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Finanzierung > Corona-Krise

Mittelstand kämpft mit Milliardenverlusten

Während des Lockdowns aufgrund des Coronavirus verloren deutsche Mittelständler mindestens 75 Milliarden Euro Umsatz – im ersten Monat. Wie sollen die Firmen nun den Aufschwung nach der Krise finanzieren?

Die Zahlen sind erschreckend: Im März mit nur neun Tagen Lockdown haben mittelständische Unternehmen in Deutschland zwischen 75 Milliarden und 85 Milliarden Euro an Umsatz verloren. Dies geht aus einer Sonderbefragung der KfW hervor, die Anfang April von der Förderbank durchgeführt wurde. Demnach verzeichneten fast 60 Prozent der Mittelständler im März größere Umsatzeinbußen – im Handel sind es fast 70 Prozent. 

Im Durchschnitt ging kleinen und mittleren Firmen so etwa die Hälfte der üblicherweise in diesem Monat zu erwartenden Umsätze verloren. 118.500 Euro weniger Umsatz erzielte beispielsweise ein Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe in dieser Zeit – und dass, obwohl die Wirtschaft die Auswirkungen der Corona-Krise erst gegen Ende des Monats zu spüren bekam. Der nationale Lockdown, mit dem auch die Schließung der Geschäfte für den Non-Food-Bereich einherging, wurde am 23. März ausgerufen. Die KfW erhob die Zahlen Anfang April. Sofern die Umsatzeinbrüche weiterhin auf ähnlich hohem Niveau verblieben, reichten die eigenen Liquiditätsreserven bei der Hälfte der Unternehmen nur noch bis Ende Mai, so ein Ergebnis der KfW-Analyse. 

„Das ist erst der Anfang. Im April und im Mai werden die Lücken noch deutlich größer werden“, prognostiziert Albrecht Bacher. Er ist Partner bei der Wirtschaftskanzlei Menold Bezler und berät als Wirtschaftsprüfer kleinere und große Mittelständler. „Vielen Unternehmen fehlt die Substanz, um eine solche Krise durchzufinanzieren“, sagt er. Zahlreiche Industrieunternehmen aus unterschiedlichen Geschäftszweigen wie auch Dienstleistungsunternehmen bräuchten nun ein nie dagewesenes Durchhaltevermögen, so der Prüfer.

Finanzpolster abbauen

Die abzusehenden Liquiditätsengpässe können Mittelständler zunächst durch Eigenkapital abfedern, erläutert KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib: „Die in den vergangenen Jahren aufgebauten Finanzpolster helfen in der aktuellen Krise, Verluste temporär zu verkraften und den Druck auf die Liquidität zu mindern.“ Danach helfe Fremdkapital bei der Überbrückung der Umsatzausfälle. Laut KfW erleichtern hohe Eigenkapitalquoten – und die damit verbundene höhere Bonität – die Beschaffung von Fremdkapital.

In der Gesamtbetrachtung des Instituts ist die Eigenkapitalquote im Mittelstand seit vielen Jahren kontinuierlich gestiegen. Aktuelle Zahlen der KfW zeigen, dass die Eigenkapitalquote zwischen 2002 und 2018 um 13 Prozentpunkte auf aktuell 31 Prozent geklettert ist. Doch eine gut gepolsterte Eigenkapitaldecke haben nicht alle. Gerade bei den Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten schwankt die Quote der eigenen Mittel im Gegensatz zu den größeren Firmen seit vielen Jahren– derzeit steht sie in etwa auf dem Niveau von noch vor zehn Jahren bei 22 Prozent. 

