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Finanzierung > Mittelstandsfinanzierung

Schuldscheine im Mittelstand: Für wen sich eine solche Finanzierung lohnt

Einen Rekord nach dem anderen fährt der Schuldscheinmarkt ein. Gerade wachstumsstarke Firmen können das Instrument nutzen. Das müssen an dem Finanzierungsinstrument interessierte Mittelständler beachten.

Mehr Freiheit  - das war es, was die mittelständische Hoftex Group zum ersten Mal an den Schuldscheinmarkt lockte. „Wir konnten unser Finanzierungsvolumen durch das Schuldscheindarlehen von 40 Millionen auf 50 Millionen Euro aufstocken“, erklärt Jacques van den Burg, Finanzchef bei dem Textilunternehmen mit Sitz im bayerischen Hof an der Saale. Und sparen kann der industrielle Mittelständler, der einen Umsatz von rund 180 Millionen Euro pro Jahr erwirtschaftet, dabei auch noch: Im Vergleich zur vorhergehenden Finanzierungsstruktur zahlt das bayerische Unternehmen jedes Jahr eine halbe Million Euro weniger Zinsen.

Der eigentliche Clou ist aber ein anderer: Der Schuldschein ist unbesichert. Zuvor war Hoftex über besicherte Verbindlichkeiten und Gesellschafterdarlehen finanziert, die das Unternehmen nun zum Teil zurückzahlen kann. Damit werden Sicherheiten wieder frei. Dieser positive „Nebeneffekt“ macht den Schuldscheinmarkt für mittelständische Unternehmen attraktiv.

Rekordjahr 2016

Hoftex ist beileibe nicht das einzige Unternehmen, das sich im vergangenen Jahr für dieses Finanzierungsinstrument entschied. 2016 war ein neues Rekordjahr für den Schuldschein: Rund 28 Milliarden Euro wurden an dem Markt emittiert, schätzen Experten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Die Angaben zum Markt variieren, da nicht alle Transaktionen öffentlich sind.

Wichtige Treiber für den Schuldschein-Boom sind Großkonzerne wie jüngst der Gesundheitskonzern Fresenius oder die Lufthansa. Sie haben die Finanzierungsform, die ursprünglich eher ein Instrument für den Mittelstand war, für sich entdeckt und nutzen den Schuldschein neben Anleihen und Krediten. Daneben stoßen auch ausländische Emittenten verstärkt in den Markt.

Für viele Mittelständler ist der Schuldschein ein erster Schritt in den erweiterten Kapitalmarkt. „Emittenten können sich neue Investoren erschließen, die bisher nicht beim Unternehmen engagiert waren“, sagt Karl-Heinz Bühner, der bei der LBBW für Privatplatzierungen von Unternehmensschuldscheinen verantwortlich ist. Unternehmen könnten sich so unabhängiger von ihren Banken machen. 

Bei starkem Wachstum, einer Krise oder wenn ein Gesellschafter abgelöst werden soll, kann sich auch der Einstieg einer Private-Equity-Gesellschaft lohnen. Und zwar für beide Seiten.

Etablierte Mindestvolumina

Für Mittelständler fällt bei einer Entscheidung zwischen Konsortialkredit und Schuldschein ein weiteres Argument ins Gewicht. „Viele Unternehmen sehen es als Vorteil, ihre Kreditvereinbarungen einzeln zu verhandeln“, berichtet er. Sobald ein Konsortialkredit abgeschlossen ist, gilt eine Gleichbehandlungsklausel unter den Banken. Die Konditionen können somit bei einem Institut grundsätzlich nicht mehr günstiger sein als bei einem anderen. Allerdings verzichtet dafür jede der Konsortialbanken in der Regel auch auf ihr individuelles Kündigungsrecht, schränkt Bühner ein.

Im Schuldscheinmarkt haben sich inzwischen gewisse Mindestvolumina etabliert. „Ein Schuld- schein sollte mindestens 20 Millionen Euro schwer sein“, so Bühner. In einigen Fällen sind auch kleinere Transaktionen möglich. „Die werden dann allerdings häufig als Clubdeal geschlossen, also nicht unter einem breiteren Investorenkreis vermarktet, sondern etwa bei einigen wenigen Banken platziert“, sagt Bühner.

Allzu klein sollten die Unternehmen jedoch nicht sein, betont Jörg Senger, der bei der BayernLB den Bereich Capotal Markets leitet, denn: „Bei einem Investorentag oder auch in Einzelgesprächen während der Vermarktung müssen die Mittelständler Rede und Antwort stehen.“ Dazu müsse die Finanzabteilung ausreichend agil sein und genug Ressourcen haben, um die Kommunikation mit den Anlegern („Investor-Relations“) dauerhaft ausfüllen zu können.

Externes Rating nicht nötig

Neben der schieren Unternehmensgröße entscheidet auch die Bonität darüber, ob ein Unternehmen für den Schuldscheinmarkt geeignet ist. Ein externes Rating ist zwar nicht nötig, doch die Bonitätseinschätzungen der Banken sollten überdurchschnittlich sein. „Vor einigen Jahren kamen nur Unternehmen mit einem impliziten Investmentgrade dafür in Frage“, sagt Torsten Aul, Leiter des Bereichs Syndication der IKB. Mit dem Boom am Schuldscheinmarkt hat sich das gewandelt. Mittlerweile können auch Unternehmen am Markt aktiv werden, deren Bonität leicht unter den Topnoten liegt, wenn sie gewisse Bedingungen erfüllen. „Sie sollten eine überzeugende Wachstumsstory erzählen können“, betont Aul.

