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Präventive Sanierung statt Insolvenz

Trotz aller Verwerfungen durch die Corona-Pandemie ist die vielfach erwartete Welle von Insolvenzen bislang ausgeblieben. Doch erst wenn die letzten Überbrückungshilfen ausgelaufen sind, wird sich zeigen, welche Unternehmen die Krise tatsächlich überwunden haben.

Ein Insolvenzverfahren ist im Fall des Falles zwar durchaus geeignet, einen Betrieb und dessen Arbeitsplätze zu erhalten, für viele Mittelständler ist das jedoch ein regelrechtes Schreckgespenst – sie fürchten vor allem Schäden für die eigene Reputation. Hier kann die seit Anfang des Jahres gesetzlich ermöglichte "präventive Sanierung" einen Ausweg bieten. Ihr Charme: es handelt sich um ein Verfahren, das im Grundsatz nicht öffentlich abläuft und das zudem Mehrheitsbeschlüsse auch gegen das Veto einzelner Gläubiger möglich macht. Noch gibt es nur wenige Anwendungsfälle, ein aktuelles Beispiel ist die präventive Sanierung der Eterna Mode Holding, die nur deshalb bekannt wurde, weil Eterna als Emittentin einer Anleihe adhoc-pflichtig ist.

Ein wesentlich repräsentativeres Beispiel ist das erst kürzlich abgeschlossene präventive Sanierungsverfahren bei einem norddeutschen Logistik-Unternehmen, das naturgemäß ungenannt bleiben möchte. Nachdem sich der Umsatz der Hauptgesellschaft von ursprünglich rund 40 Millionen Euro auch infolge der Corona-Krise halbiert hatte, war eine umfassende Restrukturierung unumgänglich, ein Minderheitsgesellschafter und Darlehensgeber jedoch blockierte die notwendigen Sanierungsschritte.

Bisher ein klassischer Fall für eine Insolvenzanmeldung, stattdessen engagierte der Geschäftsführer eine Restrukturierungsberatung mit der Erstellung eines Restrukturierungsplans nach neuem Recht. Um die Sanierung mit Mehrheitsentscheid umsetzen zu können, müssen laut StaRUG (Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen) 75 Prozent der Gläubiger und eine Mehrheit der involvierten Gläubigergruppen diesen Weg mitgehen. Weil im aktuellen Fall des Logistik-Unternehmens absehbar war, dass die Restrukturierung gegen den Willen eines Gläubigers durchgesetzt werden musste, bestellte das zuständige Amtsgericht mich als sog. "Restrukturierungsbeauftragten", um das Verfahren zu begleiten.

Wir hatten es mit drei Gläubigergruppen zu tun: Gruppe eins umfasste die Tochter- und Schwesterunternehmen, die Forderungen gegen die Mutter hatten, dem Sanierungsvorhaben aber nicht im Wege standen. In einer weiteren Gruppe waren die zerstrittenen Anteilseigner vertreten. Der 75-Prozent-Gesellschafter unterstützte das Vorhaben, sodass es – StaRUG sei Dank –auf die Abstimmung in der dritten Gruppe, in der die Altgesellschafter mit anteiligen Darlehen vertreten waren, nun nicht mehr ankam. Dank des neuen Verfahrens konnte also die auf Gesellschafterebene entstandene Blockade aufgelöst werden. Der Plan sah im Übrigen vor, dass beide Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheiden und ein neuer Investor als Gesellschafter aufgenommen wurde.

Dem Restrukturierungsplan entsprechend verzichteten die Tochtergesellschaften schlussendlich auf rund 40 Prozent ihrer Forderungen und die Gesellschafterdarlehen wurden auf null gestellt. Über eine Kapitalerhöhung kam anschließend der Investor an Bord – alles unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Eine öffentliche Diskussion, so der Geschäftsführer, hätte Kunden und Mitarbeiter verunsichern können, das nicht-öffentliche Procedere war für ihn ein "entscheidender Vorteil".

Insgesamt dauerte das Verfahren keine drei Monate, war aber minutiös vorbereitet. Eine gute Vorbereitung ist unabdingbar, das gilt allen voran für die Suche nach den notwendigen Mehrheiten: Wenn man die falschen Gläubiger anspricht und die erforderliche Mehrheit nicht bekommt, dann ist das gesamte Verfahren auf Sand gebaut.

Und natürlich ist das präventive Sanierungsverfahren nicht ganz umsonst zu haben, für die Berater fallen natürlich ebenso Kosten an wie für das Gericht, den durch das Gericht eingesetzten Restrukturierungsbeauftragten und für die Erstellung der erforderlichen Planungsrechnungen. Daher ist das neue Verfahren in der Regel eher keine Option für kleine Unternehmen, angesichts von Kosten für die Vorbereitung und Durchführung, die nicht selten im sechsstelligen Bereich liegen dürften.

Nicht zu unterschätzen ist jedoch ein weiterer Effekt des neuen Verfahrens: Es kann die perfekte Drohkulisse darstellen. In vielen Konstellationen aus der Beraterpraxis führt bereits schon die Möglichkeit der Durchführung des neuen Verfahrens zu einem Umdenken der handelnden Akteure und erleichtert damit die Aussichten auf eine Sanierung/ Restrukturierung außerhalb eines klassischen Insolvenzverfahrens.

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