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Recht und Steuern > Corona-Krise

Wer dokumentiert, reduziert sein Haftungsrisiko

Das gelockerte Corona-Insolvenzrecht birgt für Geschäftsführer so manches Risiko. Wer sich nicht mit den Rechten und Pflichten auskennt, die sich aus dem neuen Gesetz ergeben, macht sich schnell persönlich haftbar.

Die Pandemie trifft die Wirtschaft mit voller Wucht. Unternehmen, die bis vor kurzem solide und finanziell gesund waren, sehen sich plötzlich in ihrer Existenz bedroht. Fragen zum Insolvenzrecht und zur Haftung der Geschäftsleitung stellen sich daher mit besonderer Dringlichkeit. Der Gesetzgeber hat zwar ein neues COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) geschaffen. Doch das beinhaltet eine Reihe von Pflichten und Risiken, die Entscheider in Unternehmen kennen sollten. 

So ist durch das neue Gesetz die Insolvenzantragspflicht keineswegs ausgesetzt. Vielmehr besteht sie bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung grundsätzlich weiter. Aber das COVInsAG schafft Sonderregeln für Unternehmen, die infolge der Corona-Krise insolvent geworden oder in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind. Voraussetzung hierfür ist, dass der Insolvenzgrund auf den Auswirkungen der Pandemie beruht – und gleichzeitig begründete Aussichten auf Sanierung bestehen. Nur wenn beide Gründe gegeben sind, ist die Insolvenzantragspflicht bis zum 30. September dieses Jahres ausgesetzt. Sollte die Covid-19-Krise andauern, kann die Bundesregierung den Aussetzungszeitraum bis zum 31. März 2021 verlängern.

Fehlt es an einer dieser beiden Voraussetzungen oder sind diese nicht sicher gegeben, besteht die Pflicht, unverzüglich einen Insolvenzantrag zu stellen, unverändert fort. Verstöße dagegen zeitigen strenge persönliche Haftungsfolgen und strafrechtliche Folgen für die Geschäftsleitung.

 

Um den Entscheidern in Unternehmen zu helfen, kommt der Gesetzgeber ihnen mit einer Vermutungsregelung entgegen: Die beiden Voraussetzungen – der Insolvenzgrund beruht auf den Auswirkungen des COVID-19, und gleichzeitig bestehen begründete Aussichten auf Sanierung – gelten als gegeben, wenn das Unternehmen am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war. Wenn sich also die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens zu diesem Termin belegen lässt, darf unterstellt werden, dass eine aktuelle Insolvenzreife auf COVID-19 beruhe und zugleich eine Sanierung Aussicht auf Erfolg habe.  

Dokumentation ist wichtig

Die Vermutungsregelung hilft im Ernstfall jedoch nicht weiter, weil sie durch einen Insolvenzverwalter später widerleglich ist. Sollte es später doch noch zu einer Insolvenz des Unternehmens kommen, wird ein Insolvenzverwalter – wenn er Anhaltspunkte findet – versuchen, diese Vermutung mit gegenteiligen Fakten detailliert zu entkräften. Im Nachhinein ist es immer leichter, Versäumnisse und Fehleinschätzungen aufzudecken. Daher sollte die Geschäftsleitung Vorsorge treffen, indem sie einen „doppelten Schutzschild“ aufspannt und   

 

  • 1.) die Zahlungsfähigkeit am 31. Dezember 2019 dokumentiert sowie
  • 2.) detailliert notiert, welche finanziellen Auswirkungen die Pandemie auf das Unternehmen hat und welche Maßnahmen konkret geplant sind und ergriffen werden, um die Zahlungsfähigkeit wiederherzustellen. Diese Schritte müssen permanent überprüft und deren Fortschritt dokumentiert werden. 

Eine Auseinandersetzung über die berechtigte Inanspruchnahme des Schutzschildes findet im Streitfall möglicherweise erst Jahre später statt. Deshalb empfiehlt es sich dringend, die jetzigen Einschätzungen, Entscheidungsgründe und Maßnahmen zu notieren und mit Belegen gesondert zu archivieren.

Strenges Zahlungsverbot

An sich werden die meisten Zahlungen eines Unternehmens, nachdem es insolvenzreif ist, streng sanktioniert. Die Unternehmensleitung haftet persönlich mit ihrem Privatvermögen für eine Vielzahl von Vorgängen, die zu einer Masseschmälerung führen. Dieses strenge Zahlungsverbot soll das Vermögen eines bereits insolventen Unternehmens für die Gläubiger beisammenhalten. Nur noch eine sogenannte „Notgeschäftsführung“ ist zulässig. In Fällen, in denen eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht infolge der Corona-Pandemie berechtigt ist, wird auch dieses strenge Zahlungsverbot gelockert. Zahlungen dürfen dann getätigt werden, wenn sie etwa der Aufrechterhaltung des Betriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes dienen.

Diese Erleichterung setzt aber voraus, dass zugleich und fortlaufend die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt ist. Ob dem so ist, muss fortwährend geprüft werden. Erscheint eine Sanierung irgendwann doch nicht mehr möglich, muss umgehend ein Insolvenzantrag gestellt werden. Kritisch wäre etwa die Nichtbewilligung beantragter Staatshilfen. Solange die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens noch nicht dauerhaft wiederhergestellt ist, bestehen erhebliche Risiken für die Geschäftsleitung. Eine enge Kontrolle aller Zahlungsvorgänge und „Masseschmälerungen“ ist daher trotz COVInsAG unumgänglich.

Die Geschäftsleitung ist also gut beraten, einen Fahrplan durch die Krise zu erstellen, ihre Schritte zu dokumentieren und fortlaufend zu überprüfen. Nur so kann sie zum einen Risiken schnell erkennen und zum anderen sich langfristig absichern. Denn sollte es in der Zukunft doch noch zu einer Insolvenz des Unternehmens kommen, wird ein Insolvenzverwalter die heutigen Handlungen der Geschäftsleitung überprüfen – selbst wenn Jahre vergangen sein sollten. Nur wenn sie schon heute, in der Krise, gründlich dokumentiert werden, wird es später der Geschäftsleitung möglich sein, sich gegen etwaige Vorwürfe einer Insolvenzverschleppung zu wehren. Die Dokumentation der heutigen Situation ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, nicht doch noch Jahre später haften zu müssen.

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