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Recht und Steuern > Urteil des FG Münster

Vermögenszuwächse beim Gesellschafter sind keine Betriebseinnahmen der GmbH

Bei privaten Einzahlungen in die Betriebskasse werden Finanzbeamte hellhörig und fragen nach. Nur weil sich nicht klären lässt, woher das Geld stammt, dürfen sie die Beträge aber nicht ohne weiteres den Betriebseinnahmen der Gesellschaft hinzuschätzen, entschied das Finanzgericht Münster (Urteil vom 18. Mai 2022, Az. 10 K 261/17 K,U – Revision zum BFH zugelassen). Betriebsprüfungsexperte Frederik Karnath von der Beratungsgesellschaft Dornbach erläutert die Entscheidung.

Bild: Shutterstock

Worum ging es?

Die später klagende GmbH betrieb einen Großhandel und nahm hierbei auch Bargeld ein. Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellte das Finanzamt teils erhebliche Mängel bei der Kassenführung fest. Außerdem stießen die Betriebsprüfer auf zahlreiche Bareinlagen und Barentnahmen des Alleingesellschafters der GmbH, zu denen es keine oder lediglich Eigenbelege gab. Der Gesellschafter trug im Verlauf der Prüfung vor, die eingelegten Barmittel stammten aus verschiedenen, ihm persönlichen gewährten Darlehen sowie aus Barrücklagen aus seinem Privatvermögen; diese wollte er aus nicht versteuerten Silberverkäufen in den neunziger Jahren erzielt haben. Belegen ließ sich die Herkunft der Gelder nicht.

Die Betriebsprüfung nahm sodann die privaten Konten des Gesellschafters und seiner Ehefrau ins Visier und berechnete – unter Berücksichtigung des Barvermögens – die Differenz zwischen den Ausgaben, u.a. für die Finanzierung privater Reihenhäuser, und den dafür zur Verfügung stehenden Mitteln (sogenannte Bargeldverkehrsrechnung). Die daraus resultierenden Höchstfehlbeträge wertete das Finanzamt als bislang unversteuerte Mehreinnahmen der GmbH und gleichzeitig als verdeckte Gewinnausschüttungen an den Alleingesellschafter. Gegen die entsprechend geänderten Steuerbescheide zog die GmbH vor Gericht.

Entscheidung des Finanzgerichts

Das Finanzgericht Münster gab der Klage teilweise statt. Zwar dürfe die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen könne. Aus den beim Gesellschafter durchgeführten Bargeldverkehrsrechnungen hingegen könne sie keine Befugnis zur Schätzung auf Ebene der GmbH ableiten. Grundsätzlich sei eine Bargeldverkehrsrechnung zwar eine geeignete Methode, um zu prüfen, ob eine Buchführung sachlich richtig sei und um gegebenenfalls ungeklärte Einnahmen aufzudecken. Aus ungeklärten Vermögenszuwächsen beim Gesellschafter-Geschäftsführer könne aber nicht zwangsläufig die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die GmbH nicht erfasste Betriebseinnahmen erzielt habe.

Selbst wenn man unterstelle, dass die ungeklärten Vermögenszuwächse durch betriebliche Aktivitäten erzielt worden waren, so die Richter, sei es ebenso gut möglich, dass der Gesellschafter die Einnahmen im Rahmen von Eigengeschäften erzielt habe und nicht im Namen und auf Rechnung der Gesellschaft. Aus dem Umstand, dass der Gesellschafter die Herkunft der bei ihm festgestellten ungeklärten Vermögenszuwächse nicht aufkläre, könnten keine nachteiligen Schlüsse für die GmbH gezogen werden.

Hintergrund

Die Bargeldverkehrsrechnung ist ein Verprobungsverfahren der Betriebsprüfung bei sogenannten bargeldintensiven Betrieben. Sie dient dazu, die sachliche Richtigkeit der Buchführung zu verifizieren und ungeklärte Einnahmen aufzudecken. Dabei werden die tatsächliche Barausgaben den Beträgen gegenübergestellt, die dem Unternehmer durch Barabhebungen oder durch unmittelbaren Erhalt von Bargeld zur Verfügung standen. Sie wird häufig bei Betriebsprüfungen im Bereich Gastronomie und Hotellerie, Einzelhandel und Handwerk eingesetzt, wenn der Prüfer vermutet, es könnten Schwarzeinnahmen vorliegen oder die private und berufliche Sphäre des Unternehmers vermischt werden. Bei entsprechenden Feststellungen der Betriebsprüfung muss der Steuerpflichtige im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten aufklären, dass die bislang nicht erfassten Einnahmen aus steuerlich nicht relevanten Quellen resultieren.

Was folgt aus der Entscheidung?

Die Entscheidung festigt die bisherige Rechtsprechung, nach der Vorgänge auf Ebene des Gesellschafters nicht ohne Weiteres der Gesellschaft zugerechnet werden können und unterstreicht damit das bei Kapitalgesellschaften geltende Trennungsprinzip. Das Urteil überträgt diese Trennung von Gesellschaft und Gesellschafter auch konsequent auf die Verletzung von Mitwirkungspflichten und verortet Unaufklärbarkeiten bei dem jeweils dafür Verantwortlichen. In diesem Licht ist es ebenso konsequent, dass das FG eine Übertragung von Eigengeschäften auf die GmbH im Wege der verdeckten Einlage ablehnt, wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass diese für Rechnung der GmbH erfolgt sind. Es ist wahrscheinlich, dass der BFH hier seiner Linie treu bleiben und das Urteil insoweit bestätigen wird. 

Hinweis für die Praxis: Bei Verdacht auf verdeckte Gewinnausschüttungen kommt es immer wieder zu Streit mit den Finanzbehörden. Dabei sollten Steuerpflichtige berücksichtigen, dass die Betriebsprüfung grundsätzlich den Nachweis führen muss, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt. Die bloße Vermutung von Vermögenszuwächsen beim Gesellschafter reicht dafür regelmäßig nicht aus, seien die Anhaltspunkte noch so offensichtlich.

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