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Finanzierung > Gleichberechtigung bei Finanzen

Frauen legen Geld besser an - und sind dennoch ärmer

Finanzen sind Männersache? Klassische Rollen­bilder sind längst veraltet. Frauen legen oft erfolgreicher Geld an. Dennoch sind sie benachteiligt.

Frau sitzt am Rechner und macht ihre Finanzen
Frau sitzt am Rechner und macht ihre Finanzen: Von Gleichberechtigung sind wir immer noch ein Stückweit entfernt.

Es ist nur einige Jahrzehnte her, da durften Ehefrauen in Deutschland ohne Zustimmung ihres Partners – des Hausherrn – nicht einmal über das eigene Geld verfügen. Geschweige denn investieren. Heute schwer vorstellbar, diese Entmündigung. Und jenseits aller Gerechtigkeitserwägungen waren solche gesellschaftlichen Normen auch noch ziemlich unweise. Untersuchungen zahlreicher Institutionen, vom Deutschen Aktieninstitut über Beratungsfirmen bis hin zu Banken finden fast Jahr für Jahr heraus, dass Frauen erfolgreicher investieren und wirtschaften als Männer.

Weibliche Anleger handeln zurückhaltender, neigen weniger zur Selbstüberschätzung und gehen kritischer an Empfehlungen heran. Vor allem an der Börse zeigt der viel untersuchte Herdentrieb oft enttäuschende Ergebnisse. Denn bis ein Privatanleger auf den fahrenden Zug aufspringt, haben Profis ihr Geschäft längst gemacht. Und die Krümel aufzulesen, ist für Frauen dann doch weniger verlockend.

Männer dagegen schätzen sich selbst oft als besser informiert ein, als sie es tatsächlich sind. „Es ist nicht, was ein Mann nicht weiß, das ihn zum Narren werden lässt. Sondern das, was er zu wissen glaubt, was aber gar nicht so ist“, wusste schon im 19. Jahrhundert der US-Aphoristiker Josh Billings.

Natürlich gibt es, wie immer bei solchen allgemeinen Aussagen, Ausnahmen. Aber die Statistiken sind dennoch insgesamt eindeutig. Joachim Goldberg, langjähriger Erforscher solcher Trends und Experte für „Behavioral Finance“, also „verhaltensgeprägte Finanzanlage“, sagt, Frauen planten sorgfältiger, seien langfristig orientiert und neigten eher dazu, einmal gesetzte Ziele unbeirrt zu verfolgen. Besonders für Männer sei der Vergleich mit anderen wichtig – nach dem Motto: Was macht der Nachbar, der Kollege? Ist er besser als ich?

Meme-Aktien locken

Solche psychologischen Merkmale beeinflussen demnach Anlageentscheidungen weit häufiger, als man meinen sollte. So führen sie zum Beispiel zu häufigeren Umschichtungen – trotz der Börsenweisheit: „Hin und Her macht Taschen leer.“ Und sind dann auch mitverantwortlich für harte Landungen. Ein Beispiel sind sogenannte Meme-Aktien, die in sozialen Netzwerken gepusht und beworben werden, um dann jäh abzustürzen, während die Anleger, die alles ausgelöst haben, längst Gewinn eingesackt haben. Die Hauptrolle, die Männer bei solchen Aktivitäten spielen, erklärt sich aber auch aus den nackten Zahlen: Es gibt dort einfach mehr davon. In der Börsenwelt ist das Verhältnis von Männern zu Frauen immer noch zwei zu eins.

In Deutschland gibt es ungefähr zwölf Millionen Aktiensparer. Davon sind vier Millionen weiblich, wie das Deutsche Aktieninstitut (DAI) ermittelt hat. Dieses Verhältnis ändert sich auch nicht, wenn man weitere Kriterien aufschlüsselt, etwa Alter, Bildungsniveau oder soziales Umfeld. Auch Boomjahre an der Börse lassen lediglich die Aktionärszahlen insgesamt steigen. Demnach legten 2021 etwa 22,4 Prozent der Männer, aber nur 11,9 der Frauen ihr Geld in Wertpapieren an.

In Deutschland zählen weiterhin sogenannte sichere Anlagen wie Geldguthaben, Immobilien oder festverzinsliche Wertpapiere zu den bevorzugten Betätigungsfeldern der Sparer. Von jenen, die an der Börse aktiv sind, bevorzugen Männer wie Frauen Investmentfonds, allerdings in unterschiedlichem Maße: 53 Prozent der Männer besaßen ausschließlich Fonds, bei den Frauen waren es dem DAI zufolge 66 Prozent. Die Direktanlage in Aktien mit ihrem naturgemäß höheren Verlustrisiko wählten 28 Prozent der Männer, hingegen nur 22 Prozent der Frauen. Dies mag erklären, dass in turbulenteren Börsenzeiten wie gerade während der Corona-Pandemie die Performance der weiblichen Anleger stabiler bleibt.
Natürlich richtet sich das Interesse von Finanzwissenschaft und vor allem Banken auf die Gründe für dieses Anlageverhalten – und für die Wahl einer Geldanlage ganz im Allgemeinen. Mit Besorgnis betrachten die Förderer von Frauen auf den Finanzmärkten, dass unter den 14 bis 29 Jahre alten Anlegerinnen nur sechs Prozent auf Aktien und Fonds setzen, bei den Altersgenossen sind es 14 Prozent. Selbst bei den über 60-Jährigen ist das Verhältnis besser, wie das DAI ermittelt hat.