Ein Mittelständler, der im vergangenen Jahr an den Markt ging, ist Edel. Das mittelständische Hamburger Medienunternehmen, das CDs, Vinylschallplatten, Bücher und Videos produziert, verlegt und vermarktet, hat kurz vor Weihnachten 2016 erstmals Schuldscheindarlehen platziert und dabei 21 Millionen Euro eingesammelt. „Wir haben Schuldscheine mit drei- und fünfjähriger Laufzeit platziert“, berichtet Timo Steinberg, Finanzchef des Unternehmens. Mit den frischen Mitteln zahlte Edel Ende Februar 2017 vorzeitig eine Mittelstandsanleihe zurück, die mit 7 Prozent verzinst war. Für den Schuldschein fallen aktuell nur 3,2 bis 3,4 Prozent an. Im laufenden Geschäftsjahr ist der Effekt aufgrund der kurzzeitig höheren Verschuldung und der Transaktionskosten gering, Steinberg rechnet aber ab dem Geschäftsjahr 2017/2018 mit einer Ersparnis von bis zu 800.000 Euro pro Jahr durch die günstigere Finanzierung.

Finanzierung kann teurer werden

Einen Knackpunkt gab es allerdings bei der ersten Schuldscheinemission des Unternehmens. In Schuldscheinen sind Finanzklauseln (Financial Covenants) weitgehend Standard. Sie enthalten Vorgaben zu Mindestwerten, zum Beispiel bei der Eigenkapitalquote, zum maximalen Verschuldungsgrad oder schreiben die Einhaltung weiterer Kennzahlgrenzen fest. Wenn sie nicht eingehalten werden, haben die Investoren meistens das Recht, den Schuldschein vorzeitig zu kündigen.

Das wollte Edel aber auf keinen Fall akzeptieren, da sich das Unternehmen in einem größeren Investitionsprogramm befindet. „Statt mit einem Kündigungsrecht der Investoren sind die Financial Covenants bei Edel jetzt mit einem Zinsanstieg verknüpft“, erklärt Torsten Aul von der Mittelstandsbank IKB, die die Transaktion begleitet hat. Die Finanzierung kann also teurer werden, aber nicht direkt wegbrechen. Aul geht davon aus, dass diese Art der Vertragsgestaltung am Schuldscheinmarkt weiter zunehmen wird.

Einstieg ehemaliger Mini-Bond Emittenten

Ein weiterer Trend, der sich bereits im vergangenen Jahr manifestiert hat: Auch kapitalmarkterfahrene Mittelständer setzen zunehmend auf den Schuldschein. Es gibt einige Beispiele für Emittenten, die dem kriselnden Mini-Bond-Markt den Rücken kehren. Dazu zählen neben Edel auch der Baukonzern Helma Eigenheimbau und das Pharmaunternehmen Sanochemia.

Einige Marktbeobachter beäugen den Einstieg von ehemaligen Mini-Bond-Emittenten in den Schuldscheinmarkt allerdings auch kritisch. Sie befürchten, dass die schlechten Nachrichten aus dem Anleihe-Segment exportiert werden könnten. Jörg Senger von der BayernLB sieht die Entwicklung aber entspannt: „Die Banken, die Schuldscheintransaktionen begleiten, filtern immer noch sehr stark, welche Emissionen Sie an den Markt begleiten“, erklärt er. Außerdem ist die Investorenschaft bei Schuldscheinen ausschließlich professionell, Privatanleger können nicht einsteigen.

Der Schuldschein ist ein flexibel gestaltbares Finanzierungsinstrument. Außerdem verlangt er nur wenige bürokratische Formalia: Seine Dokumentation ist mit 25 Seiten schlank. Für Mittelständler ist der Schuldschein damit eine interessante Option, um die Finanzierung des Unternehmens auszubauen und zu diversifizieren. Einen neuen Rekord erwarten die Experten für 2017 zwar nicht. „Der Markt wir aber weiterhin sehr aktiv und aufnahmefähig bleiben“, ist sich LBBW-Experte Karl-Heinz Bühner sicher. Mit einem jähen Absturz des beflügelten Marktes sei nicht zu rechnen.

Der Schuldschein: Das müssen Mittelständler beachten

Mindestvolumen
: meist ab 20 Millionen Euro, Ausnahmen möglich

Dokumentation: schlanker Vertrag über 25 Seiten, keine Prospektpflicht

Struktur: unbesichert, stattdessen häufig Finanzklauseln („Financial Covenants“)

Laufzeiten
: zwischen zwei und sieben Jahren

Verzinsung: fixe und variable Verzinsung möglich

Investoren: Sparkassen, Geschäftsbanken, Versicherungen

Rating: kein externes Rating notwendig

Der Text basiert auf einem Artikel aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 3/2017. Hier können Sie das Heft, das am Freitag (3. März 2017) erscheint, bestellen und Markt und Mittelstand abonnieren.

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