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Recht und Steuern > Schlussanträge zu Datenschutzverstößen

Generalanwalt sieht Unternehmen auch ohne Nachweis eines Verursachers in der Haftung

Verstöße gegen den Datenschutz können für Unternehmen teuer werden. Geht es nach dem Generalanwalt beim EuGH, könnte sich ihre Haftung noch weiter verschärfen: Auf das Festmachen des konkreten Verursachers soll es nicht ankommen.

Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung können teuer werden, und das ohne den Nachweis eines Verursachers
Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung können teuer werden, und das ohne den Nachweis eines Verursachers. ©Shutterstock

Die Berliner Datenschutzbehörde verhängte im Jahr 2020 ein Bußgeld in Höhe von 14 Millionen Euro gegen ein Immobilienunternehmen. Das Unternehmen hatte nach Überzeugung der Behörde personenbezogene Daten von Mietern in einer Weise verwaltet, die nicht den Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) entsprach. Ob diese Datenschutzverstöße auf einem nachgewiesenen Verschulden einer bestimmten Person in diesem Unternehmen beruhten, war für die Berliner Datenschützer unerheblich. Das Unternehmen indessen vertrat, die Behörde müsse, um eine Sanktion verhängen zu können, sehr wohl ein vorwerfbares Verhalten – etwa eine mangelhafte Überwachung durch die Unternehmensleitung – nachweisen können und zog vor Gericht.

Berliner Gericht legt dem EuGH vor

In erster Instanz war das Unternehmen erfolgreich. Für die zweite Instanz, das Berliner Kammergericht, stellten sich in dem Fall grundsätzliche Fragen, die es dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt hat. Die Berliner Richter wollen vom EuGH nun zum einen wissen, ob gegen eine juristische Person – sprich ein Unternehmen – Sanktionen verhängt werden können, ohne dass zuvor festgestellt werden muss, welche Person im Unternehmen verantwortlich ist. Zum anderen soll der EuGH die Frage beantworten, ob der geahndete Verstoß in jedem Fall vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden sein muss oder ob ein rein objektiver Verstoß gegen eine Verpflichtung genügt.

Der Generalanwalt beim EuGH vertritt in seinen Schlussanträgen die Ansicht, dass es für ein Bußgeld gegen ein Unternehmen nicht notwendig ist, einen Datenschutzverstoß einer konkreten Person dieses Unternehmens festzustellen. „Das ist bemerkenswert und erhöht das Haftungsrisiko für die Unternehmen deutlich“, sagt der Fachanwalt für IT-Recht Martin Schweinoch, Partner bei SKW Schwarz in München. Allerdings hält der Generalanwalt daran fest, dass ein sanktioniertes Verhalten zumindest vorsätzlich oder fahrlässig sein muss. „Forderungen nach einer verschuldensunabhängigen Haftung nimmt das zwar den Wind aus den Segeln“, so Martin Schweinoch. „Aber gleichzeitig dürfte gelten: Wenn niemand fahrlässig war, hätte es auch keinen Verstoß gegeben.“

Hürden für Bußgelder könnten sinken

Folgt der EuGH in seinem Urteil später dem Generalanwalt – was häufig der Fall ist –, drohen Unternehmen in Deutschland leichter empfindliche Bußgelder. „Denn hierzulande muss bislang entweder ein schuldhafter Verstoß eines Mitglieds eines vertretungsberechtigten Organs des Unternehmens oder eine Verletzung der Aufsichtspflicht der Unternehmensleitung vorliegen“, erläutert Martin Schweinoch. Stelle man allerdings auf die europäische Sicht ab, seien die Aussagen des Generalanwalts und ihre Konsequenzen wenig überraschend, da es gerade Sinn und Zweck der Sanktionen der DSGVO sei, die Einhaltung ihrer Vorgaben zu bewirken. „Die Feststellung eines konkreten Datenschutzverstoßes einer bestimmten Person des Unternehmens ist dafür eine Hürde, die es nach dem Generalanwalt nicht geben soll“, meint der IT-Rechtsexperte.

Ein Urteil des EuGH ist erst in einigen Monaten zu erwarten. Gleichwohl warnt Rechtsanwalt Schweinoch schon heute: „Setzt sich die Ansicht des Generalanwalts durch, bedeutet dies für Unternehmen und gerade deren Leitung, dass sie einer vollständigen und korrekten Umsetzung des Datenschutzes in der Praxis eine noch höhere Aufmerksamkeit schenken müssen.“

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