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Finanzierung > Fusionsgerüchte um Deutsche Bank und Commerzbank

Was eine deutsche Superbank für den Mittelstand bedeutet

Gerüchte, dass die Deutsche Bank und die Commerzbank fusionieren, halten sichhartnäckig. Doch wäre ein Zusammengehen der beiden größten deutschen Finanzinstitute für den Mittelstand gut?

Dem Anschein nach ist es mehr als nur ein Gerücht: Die Deutsche Bank und die Commerzbank haben offenbar durchgespielt, ob ein Zusammengehen sinnvoll wäre. Im Auftrag der beiden größten privatwirtschaftlichen Kreditinstitute des Landes sollen Consultants schon einmal Szenarien für eine Fusion geprüft und mögliche Vor- und Nachteile ermittelt haben.

Mit dem Zusammenschluss entstünde im Kreditgewerbe ein neuer Riese, der weltweit zu den Top Ten der Bankenbranche gehörte. Gemeinsam kämen Commerzbank und Deutsche Bank auf eine Bilanzsumme von gut 2 Billionen Euro. Sie lägen damit fast gleichauf mit der größten französischen Bank BNP Paribas und der Bank of America Merrill Lynch. Deutlich größer wären nur noch fünf Bank-riesen aus Asien sowie die Finanzgiganten HSBC und JP Morgan Chase.

Eine deutsche Superbank kann bereits jetzt, lange bevor überhaupt mit Fusionsverhandlungen begonnen wurde, mit dem Segen der Politik rechnen. Die Wirtschaft brauche eine starke deutsche Großbank, die die Unternehmen auf den internationalen Märkten begleitet, tönen Politiker aus den unterschiedlichsten Lagern. Auch die mittelständische Wirtschaft würde eine Bankenfusion weithin begrüßen.

Vorteile der Fusion

„Es wäre wünschenswert, wenn die deutschen Banken international noch stärker wären. Damit könnte eine größere geographische Abdeckung erreicht werden“, sagt beispielsweise Justus Lenz vom Verband der Familienunternehmer. Ähnlich sehen dies andere Interessenverbände der deutschen Wirtschaft.

Die Forderung kommt nicht von ungefähr: Im internationalen Vergleich sind heute selbst die beiden größten Kreditinstitute der Bundesrepublik Zwerge. Im Ranking der, gemessen an ihrer Bilanzsumme, größten Banken weltweit, das die Ratingagentur Standard & Poor’s veröffentlicht, kam die Deutsche Bank im vergangenen Jahr lediglich auf Platz 15. Die Commerzbank erreichte sogar nur Rang 54. Das ist für ein Land, das zu den vier größten Volkswirtschaften der Erde zählt und rund 45 Prozent seiner Güter und Dienstleistungen exportiert, ein dürftiges Ergebnis.

Angesichts der verhältnismäßig geringen Größe kommen deutsche Großbanken bei internationalen Ausschreibungen selten zum Zuge, selbst wenn deutsche Unternehmen eine große Finanzierung suchen. Die Übernahme des Saatgutherstellers Monsanto finanzierte der Leverkusener Chemiekonzern Bayer mit einer Brückenfinanzierung über 57 Milliarden US-Dollar. Mehr als zwei Dutzend europäische und amerikanische Großbanken beteiligten sich an dem Konsortium, das den Riesenkredit stemmte. Deutsche Institute spielten nur die zweite Geige, keine der fünf führenden Banken kam aus Frankfurt.

Um sich an internationalen Projekten beteiligen zu können, müssen Banken nicht nur über eine entsprechende Finanzkraft verfügen. Sie müssen auch dort präsent sein, wo der Deal stattfindet. „Die Begleitung des Auslandsgeschäfts erfordert große Bilanzsummen, um das Risiko einzelner Ausfälle tragen zu können“, sagt Christian Fahrholz, Kapitalmarktexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Die Konsequenz: Immer häufiger begleiten ausländische Großbanken deutsche Unternehmen bei anspruchsvollen Auslandsprojekten.

