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Finanzierung > Anreize für Arbeitnehmer

Unternehmen können Mitarbeiter mit Beteiligungen an sich binden

Beteiligungsprogramme für Mitarbeiter können die Attraktivität von Unternehmen steigern. Wie viele Mitbestimmungsrechte den Angestellten gewährt werden, lässt sich vorab festlegen – denn Ausgestaltungsmöglichkeiten gibt es viele.

Jedes Jahr kurz vor Weihnachten stehen die Mitarbeiter des Arzneiverpackungsmittelherstellers August Faller vor der Wahl, ob sie stille Gesellschafter ihres Arbeitgebers werden wollen. Ab einer Mindestanlage von 300 Euro können sie sich an dem Erfolg des Unternehmens beteiligen. „Die Mitarbeiterkapitalbeteiligung steigert unsere Attraktivität als Arbeitgeber in der Region und ist eine Motivation für die Beschäftigten“, sagt Michael Faller, Geschäftsführer des Mittelständlers aus dem baden-württembergischen Waldkirch.

2014 hat das Unternehmen das Beteiligungsprogramm eingeführt. Wer schon mindestens ein Jahr lang im Betrieb beschäftigt ist, kann Geld anlegen. Je nachdem, wie viel ein Mitarbeiter investiert, legt August Faller noch bis zu 360 Euro obendrauf. Das ist der Höchstbetrag, den Arbeitgeber ihren Angestellten steuer- und sozialabgabenfrei für die Vermögensbildung beim Abschluss der Anlage zukommen lassen dürfen. Bis zu drei Bruttomonatsgehälter dürfen die Mitarbeiter insgesamt einzahlen. Mindestens fünf Jahre lang müssen sie dann ihr Investment halten. Die Verzinsung beträgt nominal 4 Prozent, ist aber an das EBIT des Unternehmens gekoppelt, also den Gewinn oder Verlust vor Steuern und Zinsen. Laufen die Geschäfte des Mittelständlers gut, steigt auch die Rendite der Anleger. Macht der Mittelständler hingegen Verlust, rutscht die Verzinsung unter die Vier-Prozent-Marke. Bis die Mitarbeiter mit ihrer Beteiligung faktisch Geld verlieren, müssen die Geschäfte über mehrere Jahre hinweg schlecht laufen. „Das Risiko für unsere Mitarbeiter ist durch diese Regelung sehr gering“, sagt Faller, „und unsere Verzinsung liegt deutlich über dem marktüblichen Niveau.“

Verschiedene Modelle

Das Beteiligungsmodell von August Faller ist nur eines von vielen. „Das Spektrum der Möglichkeiten, die Mitarbeiter über Beteiligungen an das Unternehmen zu binden, ist ziemlich breit“, sagt Ronny Jänig, Rechtanwalt für Gesellschafts- und Handelsrecht bei der Kanzlei Rose & Partner. Mittelständler müssen sich zunächst entscheiden, in welcher Form sie ihre Mitarbeiter beteiligen möchten: Dies kann vom wirtschaftlichen Erfolg abhängen, wie es August Faller praktiziert. Die Beteiligung kann sich aber auch auf die Wertentwicklung des Unternehmens beziehen. Das lohnt sich vor allem bei stark wachsenden Unternehmen, die aufgrund einer regen Investitionstätigkeit über einen längeren Zeitraum keinen Gewinn machen. Wer seine Angestellten nicht nur finanziell beteiligen will, sondern ihnen auch ein Mitspracherecht bei den unternehmensstrategischen Entscheidungen einräumen möchte, kann sie zu Gesellschaftern der Firma machen.

Diesen Weg wählen aber nur wenige Mittelständler. Einer von ihnen ist der IT-Dienstleister Double Slash. Anfang des Jahres gründete das Unternehmen eine Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft auf Aktien. An dieser Gesellschaft DSMB AG können die Mitarbeiter Anteile erwerben und so, indirekt, zu Miteigentümern von Double Slash werden. Aktuell gehört DSMB ein Viertel von Double Slash. Geführt wird die Gesellschaft von Christian Schmid und Michael Rotter, die „im Brotberuf“ als Controller beziehungsweise Business-Consultant bei Double Slash arbeiten. Untereinander handeln können die Mitarbeiter ihre Aktien nicht. Auch dürfen die Anteile nur an die Beteiligungsgesellschaft zurückverkauft werden. Der Wert der Papiere bestimmt sich über eine mathematische Formel, in die jedes Jahr die aktuellen Unternehmensdaten einfließen. „Durch die finanzielle Beteiligung entsteht eine zusätzliche und auch emotionalere Identifikation mit dem eigenen Unternehmen“, sagt Konrad Krafft, einer der Gründer und Geschäftsführer von Double Slash.

Formen der Mitarbeiterbeteiligung

  • Belegschaftsaktien: ca. 0,9 Millionen Mitarbeiter in 700 Unternehmen
  • Stille Beteiligung und Genussrechte: ca. 1,1 Millionen Mitarbeiter in 3.500 Unternehmen
  • Weitere seltenere Formen: Mitarbeiterguthaben, Genossenschaften, GmbH-Anteile, Mitarbeiterdarlehen

Quelle: Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung

Bei den Gesellschafterversammlungen werden die Angestellten durch die Vorstände der Beteiligungsgesellschaft vertreten. „Es ist schon etwas anderes, ob die Mitarbeiter nur finanziell beteiligt sind oder ob sie tatsächlich, wie bei uns, als Gesellschafter mit am Tisch sitzen“, sagt Krafft. „Ich merke in den vielen Gesprächen mit den Mitarbeitern, wie hochmotiviert sie sind. Wichtig ist uns, dass sich die Mitarbeiter als Teil des Ganzen verstehen und darum auch die Früchte ihrer Arbeit ernten“, ergänzt Christian Schmid aus dem DSMB-Vorstand. Mit einem Anteil von 25 Prozent besitzt DSMB allerdings keine Sperrminorität bei wichtigen Entscheidungen, kann also bei den Gesellschafterversammlungen überstimmt werden.