Die Beschaffung von Kapital, insbesondere Fremdkapital, sei für Unternehmen in Krisenzeiten natürlich eine Herausforderung, sagt auch Köhler-Geib. „Allerdings zeigen die aktuellen Zahlen der EZB zur Kredit- und Geldmengenentwicklung in der Eurozone eine Ausweitung der Kredite an den Unternehmenssektor.“ Sie bezieht sich auf die kürzlich von der EZB veröffentlichten Zahlen zu den „Monetary Developments“. „Die Banken haben den Unternehmen in Deutschland 5,6 Prozent mehr Mittel zur Verfügung gestellt als vor Jahresfrist“, sagt die KfW-Chefvolkswirtin. Sie geht davon aus, dass davon Unternehmen aller Größenklassen profitieren konnten.

Unternehmen unter Druck

Wirtschaftsprüfer Bacher ist sich nicht sicher, ob die bereitgestellten Mittel ausreichen. Zumindest in der breiten Fläche des Mittelstandes stehen derzeit insbesondere die Unternehmen mit schwacher Kapitalausstattung enorm unter Druck. „Die Industrieunternehmen fahren die Produktion zwar gerade wieder hoch, dennoch kommt es zu enormen Verzögerungen in der gesamten Zulieferkette.“ In einzelnen Branchen, insbesondere im Maschinenbau und bei den Automobilzulieferern, seien bereits vor der Corona-Krise konjunkturell und strukturell bedingte Rückgänge der Auftragslage deutlich spürbar gewesen. Jetzt habe sich die Auftragslage in einzelnen Branchen teilweise nochmals dramatisch verschlechtert. „So schnell kann ein Unternehmen mit Kurzarbeit und Inanspruchnahme finanzieller Hilfen gar nicht reagieren, um die größer werdenden Lücken zu schließen“, sagt der Wirtschaftsprüfer. 

Entspannung sollen nun die Lockerungen der Beschränkungen bringen, fraglich ist jedoch, ob das ausreicht. „Eine Rückkehr zum Vor-Corona-Alltag wird für die meisten nicht reibungslos möglich sein. Niedrigere Umsätze und Liquiditätsengpässe dürften die Mittelständler auch in den nächsten Wochen begleiten“, bestätigt Fritzi Köhler-Geib. Dennoch lasse die aktuelle schrittweise Rückführung der Corona-bedingten Eindämmungsmaßnahmen auf eine Entspannung im Mittelstand hoffen. „Viele Unternehmen können ihr Geschäft wieder aufnehmen“, so die KfW-Chefvolkswirtin.

Kein Kapital für Aufschwung?

Wirtschaftsprüfer Albrecht Bacher ist auch im Hinblick auf eine schnelle Rückkehr zur Normalität etwas weniger optimistisch. Lockerungen seien sinnvoll und notwendig, so Bacher, aber die Unternehmen müssten diese auch wirtschaftlich bewältigen können. Er geht davon aus, dass sich die Finanzierungsprobleme von Mittelständlern gerade dann weiter vergrößern, wenn die Wirtschaft wieder hochfährt. „Aktuell können die Firmen ihre Verluste noch über die Hilfspakete finanzieren und sich so über Wasser halten. Doch wie sollen sie den Aufschwung bezahlen und die zur Verlustdeckung erhaltenen Finanzierungshilfen künftig zurückzahlen?“, fragt der Prüfer. Gerade dann, wenn die Lockerungen greifen, müssten Betriebe Waren bestellen, Personal- und Sachkosten bedienen. Und aktuell fehle ihnen dazu schlichtweg das Geld. „Die fehlenden Umsätze seit Ende März und drohende Zahlungsausfälle lassen eine enorme Finanzierungslücke entstehen“, sagt er. Hierfür müsse die Politik noch einmal Betriebsmittelfinanzierungen bereitstellen, die sicherstellen, dass der Aufschwung gelingt. „Ansonsten fallen Mittelständler von einem Loch in das nächste“, sagt Bacher. 

Für mittelständische Unternehmen sei es daher gerade in dieser Phase des Wiederanlaufs enorm wichtig, dass Finanzierungsmittel in ausreichendem Umfang zugänglich sind, sagt Bacher. „Dass Staatshilfen richtig verteilt werden, ist hierbei eine wichtige Voraussetzung.“

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