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Finanzierung > Wahlkampf

Welche Parteien nach Vermögen und Erbschaften greifen

Steuern runter und die Wirtschaft machen lassen? Oder Steuern rauf und mehr staatliche Investitionen? Was verbirgt sich in den Wahlprogrammen der großen Parteien für die Bundestagswahl an guten Nachrichten für die Bundesbürger?

Träumen ist erlaubt. Und mancher Traum geht vielleicht so: Im Bundestag hebt eine Mehrheit die Hände, im Bundesrat machen die Länder mit, der Bundespräsident unterschreibt – und schon haben wir Anfang 2023 die große Steuerreform der neuen Bundesregierung – unter anderem hat sie der Einkommensteuer den Mittelstandsbauch abtrainiert. Die Folge: Viele Familien zahlen deutlich weniger Steuern, da reicht die Ersparnis für eine Woche Mallorca all-inclusive. Und die leidige Steuererklärung? Das Finanzamt liefert Anfang April ein bereits in weiten Teilen vorausgefülltes Formular, das sich leicht ändern und ergänzen lässt, dann ein Klick, wenige Tage später ist die Steuererstattung auf dem Konto - und ab geht es in den Urlaub.

Doch jetzt aufwachen. Ganz so wird es nicht kommen, obwohl es bei allen Parteien Ansätze für Entlastungen gibt. Die FDP ist besonders konkret: Sie stellt schon einmal eine Steuerentlastung von 60 Milliarden Euro in Aussicht – für Steuerzahler und Unternehmen. Ob die Partei an der nächsten Bundesregierung beteiligt ist und ihre Ideen durchsetzen kann, ist offen. Mit den Grünen harmoniert der Plan jedenfalls nicht, geht es nach ihnen dürften die Steuern für einen Teil der Menschen eher steigen.

Es finden sich wie immer einige Klassiker in den Wahlprogrammen: geringere Abgaben für Unternehmen, die Schuldenbremse und die Rückkehr der Vermögenssteuer. Konkrete Zahlen gibt es wenig. Gemeinsam ist allen untersuchten Parteien: Ihre teils ambitionierten Pläne für Investitionen und Klimaschutz in den nächsten Jahren sind teuer.

Ein paar Zahlen sind Vorrausetzung für alle Steuermodelle: Zehn Prozent der wohlhabendsten Deutschen erzielen gut ein Viertel der Summe aller Einkommen, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung berechnet. 2017 verdiente jeder dieser Gruppe im Schnitt 336.000 Euro. Die einkommensstärkste Gruppe besitzt auch rund ein Drittel des Gesamtvermögens der Deutschen. Ein Haushalt mit zwei Personen und einem Bruttoeinkommen von 62.000 Euro im Jahr gehört zum oberen Drittel der Verdiener in Deutschland, je Erwachsenem zahlt er im Schnitt rund 4700 Euro Steuer, wie das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft berechnet hat. Die Zahlen gelten für 2019. Die Wissenschaftler haben außerdem errechnet, dass die Steuerlast über die Jahre immer gestiegen ist, auch gerade für mittlere und niedrige Einkommen.

Der Bund hat für 2021 mit Ausgaben von rund 499 Milliarden Euro geplant. Größter Einnahmeposten sind mit 61 Prozent Steuern. Wichtigste Steuer ist mit 119 Milliarden Euro die Lohn- und Einkommensteuer gefolgt von der Umsatzsteuer mit 88,5 Milliarden Euro. Auf Platz 3: die Energiesteuer mit 35,9 Milliarden Euro.

Weil in diesem Jahr Sonderausgaben wegen der Corona-Krise nötig sind, hat der Bund neue Schulden aufgenommen, um die Ausgaben finanzieren zu können. 2019, dem letzten Jahr vor Corona, finanzierte der Bund den Etat von 356,4 Milliarden Euro fast vollständig aus Steuern und Mauteinnahmen. Der Haushalt war ausgeglichen – die berühmte "schwarze Null" bei der Neuverschuldung.

