es nicht.

Wie viel Zeit und Geld kostet ein IPO?

 

Ein Börsengang lässt sich nicht von heute auf morgen erledigen. Für die Vorbereitung sollte man einen Vorlauf von einem Jahr ansetzen, wenn im Unternehmen keine Hektik ausbrechen und die Mitarbeiter sich nicht überstrapaziert fühlen sollen. Der größte Kostenblock sind die Kosten für die Bank, die einen IPO (= Initial Public Offering) begleitet, und für die Berater. Wie viel eine solche Transaktion kostet, hängt von der Größe des Emissionsvolumens und auch von der Börsenreife des Unternehmens ab. Wenn das Unternehmen noch relativ unerfahren ist und viel Beratung braucht, können die Gebühren bei fünf bis sieben Prozent des Emissionsvolumens liegen. Die Kosten für die Legal Documentation und den Wirtschaftsprüfer sind darin bereits enthalten.

Die Angst vorm Börsengang hat auch damit zu tun, dass mittelständische Unternehmer ungern Macht abgeben, sondern das Steuer in der Hand behalten wollen.

Dieses Argument höre ich häufig. Aber nicht immer, wenn man an die Börse geht, muss man die Unternehmensführung aufgeben. Es gibt die Rechtsform der Kommanditgesellschaft auf Aktien. Und es ist auch nicht verpflichtend, alle Aktien des Unternehmens an die Börse zu bringen. Man kann stimmrechtslose Vorzugsaktien ausgeben, man kann sukzessive Aktien in den Handel geben und den Free-float begrenzen und so weiter.

Klingt nach „alles ist möglich“. Ist dem wirklich so?

Naja, damit ein, wie wir es sagen, ordnungsgemäßer Handel möglich ist, braucht es eine gewisse Menge an Aktien im Streubesitz. Je mehr Papiere im Streubesitz sind, umso mehr Handel findet in der Regel statt. Als Börse achten wir darauf, dass mindestens 25 Prozent der Aktien eines Unternehmens im Streubesitz sind.

Der börsennotierte Axel-Springer-Verlag und sein neuer Mehrheitsinvestor KKR planen derzeit ein Delisting, also den Rückzug von der Börse. Ist ein solches „Going private“ auch für mittelständische Unternehmen möglich?

Grundsätzlich gilt: Ein Börsengang ist keine Einbahnstraße. Unternehmen, die an die Börse gehen, sollten immer wissen: Ich komme auch wieder raus. Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, warum Unternehmen die Börse wieder verlassen. Am Anfang steht immer die Frage: Stehen die Aufwände, die eine Börsennotierung für mich bringt, in Relation zu den Vorteilen, die ich daraus ziehe?

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