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Finanzierung > Unternehmenskäufer gesucht

Wie die Übernahme gut läuft

Übernahmen laufen mal gut - und mal nicht so gut. Bayers Kauf von Monsanto ist ein Beispiel. Für Mittelständler gibt es einen klaren Trend: Unternehmenskäufe werden im Verhältnis günstiger, aber schwieriger zu finanzieren. Diese Möglichkeiten haben Interessenten jetzt.

Bayer-Chef Werner Baumann und Monsanto-Boss Hugh Grant besiegeln den teuersten Zukauf einer deutschen Firma im Ausland.
Da hatten sie noch gut ­lachen: Bayer-Chef Werner Baumann (l.) und Monsanto-Boss Hugh Grant besiegeln die Übernahme der Amerikaner durch die Deutschen per Handschlag. Der teuerste Zukauf einer deutschen Firma im Ausland erwies sich kurz danach als Investition des Schreckens. Bei Monsanto schlummerten rechtliche Risiken, die vorher nicht entdeckt oder nicht ausreichend bewertet wurden. Bayers Aktienkurs fiel dramatisch – das fusionierte Unternehmen ist gerade erst wieder so viel wert wie der Monsanto-Kaufpreis von mehr als 60 Milliarden Dollar. Bild: Bayer/dpa

Ohne einen Cent Eigenkapital kauft ein junger Ingenieur ein kleines, feines Mechanikunternehmen. Was klingt wie der Traum eines BWL-Studenten, geschieht gerade nahe Paderborn. „Das funktioniert, weil dieser Interessent zu den zweien von zehn gehört“, beschreibt Axel Bergmann, Partner von Kern Unternehmensnachfolge aus Hannover. Er begleitet den Ingenieur mit Tatendrang durch den Prozess. Seine langjährige Erfahrung bilanziert der Experte ernüchternd. „Nur zwei von zehn Kaufinteressenten verfügen über die beiden wichtigsten Qualifikation: Sie können und wollen.“ Viele hätten zudem überzogene Ansprüche an Branche, Region oder Ist-Zustand. „Mittelstand in dieser Größenordnung heißt: Ärmel hochkrempeln und vorleben“, warnt Bergmann allzu Blauäugige.

Bei dem Ingenieur, einem Enddreißiger, ist die Ausgangslage typisch. Ein Unternehmerehepaar will seine GmbH & Co. KG verkaufen, ein Spezialist für Feinwerktechnik mit großen Auftraggebern im Automobil- und Möbelbau. Der Verkauf des Lebenswerks soll den Lebensabend absichern. Ein Wert von rund 1,5 Millionen Euro soll es sein. Einen gescheiterten Übergabeversuch haben die beiden schon hinter sich. Erschwerend kommt hinzu: Die Betriebsimmobilie gehört noch zum Privatvermögen des Ehepaars. Juristisch und steuerlich keine ­Kleinigkeit.

Der Ingenieur wiederum will nicht gründen, sondern ein zukunftsfähiges Unternehmen übernehmen. Energie und Ehrgeiz hat er, Kapital nicht. Ihn rettet das Verkäuferdarlehen: Außer der Bank gewährt ihm auch das Unternehmerpaar einen Kredit. „Mit deren Zusage und einem in aller Tiefe durchdachten Geschäftsplan ließ sich die Hausbank der Verkäufer überzeugen, die fehlende Summe einschließlich Polster für mögliche Überraschungen in den kommenden zwei, drei Jahren zu finanzieren“, berichtet Bergmann. Binnen neun Monaten geht die Transaktion jetzt über die Bühne.

„Wat den eenen sin Uhl, is den annern sin Nachtigall.“ So würde der Volksmund gerade den Markt für Unternehmenskäufe beschreiben. Daniel Schultewolter, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung für den nordrhein-westfälischen Kreis Borken, sagt: „Die Nachfrage verändert sich. Wegen des demografischen Wandels, der guten Arbeitsmarktsituation und der Lebensmodelle jüngerer Generationen nimmt das Angebot an potenziellen Nachfolgern und Nachfolgerinnen eher ab. Umgekehrt nehmen aber die Anfragen bei uns von abgebenden Unternehmern zu.“ Was unter anderem an der Corona-Krise liege: „Sie hat den Prozess beschleunigt. Manche Inhaber haben überlegt, ihre Übergabe wegen der Pandemie vorzuziehen.“

Am häufigsten werden Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 500.000 und einer Million Euro gehandelt. Bis 2026 wollen allein dort 54.000 Inhaber verkaufen. So errechnete es das Bonner Institut für Mittelstandsforschung. Aus dem Überangebot folgt: Die Preise werden härter verhandelt. Piet de Boer, zuständig für Nachfolge bei der IHK Bremen, berät vor allem abgebende Unternehmer. Norddeutsch trocken sagt er: „Die Braut lässt sich nicht mehr so leicht aufhübschen. Kompromisse beim Preis werden wichtiger.“

Aber auch die Käufer stehen vor einer neuen Herausforderung. „Der Zugang zu Finanzierungen wird jetzt wieder anspruchsvoller“, sagt Hendrik Hartenstein, Themengruppenleiter beim Bankenverband. „Das liegt nicht nur an den steigenden Kreditzinsen in Deutschland.“ Ob das Ende dieses Anstiegs erreicht ist? Hartenstein antwortet zurückhaltend: „Erfahrungsgemäß laufen sie den Zinsschritten der EZB nach.“ Auch bei der Risikobewertung, Bepreisung und Sicherheiten stiegen die Anforderungen. „Wenn der Cashflow nicht überzeugt, wird die Bank nicht 70 Prozent des Kaufpreises finanzieren.“ Trotzdem legen die Kreditinstitute weiterhin großen Wert auf Nachfolgefinanzierungen. „Für Banken bleibt dieser Bereich ein interessantes, oft über Jahrzehnte währendes Geschäft“, sagt Hartenstein.

