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Finanzierung > Finanzinvestoren im Mittelstand

Für wen ist eine Mittelstandsholding der richtige Investor?

Private Equity? Nein, danke! Doch es gibt auch Finanzinvestoren, die sich langfristig und nachhaltig im Mittelstand engagieren. Aber wie sieht die lukrative „Ehe“ zwischen Investor und Unternehmen in der Praxis aus?

Es ging Jürgen Budde um eine Grundsatzfrage: Wie führe ich mein Unternehmen sicher in die nächste Generation? Der Chef des Bielefelder Familienunternehmens Budde Fördertechnik mit 230 Mitarbeitern und einem Umsatz von 70 Millionen Euro stand vor dem Problem, seinen Betrieb auch für die Zukunft finanziell auf kräftige Beine zu stellen und einen strategischen Partner an die Seite zu bekommen, der mit einem langfristigen Engagement der Belegschaft, dem Management und den Geschäftspartnern eine attraktive Perspektive bietet. Verehrer hatte die auf Paketverteilanlagen spezialisierte nordrhein-westfälische „Braut“ viele, insbesondere Private-Equity-Unternehmen.

„Aber ich wollte einen Gesellschafter, der von Banken unabhängig ist“, erinnert sich der 60-Jährige. Alles andere hätte ständige Reportings und Nachfragen bedeutet, das unternehmerische Laufen an kurzer Leine. Budde entschied sich daher für einen Verkauf an die Mittelstandsholding Indus. 75 Prozent überließen er und sein Bruder Wolf-Eckehard Budde dem Investor aus Bergisch-Gladbach. Vier Jahre ist das her. „Es war genau die richtige Entscheidung“, sagt der Firmenchef. „Die Zusammenarbeit und die Entwicklung unseres Unternehmens gestalten sich so, wie wir gehofft haben.“ Es gibt, so betont er, allerdings einige Punkte, die ein Mittelständler unbedingt beachten muss, wenn er unter das Dach einer Holding schlüpft: „Deswegen sollte man sich seinen künftigen Partner vorher genau anschauen.“

Renditegetrieben

Nach Angaben des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn gibt es in Deutschland rund 80.000 Unternehmen, die 50 bis 500 Mitarbeiter beschäftigen und bis zu 50 Millionen Euro Umsatz machen. Viele von ihnen scheuen das Rampenlicht, sind aber wirtschaftlich äußerst erfolgreich und besitzen einiges Wachstums-potential. Damit fallen sie ins Beuteschema von Investoren: Das können ausländische Private-Equity-Konzerne wie Apax, Blackstone oder Orlando Management sein, die zumeist keine dauerhaften Absichten haben, sondern bei passender Gelegenheit wieder aussteigen. Ihre Investitionen in deutsche Firmen sind oft nur kurz- bis mittelfristig und ausschließlich renditegetrieben.

Einen ähnlichen Anlagehorizont verfolgen, wenn auch nicht so rigide, Kapitalgeber wie Aurelius oder die Deutsche Beteiligungs AG. Sie begleiten ihre Portfoliounternehmen meist nur für drei bis sechs Jahre. Gänzlich anders die Strategie von Gesellschaften wie Indus, Gesco oder Max Automation: Sie investieren langfristig und haben nicht einen schnellen, profitmaximierten Exit im Fokus. Stattdessen steigen sie mit Mehrheits- oder Minderheitsbeteiligungen bei den Betrieben ein, um sie weiterzuführen. Das hindert sie freilich nicht daran, mit ihren Zöglingen regelmäßig satte, häufig zweistellige Renditen zu erwirtschaften. Besonders beliebt bei den Firmensammlern gleich welcher Couleur, Provenienz oder Investitionsstrategie sind Old-Economy-Perlen aus der Medizin- und Metalltechnik, der Mess- und Regeltechnik, dem Fahrzeug-, Maschinen- und Anlagenbau.

Als besonders attraktive Übernahmeziele gelten Mittelständler, die in ihren Nischen Weltmarktführer sind. Die häufigste Vorgehensweise bei der „Ehe“-Anbahnung: Die Investoren screenen die Branchen und durchforsten ihre Netzwerke. Wenn eine strategische Akquisition gewünscht, aber kein aussichtsreicher Kontakt vorhanden ist, gehen Suchaufträge an professionelle Dienstleister, die sich auf das Geschäft mit Mergers & Acquisition (M&A) spezialisiert haben. Manchmal macht auch der Mittelständler den ersten Schritt und ruft eine Mittelstandsholding direkt an. In seltenen Fällen hat er sogar bereits Kontakte zu sogenannten Investment-Boutiquen, die er mit der Suche nach einem Investor beauftragt.