Vor diesem Hintergrund setzt bei den Parteien das große Rechnen ein: Diejenigen, die die größten Chancen haben, Deutschland zu regieren, planen bei Steuern, Abgaben und Staatsverschuldung folgendes:

CDU/CSU: Unternehmen und Arbeitnehmer entlasten

Die beiden Schwesterparteien haben bisher noch kein Wahlprogramm vorgelegt. Gewisse Tendenzen sind aber schon abzusehen. Grundsätzlich setzt die Union auf privates Engagement statt staatliches Handeln. Das bedeutet, dass staatliche Ausgaben überprüft und auch gestrichen werden sollen.

Wer arbeitet, soll nie mehr als die Hälfte seines Einkommens für Steuern und Sozialabgaben zahlen. So ist es in einem Papier zum Grundsatzprogramm der CDU formuliert. Wie bei der Bundestagswahl 2017 wird die Union sehr wahrscheinlich planen, die Ungerechtigkeit bei der deutschen Einkommensteuer zu beseitigen, wegen der mittlere Einkommen im Verhältnis zu sehr hohen und sehr niedrigen höher besteuert werden. Die Mehrzahl der Bundesbürger hätte dann mehr Geld zur Verfügung.

Teile der Union sprechen sich für ein Ende der EEG-Umlage für erneuerbare Energien aus. Auch die Stromsteuer könnte auf einen Wert sinken, wie er sonst in der EU üblich ist. Beides würde Strom für den privaten Endverbraucher verbilligen. Unternehmen sollen tendenziell weniger Steuern zahlen, damit deutsche Firmen weltweit wettbewerbsfähig bleiben. Die Union wird möglicherweise auch steuerliche Ausnahmeregeln streichen wollen. CDU und CSU wollen investieren du planen eine große Rentenreform. Das kostet Geld. Neue Schulden soll Deutschland dafür aber nicht aufnehmen. Die Union steht sehr wahrscheinlich zur "schwarzen Null", die sie in den vergangenen Jahren vehement verteidigt hat. Tendenziell sollen Staatsschulden sogar wie in den vergangenen Jahren bereits getilgt werden. CDU und CSU setzen sich für eine Finanztransaktionssteuer gemeinsam mit anderen EU-Staaten ein. Der Staat, so Vorstellung, zöge sie bei jedem Wertpapiergeschäft etwa mit Aktien oder Fonds ein. Dass angesichts der Aussichtslosigkeit anderer Sparformen, damit das sicherste aber noch immer nicht verbreitetste Modell der Deutschen für ihr Alter zu sparen, ins Wanken geriete, wird bei dieser Idee hintenan gestellt.

SPD: Die große Umverteilung

Die SPD will künftig unter anderem in den Klimaschutz investieren, in Infrastruktur, in Digitalisierung, in Bildung. Und sie will diejenigen mit Geld unterstützen, die wenig verdienen. Bezahlen sollen die, die viel einnehmen und viel besitzen.

Die Partei will die Einkommensteuer reformieren. Für die meisten Beschäftigten soll es höhere Freibeträge geben – die Menschen hätten mehr Geld zur Verfügung. Zahlen sollen nach dem Willen der Partei die fünf Prozent der Deutschen, die am meisten verdienen. So soll der Spitzensteuersatz von 45 Prozent für Einkommen über 250.000 (Alleinstehende) und 500.000 (Doppelverdiener) greifen. Bisher gilt ein Spitzensteuersatz von 42 Prozent ab einem Einkommen von rund 57.000/114.000 Euro, ab einem Einkommen von 265.000 Euro/531.000 Euro werden 45 Prozent fällig. Den Solidaritätszuschlag, den seit einer Reform 2019 nur noch Spitzenverdiener zahlen, will die SPD beibehalten. Das Geld werde dringend gebraucht. Eingeführt wurde er nach der Wende für alle, um den Aufbau Ost bezahlen zu können.