Stärkung des Finanzplatzes Deutschland

In der Regel verlaufen solche Kooperationen gedeihlich. Doch es gibt Risiken – etwa wenn die Wirtschaft in eine Rezession schlittert. In der Krise fahren die meisten internationalen Banken als Erstes das Geschäft mit Auslandskunden zurück. „Die Erfahrung der Finanzkrise zeigt, dass ausländische Institute in Krisenzeiten erforderliche Einschnitte im operativen Geschäft am heimischen Standort zuletzt vornehmen“, stellt Fahrholz fest. Deshalb muss aus Sicht der Unternehmen eine Risikovorsorge getroffen werden. „Das geht am besten, wenn der Finanzplatz Deutschland gut funktioniert und der deutschen Wirtschaft im Auslandsgeschäft auch in stürmischen Zeiten verlässliche nationale Finanzierungspartner zur Seite stehen“, resümiert der DIHK-Experte.

Eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank könnte hier helfen. Aber sie wäre nicht die Lösung aller Probleme. Gerade mittelständische Wirtschaftsverbände bezweifeln, dass der Zusammenschluss von Gelb- und Blaubank tatsächlich den starken Finanzierungspartner hervorbrächte, den sich die deutsche Wirtschaft erhofft. Das erklärte unternehmensstrategische Ziel einer solchen Zweckheirat wäre es in erster Linie, die Kosten zu senken, die bei beiden Banken deutlich zu hoch sind: Filialen würden geschlossen, Doppelfunktionen zusammengelegt und Arbeitsplätze abgebaut. Damit wäre aber der deutschen Exportindustrie nicht gedien

Eine echte Lösung für den Finanzierungsbedarf der deutschen Wirtschaft könnte vielmehr jenseits der deutschen Grenzen liegen: „Auf der Suche nach Partnern sollten sich die Banken auch international umsehen“, empfiehlt Senior Economist Wolfgang Eichert vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Ganz ähnlich sieht dies der DIHK. „Ein Rückstand bei der Erfahrung und Expertise im Auslandsgeschäft lässt sich in erster Linie durch Kooperationen mit ausländischen, global aufgestellten Banken aufholen“, sagt Bankenexperte Fahrholz.

In der Tat: Die deutschen Banken weisen im Auslandsgeschäft klaffende Lücken auf. Auf der Landkarte der deutschen Exportfinanziers befinden sich weiße Flecken, so groß wie halbe Kontinente: „Wir bekommen von Mitgliedsunternehmen regelmäßig Meldungen über Probleme bei der Zahlungsabwicklung mangels ausreichender Präsenz deutscher Banken im Ausland“, sagt Ralph Wiechers, Chefvolkswirt des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). So ist die Deutsche Bank in Lateinamerika nur mit einer Niederlassung vertreten, nämlich in Brasilien. In Afrika hat das größte deutsche Kreditinstitut lediglich Niederlassungen in Ägypten, Nigeria und Südafrika. „Lateinamerika und Afrika sind aber zunehmend wichtige Märkte für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau“, betont Wiechers.

Kompetenz verlagert

Die deutsche Wirtschaft könnte damit leben, dass die deutschen Banken kein global lückenloses Netz an Filialen aufweisen, wenn sie zumindest genügend Partner in Afrika, Lateinamerika und anderen Schwellenländern hätte. Doch dies sei nicht mehr der Fall, wie Industrielobbyisten beklagen: „Aus Kostengründen haben die deutschen Kreditinstitute das weltweite Netz von Korrespondenzbanken ausgedünnt“, moniert VDMA-Experte Wiechers. Auch Compliance-Gründe haben bei einigen Häusern zum Rückzug aus einzelnen internationalen Märkten geführt.

Aus Sicht der Exportwirtschaft wäre es sinnvoll, wenn sich die deutschen Großbanken internationale Partner mit bereits etablierter Präsenz in den Emerging Markets suchten. Ansätze gibt es genug: Französische Institute wie BNP Paribas haben traditionell enge Geschäftsbeziehungen zum frankophonen Afrika. Die spanischen Großbanken können sich in Lateinamerika auf gemeinsame kulturelle Wurzeln stützen. Die HSBC und Standard Chartered haben starke Marktstellungen im Fernen Osten. Mit kompetenten europäischen Partnern könnten die deutschen Großbanken auch Defizite an anderen Stellen kompensieren – etwa in puncto Digitalisierung, die auch das Kreditgewerbe radikal verändert. „Bei der Digitalisierung sind die deutschen Banken international zurückgefallen“, stellt Eichert fest. „Um das fehlende Know-how zu gewinnen, wären grenzüberschreitende Fusionen sinnvoll.“

