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Finanzierung > Kapitalmarkt

Wie aktivistische Investoren im deutschen Mittelstand agieren

Aktivistische Investoren gibt es nicht nur in Konzernen wie Thyssenkrupp, sondern auch im deutschen Mittelstand. Häufig treiben sie die Performance der Unternehmen nach oben – agieren dabei aber nicht immer zur Freude der Unternehmer.

Im Juli erhielt der Vorstand von Energiekontor einen Brief, in dem sich der Verfasser mit Kritik an der Unternehmensführung nicht zurückhielt. Die Firma würde zu wenig investieren, aus mangelnder Kapitalkraft aussichtsreiche selbstentwickelte Projekte verkaufen, und das Management orientiere sich zu sehr an den Vermögensinteressen der beiden Firmengründer, die inzwischen im Aufsichtsrat sitzen. Diese Zeilen erreichten jedoch nicht nur den Vorstand des Unternehmens, das Windund Solarparks entwickelt, baut und betreibt, sondern auch etliche Medienvertreter wie die Nachrichtenagenturen DPA und Reuters sowie die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Auf diesem Weg wollte der Verfasser des Briefes, der aktivistische Investor Enkraft Capital, öffentlichen Druck auf das Unternehmen ausüben. „Kritik an der Unternehmensstrategie zu äußern ist absolut legitim“, sagt Peter Alex, der sich um die Investor-Relations bei Energiekontor kümmert. „Wie sie vorgetragen wurde, ist jedoch wenig konstruktiv.“ Enkraft-Geschäftsführer Benedikt Kormaier hält dagegen: „Durch die Transparenz wollen wir erreichen, dass sich die Unternehmensführung und der Aufsichtsrat einer offenen und konstruktiven Diskussion stellen. Derzeit verschließen sie sich dem.“

Energiekontor ist kein Konzern wie die Commerzbank oder Thyssenkrupp, bei denen das Vorgehen von aktivistischen Investoren regelmäßig Schlagzeilen produziert, sondern ein Mittelständler. Das Unternehmen erwirtschaftete mit seinen rund 160 Mitarbeitern in den vergangenen drei Jahren einen Jahresumsatz von durchschnittlich circa 108 Millionen Euro. „Aktivistische Investoren investieren immer wieder gezielt in den börsennotierten Mittelstand“, beobachtet Kay Bommer, Geschäftsführer des Deutschen Investor Relations Verbandes (DIRK). „Durch die typischerweise hohe Eigenkapitalquote der Mittelständler gibt es viel Spielraum für Investitionen in eine Wachstumsstrategie.“ Wie oft aktivistische Investoren im Mittelstand tatsächlich unterwegs sind, ist allerdings unklar. Zwar gibt es eine Meldepflicht, wenn ein Investor mindestens drei Prozent der Anteile hält, viele Interventionen der Aktivisten gelangen aber nie in die Öffentlichkeit. Der Datendienstleister und Marktbeobachter Activist Insight erfasst jedes Jahr zwischen fünf und sieben öffentlich bekannt gewordene aktivistische Kampagnen bei deutschen Mittelständlern mit einem Jahresumsatz bis 250 Millionen Euro. „Bei zwei Dritteln der Investments stehen wir zwar in intensivem, aber in nichtöffentlichem Austausch mit der Unternehmensführung und dem Aufsichtsrat“, erläutert Thomas Schweppe, der die Investments von Enkraft betreut.

Einfluss auf Unternehmen

Wie jeder andere Aktionär auch, wollen aktivistische Investoren mit ihren Anteilen einen möglichst großen Gewinn erzielen. Was sie von den anderen Miteigentümern unterscheidet: Sie versuchen dafür immer wieder, gezielt Einfluss auf die Unternehmensstrategie zu nehmen. Dafür setzen sie unterschiedliche Instrumente ein. „Als Erstes suchen sie typischerweise das Gespräch mit dem Vorstand und erklären ihm, wo sie Verbesserungspotential sehen“, sagt Bommer. Sind beide Seiten hier auf einer Linie, werden die Vorschläge meist – ohne dass die Intervention des Investors bekannt wird – umgesetzt. „Aktivistische Investoren setzen sich sehr intensiv mit den Unternehmen auseinander und sprechen mit ihrer Kritik daher oft berechtigte Punkte an“, sagt Bommer. Deshalb führt das Engagement der Aktivisten häufig auch zu Aktienkurssteigerungen.

