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Recht und Steuern > Serie Bürokratie

Gelesen, gelacht, gelocht: Vier Stunden täglich für die Verwaltung

Deutschlands Ärzte schlagen immer wieder Alarm: Bürokratie raubt ihnen die Zeit für ihre Patienten.

Rund vier Stunden täglich investieren Ärzte in die Verwaltung, das raubt Zeit für die Patienten. ©Shutterstock

Finde den Fehler! Deutschland leistet sich aus Versichertenbeiträgen und staatlichen Zuschüssen das zweitteuerste Gesundheitssystem Europas. Aber bei der Lebenserwartung liegen die deutschen Männer und Frauen auf Platz 14 und 13 von 16 untersuchten Staaten. Zugleich läuft Deutschland - wie seit vielen Jahren sauber prognostiziert - in einen signifikanten Ärztemangel. Das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung rechnet vor: Bis 2035 werden jährlich 9000 Ärzte und Ärztinnen in Rente gehen. Die Zahl der Medizinstudierenden reicht noch immer nicht aus, um die künftigen Lücken zu füllen. Was auch darin liegt, dass der Arztberuf lange nicht mehr so attraktiv ist wie vor 15 oder 20 Jahren.

Jeder Pflege-Praktikant erkennt in seiner ersten Klinik-Woche: Dokumentation und Administration sind wesentliche Disziplinen für Pflegekräfte wie für Ärzte. Laut des Marburger Bundes haben die Mediziner deshalb zu wenig Zeit für ihre Patienten und Patientinnen. Diese Entwicklung sorge in Praxen und Kliniken gleichermaßen für Engpässe in der medizinischen Versorgung. In einer Umfrage des Marburger Bundes erklärte knapp die Hälfte der Mediziner: Ich bin überlastet. 60 Prozent der Klinik-Ärzte verbringen mindestens drei Stunden täglich mit Verwaltung. 35 Prozent veranschlagen für Papierarbeit bis zu vier Stunden - in der gleichen Umfrage 2013 sagten das nur acht Prozent. 74 Prozent erklärten, ihre eigene Gesundheit leide unter dem Stress, statt wartenden Patienten helfen zu können, bürokratische Aufgaben abarbeiten zu müssen. Etwa Dokumentationsvorschriften, Prüfpflichten oder Mehrfachmeldungen von Daten durch die Krankenhäuser an verschiedene Kassen zur Prüfung.

Enorme Dunkelziffer bei Behandlungsfehlern 

Derweil liegen im Krankenhaus die Patienten im Flur und in der Praxis windet sich die Warteschlange immer länger durch den Hausflur. Immerhin: Diese Patienten haben wenigstens einen Termin bei ihrem Arzt bekommen. Die anderen warten noch Wochen oder Monate darauf. 
Womöglich leidet unter zu viel Zeitaufwand der Ärzte für fachfremde Aufgaben nachzählbar die Gesundheit der Versorgten. 2021 bestätigte der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MD), der nur die Verdachtsmeldungen von gesetzlich Krankenversicherten untersucht, in 3.665 Fällen einen Fehler und in 3.222 Fällen einen Fehler mit Schaden. Mehr als 13.000 Fehler waren insgesamt gemeldet worden. Zugleich warnt der MD, es sei wissenschaftlich belegt, dass die Dunkelziffer der Behandlungsfehler deutlich über dem liege, was in der Statistik sichtbar werde. Der Verteilung der Ärzte und des medizinischen Risikos entsprechend, kamen zwei Drittel der Klagen über Mediziner in der stationären Versorgung, meist Krankenhäuser. Ein Drittel betraf niedergelassen Ärzte.

Schon 2020 beklagte Susanne Johna als Vorsitzende des Marburger Bundes: „Die Patientenversorgung könnte erheblich verbessert werden, wenn nur die Hälfte der Verwaltungstätigkeit eingespart werden würde“. Zugleich forderte sie eine „Generalinventur“ zur Identifizierung unnötiger Vorgaben. Würde die Bürokratie um die Hälfte gesenkt, stünden rechnerisch 3750 Ärzte mehr in Vollzeit für Praxen und Kliniken zur Verfügung.

Modellprojekt - aber nur für Klinken 

Ende März 2023 startete Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek auch deshalb ein Modellprojekt zum Bürokratieabbau in Kliniken. Ein großer Aufschlag: In der Steuerungsgruppe diskutieren sein Gesundheitsministerium, die Bayerische Krankenhausgesellschaft, die AOK, der Medizinische Dienst und der Bürokratiebeauftragte der Bayerischen Staatsregierung. 18 bayerische Kliniken werden beim Kampf gegen unnötigen Papierkram wissenschaftlich begleitet. Holetschek erklärte: „Die Beteiligten selbst müssen überprüfen, wie sie bürokratische Hürden abbauen können.“ Schöne Worte. Erstaunlich schnell, nämlich im Juli 2023, will der Minister die Ergebnisse und Vorschläge der Elefantenrunde vorstellen.
Markt und Mittelstand bleibt dran.

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