 

Das Anlegeverhalten ändert sich auch nicht abhängig vom Einkommen. Natürlich scheint die Erklärung nahezuliegen, dass Frauen bei besser bezahlten Jobs oft in der Minderheit sind, Stichwort Gender-Pay-Gap. Eine Studie der Investmentbank J.P. Morgan allerdings fand heraus, dass die Statistik sich auch bei völlig gleichen Einkünften und qualifizierten Berufspositionen nicht entscheidend ändert. Ein Indiz könnte sein, dass Frauen trotz eines sicheren Verdienstes häufig angeben, sich riskante Geldanlagen nicht leisten zu können. Das deutet wiederum auf die bekannte Tatsache hin, dass Männer schlicht höheres Selbstbewusstsein in ihre Auswahlentscheidungen hineinbringen als Frauen.

Zahlreiche Studien befassen sich regelmäßig speziell mit den Finanzen von Frauen. So etwa zeigt die Jugendstudie des Bankenverbandes, dass sich Mädchen stärker noch als Jungen in der Schule mehr Wissensvermittlung über finanzielle Dinge wünschen würden. Das Thema kehrt in der Bildungsdebatte immer wieder. Offenbar geschieht seit Jahren wenig bis nichts. Dabei müsste angesichts der Rentenprognosen für die nächsten Jahrzehnte dringend etwas geändert werden. Denn die staatliche Rente wird nicht ausreichen.

Die deutschen Sparkassen versuchen, ihre jüngeren Kundinnen zu mehr aktienbasierter Vorsorge zu bewegen. Dabei sei entscheidend, bestimmte Lebensrisiken finanzieller Art gesondert zu betrachten: fehlende Einkunfts- und damit Rentenzeiten wegen Kindererziehung, womöglich Einbußen durch Scheidung oder Zeiten geringeren Einkommens nach familiär bedingter Auszeit vom Beruf. Hier bereits proaktiv gegenzusteuern, sei wichtig im Anforderungsprofil von Anlageberatern, heißt es bei den Sparkassen. „Frauen brauchen nicht dringend auf sie zugeschnittene Finanzprodukte, sondern passgenaue Ansprachen und Services, die an ihren Lebenswirklichkeiten orientiert sind.“

Weniger Vermögen

Weltweit verfügen Frauen über erheblich weniger Vermögen als Männer. Eine Studie der US-Beratungsgesellschaft Willis Towers Watson (WTW) ermittelte Ende 2022 den sogenannten Gender-Wealth-Gap: die Lücke im Vermögen von Frauen gegenüber Männern zum Zeitpunkt des Renteneintritts. Danach besitzen sie in Europa durchschnittlich 23 Prozent weniger Vermögen als ihre Altersgenossen. Deutschland schneidet hierbei geringfügig schlechter ab als einige andere europäische Staaten, was die Studienautoren auf eine vergleichsweise höhere Zahl nicht berufstätiger Frauen hierzulande zurückführen.

Ein entscheidendes Merkmal scheint das Angebot an Kinderbetreuung im jeweiligen Staat zu sein – Deutschland liegt hier eher im unteren Bereich. Das geringere Vermögen deutet bereits an, dass auch bei der Höhe der Alterseinkünfte Frauen weniger zu erwarten haben als Männer, was statistisch auch belegt ist. Etwaige Nachteile auszugleichen oder gar nicht erst entstehen zu lassen, wäre also vordringlich eine Aufgabe für die Jüngeren. Und die Jüngeren in der Politik.

Um dem Problem abzuhelfen, haben sich bereits zahlreiche Organisationen gegründet. Das European Women Payments Network etwa forscht an frauenspezifischen Finanzdienstleistungen, sieht in digitalen, mobilen und sogenannten schwarmbasierten Lösungen eine Zukunft. „Female Finance“ bietet eine Chance vor allem auch für Frauen in Entwicklungsländern, denn zahlreiche Staaten verfügen zwar über weniger klassische Infrastruktur als die Industrieländer, sind dafür aber bei Digitalisierung und Mobilkommunikation weiter. Das Engagement geht über das Aufholen von Frauen in Sachen finanzieller Eigenständigkeit hinaus – neben dem Augenmerk auf speziell weibliche Bedürfnisse bei Finanzprodukten gilt als Ziel, weiblich geführte Start-ups zu fördern. Auch hier im digitalen und hippen Unternehmenssektor dominieren nämlich Männer.

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