Angst vor Innovationsstau

Die wichtigste Frage bei der Unternehmensübernahme ist so alt wie der erste Betrieb auf Erden: Was ist er wirklich wert? Positive Bilanzen aus der Vergangenheit sind schön, aber nicht entscheidend. Einst hart verhandelte Unterschiede und Steuervorteile beim Ertrags-, Substanz-, Marktwert- oder Discounted-Cashflow-Verfahren verlieren an Relevanz. Noch wichtiger wird die Zukunfts- und Entwicklungsfähigkeit des Geschäftsmodells. Und dann ist da noch ein folgenreiches Wort: Investitionsstau.

„Corona hat die Unternehmensentwicklung beschleunigt. Wer bei der Digitalisierung gezögert hat, leidet jetzt unter einem Investitionsstau“, sagt Nils Koerber, Gründer und Geschäftsführer der Beratung Kern – Unternehmensnachfolge. Er berät seit Jahrzehnten Firmeninhaber und Käufer. Der Run auf die digitalen Fördertöpfe des Bundeswirtschaftsministeriums habe gezeigt, wie hoch der Nachholbedarf sei. Sie waren oft binnen Tagen leer. „Nur gesund aufgestellte Unternehmen können noch genügend Nachfrage erzeugen“, sagt Koerber. Für Käufer bleibt er optimistisch: „Es gibt inzwischen so viele andere Möglichkeiten der Nischenfinanzierung. Für gute Geschäftsmodelle ist Geld am Markt vorhanden.“ Zum Beispiel:

• Vendor-Loan: Der Ritterschlag aus Sicht der Banken ist das Verkäuferdarlehen. Es wird meist als Nachrangdarlehen gewertet. Koerber sagt: „Für Banken ist es ein wichtiges psychologisches Zeichen, wenn der Verkäufer an den Käufer glaubt.“ Wobei es auch auf die Branche ankommt. „Nicht nur der Handel steht vor dramatischen Veränderungen. Die Baubranche zum Beispiel hat mit die ältesten Inhaber, ist sehr klein parzelliert und hat oft nicht auf Innovationen gesetzt. Doch jetzt tun sich selbst solide Unternehmen oft unglaublich schwer, einen Käufer zu finden.“ Vergleichbare Sorgen plagen bereits Inhaber in den Hotellerie, Tourismus und Gastronomie. Aber auch für Altinhaber in gefragten Branchen gilt: Sie müssen ihre Bereitschaft erhöhen, beim Verkauf längerfristige Haftungsrisiken zu übernehmen. Transaktionssicherheit geht vor Kaufpreisoptimierung, rät der DIHK in seiner Nachfolge-Analyse.

• Earn-out-Finanzierung: Hier wird ein Teil des Verkaufspreises erfolgsabhängig nach der Übernahme überwiesen – oft mit längerer Zahlungsfrist. Das verschafft dem Käufer Luft für Investitionen. Zugleich geht der Verkäufer mit ins Risiko, was gegen verdeckte Probleme im Unternehmen spricht.

• Mezzanine-Kapital: Noch immer scheinen die Vorteile dieser Art Kapital unterschätzt zu werden. Dabei lohnt sich hier der spitze Bleistift. Diese meist nachrangigen Darlehen gelten steuerlich als Fremdkapital und werben mit Laufzeiten von bis zu 15 Jahren.

• Fördermittel: Wer staatliche Fördermittel oder Bürgschaften in seinem Finanzierungsmix vorweisen kann, bringt aus Bankensicht weitere gute Argumente für einen Kredit mit. „Frühzeitige Förderungen werden für die Geldinstitute bei der Kreditvergabe wichtiger“, berichtet Hartenstein vom Bankenverband. Dass diese Nachricht bei den Kaufinteressenten angekommen ist, zeigt die Rückfrage bei Wirtschaftsförderer Schultewolter. „Die Nachfrage nach zinsgünstigen Förderdarlehen hat in unserer Region, dem westlichen Münsterland, wieder deutlich zugenommen. Durch die Subventionierung des Zinssatzes sind die Förderprogramme noch attraktiver geworden.“ Für Käufer gibt es ein fast schon schwer zu überschauendes staatliches Förderangebot. Genauso wichtig für Käufer ist die Förderung über staatliche Bürgschaften. Überblick bietet die Online-Förderdatenbank. Sie macht es Kaufwilligen, die die Ärmel hochkrempeln, leichter, zu jenen zu gehören, bei denen die Übernahme funktioniert.

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