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Finanzierung > Corona-Krise

Insolvenzrecht: Politik plant weitere Änderungen

Die Insolvenzantragspflicht ist aktuell wegen der Corona-Krise teilweise ausgesetzt. Die Bundesregierung erwägt zudem weitere Lockerungen – etwa bei der privaten Haftung für Geschäftsführer und Gesellschafter.

Bis Ende des Jahres sind wegen der Corona-Krise überschuldete Unternehmen von der Insolvenzantragspflicht befreit. Darauf hat sich das Kabinett diese Woche geeinigt. Damit gehen die seit März geltenden Lockerungen im Insolvenzrecht in die Verlängerung. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt allerdings ab Oktober nicht mehr für zahlungsunfähige Firmen. Zahlungsunfähig ist ein Unternehmen, wenn seine fälligen Verbindlichkeiten die freien liquiden Mittel um mehr als zehn Prozent übersteigen. Freie liquide Mittel sind ausschließliche Bankguthaben und freie Banklinien. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht möchte mit der Anpassung verhindern, dass etliche „Zombie-Unternehmen“ keinen Insolvenzantrag stellen: also Betriebe, die wirtschaftlich nicht überlebensfähig sind und von der Politik künstlich am Leben gehalten werden.

 

Die Änderung könnte aber auch dazu führen, dass eine Insolvenzwelle bei eigentlich gesunden Firmen eintritt. „Bei den wenigsten Unternehmen ist die Überschuldung das Problem“, sagt Robert Buchalik, Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Buchalik Brömmekamp Rechtsanwaltsgesellschaft. „Die meisten Firmen leiten wegen Zahlungsunfähigkeit ein Insolvenzverfahren ein.“ Um zu verhindern, dass es tatsächlich zu einer solchen Insolvenzwelle kommt, plant die Bundesregierung offenbar ein neues Gesetz. Ein Entwurf dazu liegt bereits vor. 

Das geplante Gesetz sieht unter anderem ein Corona-Moratorium vor. Zahlungsunfähige Unternehmen, die dies in Anspruch nehmen wollen, müssten sich von einem Steuerberater oder Rechtsanwalt bescheinigen lassen, dass sie 2019 weder zahlungsunfähig noch überschuldet waren. Außerdem muss der Umsatz seit März im Vergleich zum Vorjahr deutlich eingebrochen sein. Damit möchte der Gesetzgeber sicherstellen, dass nur durch das Coronavirus geschädigte Unternehmen davon profitieren. Das Moratorium gilt zunächst für drei Monate, kann aber verlängert werden. In dieser Zeit sind Zwangsvollstreckungen von Gläubigern nicht möglich. Stattdessen sollen die Betriebe versuchen, einen Schuldenschnitt mit den Gläubigern zu vereinbaren.

Neues Schutzschirmverfahren

Gelingt dies nicht, können die Unternehmen laut Gesetzentwurf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, das sogenannte Corona-Schutzschirmverfahren in Anspruch nehmen. Dieses Schutzschirmverfahren ist schon im Gesetz zur erleichterten Sanierung von Unternehmen (ESUG) vorgesehen. Anders als bei diesem Schutzschirm, der nur bei Überschuldung oder drohender Zahlungsunfähigkeit möglich ist, kann das Corona-Schutzschirmverfahren auch bei bestehender Zahlungsunfähigkeit genutzt werden. Ansonsten unterscheidet es sich aber nicht vom bisherigen Schutzschirmverfahren nach § 270b Insolvenzordnung (InsO):

 

  • Für drei Monate wird Insolvenzgeld gezahlt, was dem Unternehmen mit Blick auf die Liquidität weiterhilft.
  • Sozialabgaben und Umsatzsteuerzahllast werden während dieses Zeitraumes in der Regel nicht abgeführt.

Nach dem Ablauf von drei Monaten mündet das Corona-Schutzschirmverfahren in ein gerichtliches Eigenverwaltungsverfahren (§270 InsO). Demnach

 

  • können Dauerschuldverhältnisse wie Miet- und Leasingverträge mit einer Frist von maximal drei Monaten gekündigt werden;
  • ist ein Mitarbeiterabbau unter deutlich erleichterten Voraussetzungen möglich;
  • sind Sozialplankosten deutlich niedriger als außerhalb eines Corona-Schutzschirmverfahrens.

 

Am Ende des Verfahrens steht ein Sanierungsplan, der aufzeigt, wie das Unternehmen operativ und bilanziell saniert wird. Die ungesicherten Verbindlichkeiten werden dabei meist sehr weitgehend reduziert, das Unternehmen ist am Ende entschuldet und kann mit einem Neustart wieder angreifen.

Aufhebung der persönlichen Haftung

Ein weiterer wichtiger Eckpunkt des Gesetzentwurfs: Haftet der Geschäftsführer oder Gesellschafter persönlich für die Verbindlichkeiten, kann es durch Gerichtsentscheidung zu einer schnellen Restschuldbefreiung kommen, so dass der betroffene Unternehmer von den aufgenommenen Schulden persönlich schnell entlastet und nicht seine eigene wirtschaftliche Existenz vernichtet wird. Das gilt auch dann, wenn das Unternehmen nicht zu retten ist und liquidiert werden muss. 

Der Entwurf sieht vor, dass dieses neue Gesetz bereits am 1. Oktober in Kraft tritt, also zu dem Zeitpunkt, an dem zahlungsunfähige Unternehmen nicht mehr von der Insolvenzantragspflicht befreit sind. Damit müsste sich die Politik im Eiltempo auf die Änderungen verständigen. Rechtsanwalt Buchalik ist zuversichtlich, dass dies gelingt. „Letztlich hat der Bundestag gar keine andere Wahl, um eine Insolvenzwelle zu verhindern.“

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