Weniger harmonisch sieht die Zusammenarbeit aus, wenn Unternehmensführung und Investor sich nicht einig werden, wie im Fall von Energiekontor und Enkraft. „Wir halten einen aggressiven Wachstumskurs für den falschen Weg, das wäre zu riskant“, erklärt Alex von Energiekontor. „Damit sind wir uns auch mit der Mehrheit unserer Investoren einig, von denen wir viel Zustimmung für unsere verfolgte Strategie erhalten.“ Das sieht Kormaier anders: „Zwar wurde der von uns kritisierte Aufsichtsrat auf der Jahreshauptversammlung entlastet, aber nur, weil die beiden Gründer und heutigen Aufsichtsratsmitglieder sich bei der Abstimmung gegenseitig unterstützt haben.“ Statt Aktien zurückzukaufen, solle Energiekontor lieber das Kapital in seine Projekte in den USA investieren.

Offene Konfrontation

Enkraft hält derzeit 3,47 Prozent der Unternehmensanteile. „Da aktivistische Investoren häufig nur über Minderheitsanteile verfügen, brauchen sie die Unterstützung anderer Investoren, um auf der Hauptversammlung Druck ausüben zu können, etwa über eine Nicht-Entlastung des Managements oder die Ablehnung von Anträgen“, sagt Patrick Siebert, Managing Director bei der Unternehmensberatung Alvarez & Marsal. Da es für direkte Absprachen unter den Investoren in Deutschland strenge Regularien der Bafin gibt, versuchen aktivistische Investoren häufig über Presseberichte auf sich, ihre Standpunkte und das Unternehmen aufmerksam zu machen.

Im Schreiben an den Vorstand von Energiekontor kündigte Enkraft an, „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln den Schutz der Minderheitsaktionäre einzufordern und wo nötig auch rechtlich durchzusetzen“. Dies könnte etwa eine außerordentliche Hauptversammlung oder eine Sonderprüfung sein. Alex sieht der Drohung gelassen entgegen. „Um eine Sonderprüfung durchzusetzen, müsste Enkraft Tatsachen vorlegen, die den Verdacht rechtfertigen, dass Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen sind. Dies halte ich für unmöglich.“ 

Mit seinem konfrontativen Verhalten agiert der deutsche Investor Enkraft, der sich auf die Energiebranche spezialisiert hat, ähnlich wie die großen amerikanischen Aktivisten Cerberus oder Elliott, die vor allem in Konzerne investieren. Für einen anderen Weg hat sich der auf den Mittelstand spezialisierte deutsche aktivistische Investor Active Ownership Capital (AOC) entschieden. „Man muss sehr vorsichtig sein, um kein Porzellan zu zerschlagen“, sagt Klaus Röhrig, Mitinhaber und Gründer von AOC. „Sonst ist anschließend eine konstruktive Zusammenarbeit kaum mehr möglich, so dass einem nur noch bleibt, zu verkaufen oder auf einen umfassenden Wechsel des Managements hinzuarbeiten.“ So weit will er es nach Möglichkeit nicht kommen lassen. „Wir reden vor unseren Investments mit der Unternehmensführung und versuchen sie mit Argumenten von unserer Strategie zu überzeugen, die wir gemeinsam mit Industrieexperten entwickeln“, sagt Röhrig. Häufig werde man sich einig. Druck über Medien hat AOC nach eigenen Angaben noch nie bei einem Investment ausgeübt.

Vorbereitung auf aktivistische Investoren

„Sinnvoll ist es, wenn Unternehmen hin und wieder den Blickwinkel wechseln“, sagt Patrick Siebert von Alvarez & Marsal. „Also sich die eigenen Zahlen nicht aus der Sicht eines Vorstandes, sondern eines Investors anschauen.“ Dieser sieht es beispielsweise nicht gern, wenn das Unternehmen zu viel Liquidität hat. Das Geld sollte aus Sicht der Aktivisten dann lieber als Dividende ausgeschüttet oder – noch besser – in eine Wachstumsstrategie investiert werden. „Der beste Schutz vor aktivistischen Investoren ist, wenn wenig Aktien im Freiverkehr sind, also viele Anteile der Unternehmensführung oder freundlich gestimmten Investoren gehören“, sagt Kay Bommer vom Deutschen Investor Relations Verband. Dies habe allerdings auch einige Nachteile. So seien die Aktien dann wenig liquide, was Investoren abschrecke – nicht nur die aktivistischen. 