Das umstrittene Ehegattensplitting will die SPD für neu geschlossene Ehen abschaffen. Wer bereits verheiratet ist, bekommt ein Wahlrecht. Das Ehegattensplitting bevorzugt steuerlich Ehen. Es gilt seit den Fünfzigerjahren und ist auch so lange schon umstritten. Superreiche sollen nach dem Willen der SPD dem Staat mehr abgeben. Die Partei will eine Steuer von einem Prozent auf sehr große Vermögen einführen. Dass Kapital, inklusive diejenigen, die es besitzen, in der Regel sehr beweglich ist und dann eben außerhalb Deutschlands liegt, stört die Partei nicht. Mit hohen Freibeträgen sollen weniger reiche Menschen von der Steuer ausgenommen werden. Auch für Betriebsvermögen sollen Sonderregeln gelten. Die Erbschaftssteuer soll verändert werden. Vor allem die Vorteile, die Familien haben, wenn große Firmen in ihrem Besitz vererbt werden, sollen fallen. Die SPD plant auch, Familienstiftungen zu besteuern.

Wer mit Aktien und anderen Wertpapieren handelt, soll künftig den Staat an den Geschäften beteiligen. Vorgesehen ist eine Finanztransaktionssteuer. Außerdem setzt sich die SPD dafür ein, große Digitalkonzerne international effektiv zu besteuern. Die SPD will die Umlage für erneuerbare Energien (EEG) abschaffen und aus dem Bundeshaushalt bezahlen. Das Geld soll über einen steigenden Preis für CO2-Ausstoß wieder hereinkommen. Fällt die EEG-Umlage, würde sich der Strompreis verbilligen.

Grüne: Geld fürs Klima und Steuern für die Reichen

Die Grünen haben ein umfangreiches Reformprogramm formuliert: Rentenreform, Arbeitsmarktreform, Wirtschaftsreform hin zu einem klimaneutralen Deutschland. Mehr Hilfe für weniger Reiche, mehr Investitionen, mehr Klimaschutz für die Zukunft. Das kostet vor allem Geld.

Am Klimaschutzziel wollen die Grünen alle Investitionen, Subventionen, Steuern und Abgaben ausrichten. Vorgesehen sind etwa Steuervorteile und erweiterte Abschreibungsregeln für klimaschonende Investitionen. Die Umlage für erneuerbare Energien (EEG) wird abgeschafft, was den Strompreis deutlich verbilligen wird, dagegen ist ein höherer CO2-Preis vorgesehen, was Strom etwa aus Kohle verteuert. Niedrigere Steuern für Dieselsprit und die Abschreibungsregeln für schwere Dienstwagen sollen gestrichen werden. Auch Subventionen für verlustreiche Regionalflughäfen will die Partei streichen – was meist das Aus bedeuten würde.

Ihr umfangreiches Investitionsprogramm in Klima, Infrastruktur und Bildung will die Partei durch höhere Einnahmen finanzieren. Zahlen sollen vor allem die sehr gut Verdienenden und die Vermögenden. Die Grünen wollen den Freibetrag, für den keine Steuern anfallen, erhöhen. Vor allem die Menschen, die weniger als die breite Masse verdienen, zahlen dann weniger Steuern. Gleichzeitig soll der Spitzensteuersatz für Einkommen über 100.000 Euro (Alleinverdiener) und 200.000 Euro (Doppelverdiener) auf 45 Prozent steigen. Ab 250.000/500.000 Euro würden dann sogar 48 Prozent fällig. Kapitalerträge wie Zinsen und Dividende sollen künftig ebenfalls der Einkommensteuer unterliegen. Die geltende Abgeltungssteuer von pauschal 25 Prozent will die Partei abschaffen. Wer an der Börse investiert, zahlte damit künftig sehr wahrscheinlich mehr. Die Grünen planen auch, die Vermögenssteuer wieder einzuführen, vorgesehen ist ein Prozent. Die Steuer soll für Vermögen über zwei Millionen Euro gelten. Ausnahmen für den Besitz von Betrieben sind vorgesehen.

Im Konzept ist geplant, die Schuldenbremse, die die Nettoneuverschuldung des Bundes eng begrenzen soll, etwas zu lockern. Für Investitionen in die Zukunft des Landes sollen in größerem Umfang neue Schulden möglich sein. Wobei unklar bleibt, was genau alles unter Investitionen in die Zukunft fällt. In der EU setzt die Partei auf einen einheitlichen Mindestsatz der Unternehmenssteuern von 25 Prozent. Und sie befürwortet eine Steuer für Digitalkonzerne wie Amazon, Facebook und Google, über die bereits international nachgedacht wird.

