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Recht und Steuern > Urteil der Woche

Verhandlungsgeschick allein rechtfertigt kein höheres Gehalt

Frauen und Männer haben für gleiche Arbeit Anspruch auf die gleiche Bezahlung, sagt das Bundesarbeitsgericht. Dr. Manuela Rauch, Partnerin der Kanzlei Eversheds Sutherland, beantwortet wesentliche Fragen zum Urteil.

Frau Rauch, worum ging es vor dem BAG?

 

Eine Außendienstmitarbeiterin, die spätere Klägerin, war mit einem Grundgehalt von 3.500 Euro brutto in ihre Position gestartet. Ein männlicher Kollege, der wenig früher im Betrieb angefangen hatte, hatte indessen für die gleiche Tätigkeit 4.500 Euro verlangt. Der Arbeitgeber ließ sich für die Zeit bis zum Einsetzen einer zusätzlichen leistungsabhängigen Vergütung darauf ein und stufte anschließend das Gehalt wieder auf 3.500 Euro herunter. Acht Monate später bekam der Mann dann erneut eine Gehaltserhöhung von 500 Euro – die Frau aber nicht. Sie zog also vor das Arbeitsgericht und verlangte, dass der Arbeitgeber ihr für die gleiche Arbeit ein ebenso hohes Grundgehalt zahlt wie dem männlichen Kollegen plus eine Entschädigung wegen Benachteiligung aufgrund des Geschlechts. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen die Klage jeweils ab. Das BAG gab der Frau aber schließlich Recht.

 

Wie begründet das BAG sein Urteil?

 

Das BAG kommt zu dem Ergebnis, dass der Arbeitgeber die Frau aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt hat, indem er ihr für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Gehalt gezahlt hat als dem männlichen Kollegen. Die Frau hat deshalb Anspruch auf die gleiche Bezahlung wie ihr männlicher Kollege unter anderem nach dem Entgelttransparenzgesetz. Darin steht eindeutig, dass in Beschäftigungsverhältnissen für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden darf. Den Einwand des Arbeitgebers, er habe dem Mann gar nicht aufgrund des Geschlechts mehr gezahlt, sondern schlicht, weil dieser besser verhandelt habe, lässt das BAG nicht gelten. Jedenfalls ist es dem Arbeitgeber nicht gelungen, die Vermutung der Benachteiligung aufgrund des Geschlechts zu widerlegen.

Die Wellen um das Urteil schlagen recht hoch. Manche halten es für einen Meilenstein, andere kritisieren, dass das BAG damit in die Vertragsfreiheit der Unternehmen eingreift.

 

Ohne die Urteilsgründe zu kennen – bisher haben wir ja nur die Pressemitteilung des BAG – ist das tatsächlich schwer zu entscheiden. Natürlich brauchen Arbeitgeber Verhandlungsspielraum beim Gehalt, wenn sie hochqualifizierte Mitarbeiter gewinnen wollen, und das Gehalt wird auch in Zukunft leistungsbezogen ausgehandelt werden. Was aber nach dem Urteil des BAG nicht mehr so einfach gehen wird, ist, dass Frauen und Männer, die für die gleiche Tätigkeit eingestellt werden, mit unterschiedlichen Gehältern starten nach dem Motto: Wer nicht besser verhandelt, verdient eben weniger.

 

Das Hauptproblem in der Praxis wird ohnehin weiterhin darin bestehen, dass die Hürden für Auskunftsanspruch nach dem Entgelttransparentgesetz sehr hoch sind und keine Sanktionen vorgesehen sind. Einen gesetzlichen Anspruch darauf zu erfahren, wie viel die Kollegen verdienen, haben nur Mitarbeiter in Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten. Der Arbeitgeber hat auch nur den Median des Bruttomonatsentgelts (und bis zu zwei weiteren Entgeltbestandteilen) mitzuteilen. In kleineren Betrieben gibt es diese Transparenz in der Regel nicht. Hier kommt es also auf die Eigenverantwortung der Unternehmer an, Lohngleichheit herzustellen.

 

Wie schätzen Sie die Gefahr ein, dass es für Betriebe jetzt noch schwerer werden könnte, geeignete Mitarbeiter zu finden, weil sie diese nicht mehr mit einem höheren Lohn locken können, ohne den bestehenden Mitarbeitern auch mehr zu zahlen?

 

Unternehmen werden sich zukünftig einfach noch bewusster Gedanken über objektive Gründe wie Qualifikation oder Berufserfahrung für eine unterschiedliche Bezahlung machen müssen. Dies sollte eigentlich auch schon jetzt alleine ausschlaggebend sein; jedenfalls das Geschlecht kann kein Grund für eine Ungleichbehandlung sein. Findet man keine geeigneten Mitarbeiter, wenn man das Lohnniveau nicht anhebt, wird man ohne eine Anpassung jedenfalls mittelfristig auch Mitarbeiter aus der bestehenden Belegschaft verlieren.


Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Februar 2023 – 8 AZR 450/21


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