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Finanzierung > Exportfinanzierung

Was das staatliche Hilfspaket der Exportwirtschaft bringt

Die deutsche Exportwirtschaft wurde von der Corona-Pandemie hart getroffen, doch finanzielle Hilfen kamen erst spät. Im Interview erklärt Ralph Lerch von der DZ Bank, warum er einige Maßnahmen für einen schlauen Zug hält.

Herr Lerch, in den vergangenen Monaten haben die deutschen Exporteure ein Wechselbad der Gefühle erlebt: Im April verzeichneten sie einen drastischen Einbruch um fast ein Drittel gegenüber dem Vorjahresmonat. Im Juni waren die Exporte dann wieder um fast 15 Prozent höher als im Mai. Wo haben sich die Exporte mittlerweile eingependelt?
Global ist das schwer zu beantworten und sehr uneinheitlich. Vereinfacht kann man zwei Gruppen von Ländern erkennen: Da gibt es Staaten wie China, in denen es staatliche Hilfsmaßnahmen gab, um Investitionen zu ermöglichen. Von dort wurden schon von März an wieder Waren abgerufen. Ab Mai gab es auch Neuanfragen für Exportfinanzierungen.

Welche Länder haben es schlechter gemacht?
Einige Regierungen haben das Coronavirus und seine Folgen für die Wirtschaft massiv unterschätzt – etwa Brasilien, Indien oder Russland. In Indien ist das Bruttoinlandsprodukt im ersten Halbjahr um fast ein Viertel eingebrochen. Und in Russland lag das Akkreditivvolumen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres bei gerade einmal 340 Millionen Euro. Vor einem Jahr war es mit 640 Millionen Euro fast doppelt so hoch.

Ist China das einzige Land, in dem es schon wieder bergaufgeht?
Aus der Volksrepublik kommen zumindest gute Signale. Recht stabil sind aber auch andere asiatische Länder, wie zum Beispiel Vietnam und Taiwan. Selbst aus Afrika gibt es Nachfrage, nicht zuletzt weil die G20-Länder und der IWF eine Initiative gestartet haben, um die Rückzahlung von Staatsschulden vorübergehend zu stunden. Diese Maßnahme macht mehr als 20 Milliarden US-Dollar frei und zumindest teilweise für Konjunkturprogramme verfügbar.

Welche Branchen befinden sich wieder im Aufwind?
Im Maschinen- und Anlagenbau steigt die Nachfrage nach medizinischen Geräten und Krankenhausausstattung. Auch die erneuerbaren Energien profitieren partiell von der Krise, weil der Staat und etliche Förderbanken Investitionen in nachhaltige Technologien unterstützen oder spezielle Anreize für nachhaltige Projekte geben.

Welche Exportfinanzierungsprodukte laufen aktuell am besten?
Die größte Nachfrage verzeichnen wir bei klassischen Waren-, Lieferanten- und Investitionsgüterkrediten. Sie machen rund 50 Prozent der Anfragen aus. Nachgefragt werden derzeit vor allem kleinere Finanzierungen in der Größenordnung zwischen 0,5 Millionen und fünf Millionen Euro. Das hatten wir früher nur in einzelnen Sektoren, jetzt zieht es sich durch alle Branchen – allen voran die Industrie. Momentan schreiben wir so viele Angebote für Unternehmen wie seit der Finanzkrise 2008/09 nicht mehr. Die Firmen versuchen, sich irgendwie über die Krise zu retten, das heißt, liquide zu bleiben. Gleichzeitig stellen wir auch fest, dass der Beratungsbedarf größer geworden ist.

Woran liegt das?
Beim Thema Absicherung durch Einzeldeckungen oder Ausfuhr-Pauschal-Gewährleistungen sind die Unternehmen etwas aus der Übung geraten. In den vergangenen zehn Jahren des Wirtschaftswachstums haben die Unternehmen solche Produkte nicht mehr so häufig gebraucht. Das hat dazu geführt, dass die Experten in diesem Bereich abgebaut oder offene Stellen nicht mehr nachbesetzt wurden.

Klingt nach der Stunde der Bankberater.
Wir beobachten in der Tat, dass im aktuellen Umfeld die Nachfrage nach Beratung im internationalen Geschäft zugenommen hat und Firmenkunden auch aktiver auf uns zukommen. Dabei steht oft die Frage am Anfang, welche Absicherungslösung für eine konkrete Geschäftskonstellation sinnvoll ist und wie man sich gezielt gegen Zahlungsausfälle schützen kann.