Die Grünen sind die einzige der hier betrachteten Parteien, die die EU auch finanziell deutlich stärken und ihr eigene Einnahmen zugestehen will. Das ist bisher nicht vorgesehen, gerade Deutschland ist in dieser Frage auch skeptisch. Möglich wären demnach Steuern auf Plastik, Finanztransaktionen, für Digitalkonzerne. Die Geldpolitik der EU soll von der der Mitgliedsländer unabhängig sein. Den Europäischen Rettungsschirm ESM für notleidende Staaten wollen die Grünen zu einem Europäischen Währungsfonds nach dem Vorbild des Internationalen Währungsfonds weiterentwickeln.

FDP: Weniger Steuern, weniger Staat, mehr Investitionen

Auch die FDP will, dass in Deutschland kräftig in die Zukunft investiert wird, in Bildung und Innovation. Die Partei setzt dabei auf die Privatwirtschaft, der Staat soll nur den Rahmen vorgeben. Damit Unternehmen und Privatpersonen investieren können, brauchen sie Geld. Entsprechend will die FDP sie entlasten.

Die Abgabenlast für die deutschen soll von derzeit 41,4 Prozent dauerhaft auf unter 40 Prozent sinken. Der sogenannte Mittelstandsbauch der Einkommensteuer soll wegfallen. Derzeit belastet das Steuersystem diejenigen, die ein geringes oder mittleres Einkommen haben, mehr als diejenigen, die sehr viel verdienen. Diese Ungerechtigkeit, die seit Jahren besteht, will die FDP beseitigen. Gleichzeitig soll der bestehende Spitzensteuersatz von 42 Prozent erst ab Einkommen von 90.000/180.000 Euro greifen. Wer weniger verdient, wird so deutlich entlastet. Um das auch für die Zukunft zu gewährleisten, sollen Freibeträge, Freigrenzen und Pauschalen regelmäßig überprüft und angepasst werden. Den Solidaritätszuschlag will die FDP komplett, also auch für Spitzenverdiener, abschaffen. Die Erbschaftssteuer soll nicht verschärft werden.

Zudem planen die Liberalen, die Steuererklärung radikal zu vereinfachen. Künftig soll das Finanzamt eine korrekte, vorausgefüllte Steuererklärung in digitaler Form vorlegen. Der Steuerbescheid könnte dann in wenigen Tagen vorliegen. Auch Unternehmen will die Partei entlasten. Insgesamt soll die Belastung unter 25 Prozent sinken. Derzeit liegt sie bei rund 30 Prozent, wie das Handelsblatt errechnet hat. Angeschaffte Güter sollen schneller abgeschrieben werden können, so will die FDP auch den Wohnungsbau ankurbeln und Start-ups fördern.

Die FDP will einige Steuern ganz abschaffen: Da sind sogenannte Bagatellsteuern wie die auf Schaumwein, Kaffee und Bier, die wenig Einnahmen bringen, aber einen vergleichsweise hohen bürokratischen Aufwand haben. Und da ist die Gewerbesteuer, die die Städte und Gemeinden von Unternehmen erheben. Die FDP will sie streichen, was die Unternehmen entlastete. Die Kommunen sollen das Geld aus anderen Quellen bekommen: Ihnen soll mehr als bisher aus der Umsatzsteuer zufließen sowie Teile der Körperschaftsteuer, die Unternehmen zahlen.

Alle Pläne sind eben das: Pläne. Noch ist nicht absehbar, wer die Bundestagswahl gewinnt und welche Parteien sich auf eine Koalition einigen können. In den Verhandlungen wird manches fallen gelassen, manches komplett neu entwickelt. Deshalb ist unklar, welche der Forderungen wirklich umgesetzt werden oder ob unterschiedliche Modelle und Ideen miteinander zu einem neuen verschmolzen werden.

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