Anschluss an die Holding

Es folgen eine detaillierte Prüfung und Bewertung des Betriebes und ein erstes Angebot, dann – bei gegenseitigem grundsätzlichem Interesse – die Verhandlungen, die im Schnitt zwei bis drei Monate dauern. Der Schluss: Vertragsunterzeichnung, Closing, Auszahlung des Kaufpreises. Wichtig für den Mittelständler, der sein Unternehmen verkauft: Er sollte sämtliche rechtlichen und steuerlichen Belange von Experten genau prüfen lassen. In welchen Phasen suchen erfolgreiche Mittelständler den Anschluss an eine Holding? Offen für Gespräche sind Unternehmen vor allem, wenn sie einen potenten Partner für eine Expansion brauchen oder für den ausscheidenden Firmeninhaber kein Nachfolger gefunden wird. Das war auch beim Fördertechnik-Spezialisten Budde der Fall. „Unsere Kinder waren noch nicht so weit, dass sie das Unternehmen sofort hätten weiterführen können“, erläutert Jürgen Budde. Durch den Einstieg von Indus habe man „Zeit gewonnen für die Nachfolgersuche“.

Sollten seine Kinder Interesse an der Geschäftsführung haben, können sie sich wie andere auch in einem offenen Verfahren um den Posten bewerben. Bevor er an Indus verkaufte, hat Budde viele Gespräche auch mit anderen Holdings geführt. Seine Zielsetzung war klar: „Für eine Lösung mit Hilfe von Banken und für Reporting-Meetings im Wochenrhythmus stand ich nicht zur Verfügung.“ Er wollte finanziellen Spielraum: „Bei einem Bürgschaftsvolumen von bis zu 25 Millionen Euro pro Jahr für Aufträge verliert man schnell Flexibilität, wenn man einen Partner hat, der nicht genauso sehr Unternehmer ist wie man selbst.“ Mit Indus an der Seite bekommt Budde, der Logistikdiensleister wie GLS und DPD zu seinen Kunden zählt, heute zudem bessere Konditionen von seinen Hausbanken: „Die bewerten bei der Risikobetrachtung nicht mehr allein unser Unternehmen, sondern die gesamte börsennotierte Indus Holding.“

Pläne statt Zahlen

Auch nach der Mehrheitsübernahme durch Indus ist Budde Geschäftsführer geblieben. Von seinem Seniorpartner aus dem Bergischen Land lässt er sich bei Finanzierung, Versicherungen und Strategie beraten. Außerdem arbeitet seit dem Einstieg der Beteiligungsgesellschaft ein Controller bei Budde und unterstützt die Geschäftsführung durch Zahlen und Statistiken. Synergien durch eine Zusammenarbeit mit den anderen 45 Portfoliounternehmen von Indus gibt es hingegen nicht.

„Das ist Indus-Philosophie“, erklärt Jürgen Abromeit, Vorstandsvorsitzender der Holding: „Jedes Unternehmen muss allein stark genug sein, um sich zu entwickeln.“ Alle sechs Wochen sprechen er und Budde – „aber nicht über Zahlen, sondern Pläne“, betont der mittelständische Unternehmer: „Ins operative Geschäft mischt sich niemand ein, das ist unverändert.“ Die Kommunikation erfolge partnerschaftlich und auf Augenhöhe ohne vertragliche Reporting-Vorgaben: „Auch als Minderheitsbeteiligter bin ich noch immer Herr in meinem Haus.“ Das ist anders, so weiß Budde, „wenn eine Beteiligungsgesellschaft dem Firmenchef einen Geschäftsführer aus ihren Reihen an die Seite stellt“.

Klare Regeln helfen bei der Umsetzung

Nicht immer gehen die „Ehen“ zwischen Mittelständlern und Champion-Sammlern gut. Häufig haben Firmenchefs nicht mehr das alleinige Sagen, sondern müssen sich Investitionen genehmigen lassen und Berichtspflichten einhalten. Auch unterschiedliche Auffassungen über die strategische Ausrichtung können zu Spannungen führen. Oliver Vollbrecht, Investor-Relations-Manager von Gesco, einer Holding mit Unternehmen der Investitionsgüterindustrie, rät daher: „Für solche Fälle sollte man bei Vertragsabschluss klare Spielregeln festgelegt haben.“ Dazu gehören für alle Seiten verbindliche Vereinbarungen zu den wichtigsten Fragen wie: Wer darf was entscheiden, etwa bei Investitionen oder Personalmaßnahmen?

Auch die Berichtspflichten sollten „sauber definiert sein“, empfiehlt Vollbrecht. Im gegenseitigen Einvernehmen sollte geklärt werden, welche Art von Informationen der neue Eigentümer bis zu welchem Zeitpunkt benötigt und zur Verfügung gestellt bekommt. Ein Beispiel für eine misslungene Übernahme ist die des Schnurlostelefon-Herstellers Gigaset durch die Beteiligungsgesellschaft Arques. Diese hatte zunächst 80 Prozent an Gigaset erworben, sich dann aber sowohl mit dem Geschäftsführer José Costa e Silva als auch mit dem Elektronikkonzern Siemens überworfen, dem noch knapp 20 Prozent an Gigaset gehörten.

Die drei Parteien konnten sich nicht auf eine Geschäftsstrategie einigen. Arques hielt sich daraufhin nicht an eine bereits zugesagte Finanzhilfe an Gigaset in Höhe von 20 Millionen Euro. Es folgten wechselvolle Zeiten mit Restrukturierungen und Unternehmensumbauten. Nie wieder konnte der einstige Star des deutschen Mittelstands an seine glänzenden Jahre anknüpfen. Mittlerweile befindet sich der Mittelständler in Händen eines chinesischen Großinvestors.


Der Text gehört zu einem Thema aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 6/2017. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.

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