Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Finanzierung > Übersicht

Fintechs: eine Alternative zur Bankfinanzierung?

Immer mehr Start-ups aus der Finanzbranche bieten Mittelständlern Finanzierungen an – als Ersatz oder Ergänzung zum Hausbankkredit. Aber sind diese Fintechs echte Alternativen zu den etablierten Instituten? Eine Übersicht.

Sie sind ein noch recht junges Phänomen der Unternehmensfinanzierung und doch nicht mehr vom Markt wegzudenken: Fintechs. Nach der Finanzkrise haben sich – vor allem ab 2011 – in Deutschland zahlreiche Finanzdienstleister gegründet, die der Überzeugung sind, in ihrem Segment besser zu sein als die etablierten Banken. Doch was zeichnet ein Fintech überhaupt aus?

Fintechs: eine Definition

Das Wort Fintech setzt sich aus den Anfangssilben der Wörter Finanzdienstleistungen und Technologie zusammen. Der Begriff wird zum einen für technologisch basierte Finanzinnovationen verwendet, aus denen ein neues Finanzprodukt entsteht. In der Regel sind mit dem Begriff Fintechs aber die Anbieter dieser Produkte gemeint. Häufig sind das Start-ups, die sich auf eine Nische der Finanzierung spezialisiert haben. 

Die wichtigsten Fintech-Standorte sind Berlin und Frankfurt am Main gefolgt von München und Hamburg. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Barkow Consulting gab es im Jahr 2018 fast 800 Fintechs in Deutschland. Zu den bekanntesten von ihnen dürften die Onlinebank N26, die Kreditvermittlungsplattform Auxmoney und das Zinsportal Weltsparen (das streng genommen nur eine Marke des britischen Fintechs Raisin ist) gehören. Sie alle verbindet, dass sie sich ausschließlich oder zumindest hauptsächlich an Privatkunden richten. Das ist kein Zufall: Da die Risiken für die Anbieter bei Finanzierungen für Privatleute übersichtlicher und damit auch einfacher abzuschätzen sind als bei Finanzierungen für Unternehmen, haben sich die Fintechs in den ersten Jahren vor allem auf das Geschäft mit Privatleuten konzentriert. Doch das ändert sich seit einigen Jahren zunehmend. Immer mehr der Finanzdienstleister nehmen das Firmenkundengeschäft ins Visier. Über 100 von ihnen bieten unterschiedliche Finanzierungskonzepte für Unternehmen an – häufig auch speziell für den Mittelstand. Einige – aber nicht alle – greifen dabei auf Technologien wie KI und Blockchain zurück.

Diese Finanzierungsangebote haben Fintechs im Portfolio

 

Fintechs zur Kreditvermittlung

 Der Klassiker: Unternehmen brauchen für eine Investition zusätzliches Kapital. Statt an ihre Hausbanken können sie sich dafür auch an ein Fintech wenden. Dafür füllen die Firmen in der Regel online ein Formular mit den wichtigsten Angaben zum Unternehmen und dem Anliegen aus und erhalten anschließend einen Rückruf. Gibt es grünes Licht für die Anfrage, bekommen die Unternehmen eine Liste mit Finanzierungsangeboten. Die Angebote stammen, je nach Modell, von klassischen Banken, institutionellen Investoren oder auch von einer Gruppe von Privatanlegern.

Factoring

Mit Factoring können sich Unternehmen vor Zahlungsausfällen ihrer Kunden schützen und außerdem ihre Liquidität erhöhen. Dazu tritt die Firma ihre Forderungen an eine dritte Partei ab. Diese zahlt dem Kunden den Rechnungsbetrag minus Gebühren aus. Anders als bei entsprechenden Bankangeboten läuft das Factoring über Fintechs oft komplett digital und vollautomatisiert ab – vom Einreichen der Finanzierung bis zum Überweisungsauftrag. 

Lagerbestandskredite

Banken verlangen für die Vergabe von Krediten mitunter die Vorlage von Sicherheiten, um damit das Ausfallrisiko des Kredits zu senken. Häufig werden Immobilien als Sicherheiten hinterlegt. Die Lagerbestände eines Unternehmens akzeptieren Banken dagegen in der Regel nicht. Das liegt daran, dass es für die Geldhäuser schwierig ist, einen Überblick über die Lagerbestände zu erhalten und sich diese auch ständig ändern. Fintechs wollen das Problem mit Hilfe der Digitalisierung lösen. Mit einer Software, die an die Logistik des Unternehmens gekoppelt ist, werden die Warenlagerbestände nahezu in Echtzeit erfasst. Anhand der aktuellen Rohstoffpreise ermittelt das Fintech dann den Warenwert des Lagers. Doch das Modell hat seine Grenzen. Für Zwischenprodukte ist es schwierig, einen Marktpreis zu ermitteln. Zudem sind Spezialanfertigungen meistens nur für einen bestimmten Kunden wertvoll, während sie für alle anderen fast nutzlos sind. Daher eignen sich solche Lagerbestände nicht als Kreditsicherheit. 