Keine Mitsprache

Stimmrechte möchten viele Mittelständler ihren Angestellten nicht einräumen. „Wenn sie das Wort Mitarbeiterbeteiligung hören, denken viele Unternehmer: Mein Gott, dann können alle mitreden, das ist nichts für mich“, sagt Heinrich Beyer, Geschäftsführer des Bundesverbandes Mitarbeiterbeteiligung mit Sitz in Kassel. „Dabei ist das nicht der Fall. Stille Gesellschafter beispielsweise sind nur finanziell am Unternehmen beteiligt.“ Anders als Gesellschafter werden stille Gesellschafter auch nicht ins Handelsregister eingetragen, was den bürokratischen Aufwand reduziert. Bedenken über zu viele Mitspracherechte der Angestellten sind für Beyer ein Grund dafür, dass nur 2 Prozent der deutschen Unternehmen ihre Mitarbeiter überhaupt in irgendeiner Form beteiligen, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung herausgefunden hat.

Rosemarie Kay, stellvertretende Geschäftsführerin des Instituts für Mittelstandsforschung, sieht noch weitere Ursachen für die geringe Verbreitung. „Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass Mitarbeiterbeteiligung generell zu einer höheren Motivation der Mitarbeiter oder zu einem größeren Unternehmenserfolg führt“, betont sie. Im Gegenteil: Wer seine Mitarbeiter am Unternehmen beteilige und wenn die Geschäfte schlecht liefen, entstehe viel Konfliktpotential, sagt Kay. „Daher sehe ich keinen Grund, weshalb in Zukunft mehr Mittelständler auf eine Mitarbeiterbeteiligung setzen sollten.“

Michael Faller ist hingegen von der Mitarbeiterbeteiligung überzeugt – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels: „Ich glaube durchaus, dass wir durch die Beteiligungsscheine unsere Attraktivität als Arbeitgeber verbessern. Ob das die Motivation der Mitarbeiter steigert und sie länger ans Unternehmen bindet, ist allerdings schwer messbar“, gibt er zu. „Wir sehen jedoch positive Indizien.“

Problemfall Jobwechsel

Die simpelste Möglichkeit, eine Mitarbeiterbeteiligung im Unternehmen einzuführen, ist die Aufnahme von variablen Vergütungskomponenten in die Arbeitsverträge. In diesem Fall erhalten die Mitarbeiter einen vorab festgelegten Prozent- oder Promillesatz vom Unternehmensgewinn. „Diese Regelung ist rechtlich unkompliziert. Diesen einfachen Weg übersehen allerdings viele Unternehmen“, sagt Rechtsanwalt Jänig.

Wer seinen Mitarbeitern, wie Double Slash, Anteile verkauft, sollte die Berechnungsformel für die Wertentwicklung intern offenlegen, damit die Angestellten sie nachvollziehen können. Der Vorteil einer Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft: Für das „Mutterunternehmen“ gibt es nur einen zentralen Ansprechpartner. Die Gründung selbst ist mit einigem Aufwand verbunden und bedarf unbedingt juristischer Begleitung.

Weitere Informationen

 

Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung

Tel. 05 61 / 93 24 25-0, info@agpev.de, www.agpev.de

 

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

Tel. 030 / 340 60-65 60, www.existenzgruender.de

Wichtig ist auch, dass vertraglich genau festgelegt ist, was mit der Beteiligung beim Ausscheiden eines Mitarbeiters geschieht. Die meisten Mittelständler möchten dann die Anteile wiederhaben. Ohne zuvor getroffene Vereinbarung ist dies jedoch schwierig. Denn rein rechtlich gesehen, steht dem früheren Angestellten eine einmal erworbene Beteiligung am Unternehmen auch nach seinem Ausscheiden zu. Allerdings sind Klauseln, wonach der ehemalige Angestellte seine Anteile zu Marktpreisen an seinen ehemaligen Arbeitgeber oder die Beteiligungsgesellschaft verkaufen muss, rechtlich zulässig.

Vorbereitung wichtig

Die Einführung einer Mitarbeiterbeteiligung erfordert eine gewisse Vorlaufzeit. Das Vorhaben muss intern kommuniziert werden, damit sich auch viele Mitarbeiter beteiligen. Der Verpackungshersteller August Faller hat daher vor der Einführung eine Art Inhouse-Roadshow organisiert und seine Mitarbeiter zu Informationsveranstaltungen eingeladen. Und auch heute noch, vier Jahre nach dem Start, wirbt der Mittelständler für sein Programm, um die Teilnahmequote noch weiter zu erhöhen und auch neue Mitarbeiter darüber zu informieren. Derzeit hat etwa jeder fünfte Mitarbeiter ins eigene Unternehmen investiert.

Von der Idee einer Mitarbeiterbeteiligung bis zu deren Einführung dauert es im Regelfall mehrere Monate. Um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, sollten sich Mittelständler Rat von außen holen, etwa bei den Industrie- und Handelskammern. August Faller hat sich vom bürokratischen Aufwand bei der Einführung nicht abschrecken lassen und bereut seinen Entschluss nicht. „Wir würden uns heute erneut für eine Mitarbeiterbeteiligung entscheiden“, sagt Michael Faller.


Der Artikel gehört zu einem Thema aus der „Markt und Mittelstand“-Ausgabe September 2018, die am 7. September erscheint. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.

 

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