Für die Beteiligung von AOC beim Verkehrstechnikunternehmen Schaltbau kann der Vorstandvorsitzende des Unternehmens, Albrecht Köhler, das bestätigen: „Wir arbeiten vertrauensvoll zusammen.“ Allerdings gibt es in diesem Fall auch keinen Grund für eine offene Konfrontation. Unternehmen und Investor sind auf einer Linie: „Wir möchten in den kommenden Jahren durch hohe Investitionen stark organisch expandieren“, sagt Köhler. Das Unternehmen hat eine Restrukturierung hinter sich, bei der es sich von einigen erfolglosen Zukäufen wieder trennte. „Während zum Teil andere Investoren lieber wollten, dass wir gewisse Beteiligungen noch weiter halten, hat AOC für einen Cut plädiert“, sagt Köhler. „Dem sind wir gefolgt, und es war – wie sich gezeigt hat – die richtige Entscheidung.“

Auch wenn bei Schaltbau alles harmonisch läuft, schreckt auch AOC allgemein nicht davor zurück, auf Wechsel im Management zu drängen, wenn es Differenzen gibt. „Im Mittelstand haben wir immer wieder die Herausforderung, dass der Aufsichtsrat nicht optimal besetzt ist, da es entweder trotz eines international angelegten Geschäftsmodells keine Experten für Auslandsmärkte im Aufsichtsrat gibt oder er hauptsächlich aus guten Bekannten der Geschäftsführung besteht“, sagt Röhrig. In einem solchen Fall arbeitet der Investor auf Personalwechsel im Gremium hin, in dem AOC meistens selbst mit einer Person vertreten ist, da der Investor in der Regel zwischen 10 und 20 Prozent der Unternehmensanteile hält.

Gründliche Analyse

Bevor AOC irgendwo investiert, setzt es sich mindestens ein Jahr mit dem Unternehmen und der Branche auseinander. Das ist typisch für aktivistische Investoren. „Wir beobachten, dass es, nachdem der aktivistische Investor zum Schluss gekommen ist, dass das Unternehmen unterbewertet ist, im Schnitt zwei Jahre dauert, bis er größere Aktienpakete kauft“, sagt Siebert von Marsal & Alvarez

Diese Zeitspanne gibt Unternehmen, die keine Aktivisten als Aktionäre wollen, die Gelegenheit zu reagieren. Schaffen sie es von allein, die Firma relativ zeitnah wieder auf Kurs zu bringen, werden sie als Investment für Aktivisten uninteressanter. Da diese typischerweise ihre Einsätze innerhalb einiger Jahre signifikant steigern wollen, lohnt sich für sie vor allem der Kauf, wenn das Unternehmen aus ihrer Sicht weit unter den Möglichkeiten bleibt.

In diesem Jahr haben Unternehmen aber sowieso kaum neue aktivistische Kampagnen zu befürchten. Wegen der Corona-Pandemie sind Investoren derzeit eher zurückhaltend. „Für sie ist es aktuell sehr schwierig, den Unternehmenswert zu bestimmen, da durch die Krise viel Unsicherheit darüber herrscht, wie die Zukunft aussieht“, sagt Iuri Struta von Activist Insight. „Nach der Krise werden die Aktivisten aber vermutlich wieder regelmäßig in den Mittelstand investieren.“

Für manche Unternehmen wird dies zu Wachstum und einer Win-win-Situation für die Firma und die Investoren führen. Andere werden sich hingegen in einer öffentlichen Schlammschlacht wiederfinden. Doch auch diese kann positive Folgen haben. „Wir sind uns mit Enkraft einig, dass Energiekontor derzeit an der Börse unterbewertet ist“, sagt Investor-Relations-Manager Alex. „Nicht zuletzt auch durch die öffentlichen Kampagnen sind auch viele andere Investoren mittlerweile ebenfalls zu diesem Schluss gekommen.“ Der Aktienkurs des Mittelständlers befindet sich derzeit auf dem höchsten Stand seit 20 Jahren – Corona und der damit verbundenen weltweiten Wirtschaftskrise zum Trotz. 

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