Fintechs zur Vermittlung von Private Equity

Über Fintechs können Mittelständler nicht nur Fremd- sondern auch Eigenkapital einsammeln. So bieten manche der Finanzdienstleister an, dass sich die Unternehmen auf ihren Plattformen Finanzinvestoren wie Private-Equity-Fonds vorstellen und für den Verkauf von Unternehmensanteilen an die Investoren werben können. Der Vorteil bei dieser Finanzierungsart: Eigenkapital muss anders als Fremdkapital nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückgezahlt werden. 

Einkaufsfinanzierung

Unternehmen haben bei Großaufträgen ohne Anzahlung das Problem, dass sie finanziell in Vorleistung treten müssen – etwa beim Einkauf von Rohstoffen. Auch für solche Übergangskredite können sich Unternehmen neben den Banken ebenfalls an Fintechs wenden.

 

Auch in anderen Bereichen sind Fintechs unterwegs. Es gibt mittlerweile Anbieter, die für Unternehmen die Risiken im Kundengeschäft analysieren und bewerten. Andere Dienstleister kümmern sich um die Buchhaltung oder die Liquiditätsplanung der Unternehmen. Ein wichtiger Bereich ist zudem die Vermittlung von Versicherungen. Fintechs, die in diesem Segment tätig sind, heißen auch Insurtechs. 

Fintechs: Vorteile und Nachteile gegenüber klassischen Banken

Fintechs punkten gegenüber klassischen Banken vor allem damit, dass sie schnell auf die Anfragen ihrer Kunden reagieren können, da viele Vorgänge digital und automatisiert bearbeitet werden. Braucht ein Unternehmen für ein Vorhaben schnell einen Kredit, kann ein Fintech daher im Vergleich zur Hausbank die bessere Wahl sein. Da die Finanzdienstleister bei der Vermittlung von Krediten auf eine große Datenbank an Anbietern zurückgreifen, haben Mittelständler mit vorhandener Bonität gute Karten, ein passendes Finanzierungsangebot zu erhalten. Der Werkzeug- und Maschinenbauer Walter Möck arbeitet seit Jahren bei der Finanzierung mit Fintechs zusammen – und schätzt gerade diese Schnelligkeit und Flexibilität.

 

Außerdem bieten Fintechs mitunter Finanzierungen an, auf die Banken verzichten. So ist es tendenziell einfacher, über ein Fintech einen unbesicherten Kredit zu erhalten als über eine Bank. Selbstverständlich vergeben auch die neuen Finanzdienstleister nicht wahllos Kredite. Einen Zahlungsausfall der Kunden wollen natürlich auch sie vermeiden. Umgekehrt kann es den Kunden aber auch passieren, dass das Fintech von einem Tag auf den anderen pleite geht. Wie so viele Start-ups haben auch in diesem Bereich etliche der neuen Anbieter die Anfangsjahre nicht überlebt und Insolvenz angemeldet. Mittelständler tun daher gut daran, sich genau zu überlegen, mit welchen Fintechs sie zusammenarbeiten möchten.

Ersatz oder Ergänzung zur Hausbank?

Der Mittelstand steht treu zu seiner Hausbank. Einer Untersuchung der KfW zufolge, haben 93 Prozent der KMU eine Hausbank, mit der sie im Schnitt bereits seit 20 Jahren zusammenarbeiten. Ob es den Fintechs gelingt, dieses Verhältnis aufzubrechen, ist fraglich. Als die ersten Fintechs vor gut zehn Jahren an den Start gingen, galten sie in den Medien noch als Schrecken der Banken, die den Instituten ihr Geschäft (damals noch vor allem mit Privatkunden) wegnähmen, da sie agiler und kundenfreundlicher als die Banken seien. Mittlerweile ist aus der Konkurrenz eher eine Partnerschaft geworden. Nicht selten kooperieren die Fintechs mit den Banken oder gehören inzwischen zu ihnen. In den vergangenen Jahren habe einige Banken Fintechs aufgekauft und in ihr Portfolio aufgenommen. Auch die Fintechs, die weiterhin unabhängig sind, sehen sich inzwischen selbst eher als einen weiteren Baustein der Unternehmensfinanzierung und nicht als Ersatz für die klassische Bankenfinanzierung. Wie weit der Mittelstand diese zusätzlichen Angebote auch wahrnehmen wird, wird die Zukunft zeigen. Noch tun sich die Fintechs jedenfalls schwer. Bei einer Umfrage der Unternehmensberatung Ebner Stolz gaben 2018 45 Prozent der befragten KMU an, dass sie die Angebote der Fintechs überhaupt nicht oder nur unzureichend kennen. 

Der Artikel wurde am 30. Septemeber 2019 erstellt und zuletzt am 7. November 2019 aktualisiert.

Ähnliche Artikel