Welche Range decken Sie ab?
Einen großen Bedarf bei der Liquiditätsabsicherung im Außenhandel sehen wir im Bereich von 100.000 bis eine Million Euro, darunter sind die Kosten in der Regel zu hoch. Neben Akkreditiven eignen sich von Fall zu Fall Lieferantenkredite oder für Beträge von mehr als fünf Millionen Euro auch Bestellerkredite, entweder über die AKA Ausfuhrkredit-Gesellschaft oder direkt von uns.

Sie haben Kreditnehmern, deren Umsatz im Zusammenhang mit der Pandemie eingebrochen ist, Stundungen ihrer Kreditraten angeboten. Um wie viele Monate wird die Rückzahlung aufgeschoben?
Für ausländische Kreditnehmer unter Hermes-gedeckten Bestellerkrediten haben wir Stundungen bis zum Jahresende eingeräumt. Hermes hat dabei sehr flexibel reagiert und auf zusätzliche Entgelte verzichtet. Für Firmenkunden im Inland gibt es natürlich ein breites Spektrum.

Wie viele Unternehmen haben dieses Angebot bisher in Anspruch genommen?
Eine Größenordnung kommunizieren wir nicht, aber einer guter Indikator ist die Zahl der Anträge, die bei unseren Volks- und Raiffeisenanken für KfW-Hilfskredite eingegangen sind: rund 20.000.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat vor knapp drei Monaten einen Fünf-Punkte-Plan zur Unterstützung von exportorientierten Unternehmen vorgelegt. Wie beurteilen Sie das Programm?
Damit hat die Regierung ein wichtiges Signal gesendet, dass sie auch die Exportindustrie unterstützt. Davor standen primär Programme und Lösungen zur Liquiditätssicherung im Vordergrund. Die Exportwirtschaft ist dabei etwas aus dem Fokus gerückt. Die Maßnahmen selbst halte ich für sinnvoll. Sie spiegeln das wider, was der Bund leisten konnte.

Welche Maßnahmen dürften am wirkungsvollsten sein?
Die Absicherung der Deckungsnehmer vor wiederkehrenden Geschäften bei Hermes, ohne dass sich die Selbstbeteiligung erhöht, ist ein schlauer Zug. Ansonsten würde die Nutzung der Produkte für Unternehmen von Schadensfall zu Schadensfall immer teurer werden. Zudem gibt es wieder kurzfristige Kredite bis zu 720 Tage, die dann in einer Summe zurückgezahlt werden können. Diese Maßnahmen werden zusätzlich dadurch befördert, dass staatliche Kreditgarantien auch wieder für Exportgeschäfte zu kurzfristigen Zahlungsbedingungen für Industriestaaten möglich sind. Das ist sinnvoll, denn damit übernimmt der Staat jetzt auch wieder Risiken zum Beispiel für Länder wie Spanien und Italien, die stark von der Corona-Krise in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Eine der Maßnahmen ist die Einführung von sogenannten Shopping-Line-Deckungen. Was ist das?
Damit hat man Unternehmen im Blick, die regelmäßig Investitionsgüter wie Maschinen in Deutschland einkaufen. Der Bund sichert die Kreditlinie eines ausländischen Kunden ab. Der Kunde kann dann bei deutschen Exporteuren Waren und Dienstleistungen bestellen. Bisher lief es andersherum ab: Das Unternehmen hat erst bestellt, und dann wurde überlegt, wie man das Geschäft absichern kann. Der Bund hat dieses Prinzip nun umgedreht.

Wer profitiert davon?
Erstens bekommen deutsche Exporteure einen leichteren Zugang zu Beschaffungsprogrammen großer, bonitätsstarker Auslandskunden. Und zweitens ist das Instrument auch für kleine Besteller interessant. Denn die Finanzierungslösungen sind in gewissem Sinne standardisiert, Banken bündeln dann Verträge, Fälligkeiten und Rückzahlungsraten – das senkt die Kosten. Damit können nun auch Unternehmen mit langfristigen Bestellerkrediten bedient werden, bei denen es bisher eine große Hürde war, ins Geschäft einzusteigen. Ich bin sicher, dass das dazu beitragen wird, den Export anzukurbeln.

Ralph Lerch (Jahrgang 1965) ist seit 2018 bei der DZ Bank und hat in diesem Jahr die Leitung der Exportfinanzierung übernommen. Davor leitete er die Exportfinanzierung bei der Commerzbank.

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