Es droht der Rückfall

Auch in angestammten Geschäften drohen die deutschen Institute hinter die internationalen Mitbewerber zurückzufallen: „In den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren ist das Know-how in Bezug auf die internationale Projektfinanzierung, Kapitalmarktgeschäfte und Handelsfinanzierungen in den deutschen Großbanken teilweise verlorengegangen“, sagt Fahrholz vom DIHK. Er führt dies unter anderem auf die Europäische Bankenunion zurück, die zu einer neuen Arbeitsteilung geführt habe: „Letztlich ist es bei diesem Prozess zu einer Verlagerung von Expertise im Auslandsgeschäft vom Finanzplatz Deutschland zum Beispiel nach London oder Paris gekommen“, sagt der Kapitalmarktexperte.

Ob es im Zug des Brexits zu einer Rückverlagerung kommen wird, ist nach wie vor ungewiss.Um Kompetenzlücken zu schließen, wären grenzüberschreitende Fusionen unter den Großbanken hilfreich. „Die Unternehmen könnten dadurch die gesamte Finanzierungsexpertise wieder aus einer Hand erhalten“, sagt Fahrholz. Davon würde der gesamte deutsche Mittelstand profitieren. Ganz ähnlich sieht es der BDI. „Im Investmentbanking haben die Anbieter aus den USA in den vergangenen Jahren überproportional an Bedeutung gewonnen“, sagt Eichert. Deswegen hält er es für sinnvoll, wenn sich deutsche Großbanken europäische Partner mit großer Erfahrung im Kapitalmarktgeschäft suchten. Eine europäische Bankenfusion sei auch mit Blick auf die geplante Kapitalmarktunion in der EU sinnvoll, ist sich Eichert sicher.

Die Wirtschaftsverbände wollen den Großbanken freilich nicht vorschreiben, ob sie mit deutschen oder internationalen Konkurrenten fusionieren sollen. „Wir haben in diesem Punkt keine Präferenz. Es soll sich am Markt die beste Lösung durchsetzen“, sagt Justus Lenz vom Verband der Familienunternehmer: „Letztlich müssen die Finanzierungspartner der deutschen Wirtschaft bei diesem Thema jeweils für sich selbst eine Antwort finden“, stellt Fahrholz fest. Hinzu kommt: Eine Bankenfusion allein ist kein Garant für Erfolg. „Mit bloßem Größenwachstum geht nicht automatisch ein Zugewinn an Erfahrung und Expertise einher“, sagt der Kapitalmarktexperte des DIHK. „Da müssen viele Dinge passen, nicht zuletzt müssen die Unternehmenskulturen kompatibel sein.“ Für diese Herausforderung dürfte man bei der Commerzbank und der Deutschen Bank sensibilisiert sein. Beide In-stitute sind seit Jahren damit beschäftigt, die Folgen ihrer in der Vergangenheit getätigten Übernahmen zu verdauen: Die Deutsche Bank kaut noch immer an der Integration der Postbank, und der Commerzbank liegt der Zusammenschlus mit der Dresdner Bank noch schwer im Magen.

Könnten Deutsche Bank und Commerzbank gemeinsam eine führende Rolle auf dem Bankenmarkt einnehmen? Gibt es eine sinnvolle Kombination mit einem ausländischen Partner? Und wie groß wäre der Part, den ein deutsches Institut dann in einem gemeinsamen Konstrukt spielen könnte? So nachvollziehbar der Wunsch nach mehr teutonischer Schlagkraft im Finanzsektor ist, so vielfältig und schwer zu klären sind die Fragen, die sich aus einer möglichen Fusion der zwei Banken ergeben. Doch die beiden größten deutschen Institute werden bald eine Antwort finden müssen, wenn sie im Interesse ihrer Mittelstandskunden international wettbewerbsfähig bleiben wollen.


Der Artikel gehört zu einem Thema aus der „Markt und Mittelstand“-Ausgabe Oktober 2018, die am 5. Oktober erscheint. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.

 

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