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Recht und Steuern > Whistleblowing-Gesetz

Wie Firmen anonyme Hinweisgeber schützen sollen

Das Hinweisgeberschutzgesetz hat am Freitag keine Mehrheit im Bundesrat erreicht, jetzt wird nachverhandelt. Vielen Unternehmen kommt die Verzögerung entgegen, denn vorbereitet sind nur die wenigsten. Was sie jetzt tun sollten.

Wer im Betrieb auf Missstände aufmerksam machen will, muss das anonym tun können, sagt die EU.

Wer im Bekanntenkreis herumfragt, wie sie bei ihrem Arbeitgeber auf Missstände Betrug oder Bestechung aufmerksam machen können, erhält häufig Achselzucken oder mitunter abenteuerliche Antworten: Bisweilen hängen Zettel aus mit der Durchwahl zum Geschäftsführer. Anonymer Hinweise sind da offenbar ungern gesehen. Solchem Wildwuchs will die EU Einhalt gebieten und hat die sogenannte Hinweisgeberrichtlinie erlassen, die zurzeit in deutsches Recht umgesetzt wird.
 
Der Bundestag hatte ein Gesetz verabschiedet, Freitag scheiterte dies aber im Bundesrat an den unionsgeführten Bundesländern. Ihnen gingen einige Vorhaben zu weit. Tatsächlich verlangt die deutsche Umsetzung von Unternehmen spürbar mehr, als es die EU verlangt hat. Jetzt muss der Vermittlungsausschuss ran. Ob die neuen Regeln wie geplant am Mai gelten, ist höchst fraglich. Dabei ist Deutschland ohnehin spät dran.
 
Das Gesetz sieht in seiner jetzigen Fassung vor, dass jedes Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern eine interne Meldestelle einzurichten muss, an die sich Hinweisgeber anonym wenden können. Auch kleinere Betriebe müssen etwas ähnliches anbieten: Sie können sich zusammenschließen und eine gemeinsame Meldestelle einrichten. Wer nichts unternimmt, wird eine Strafe zahlen müssen.

„Positiv zu bewerten ist die Vorgabe, dass anonyme Hinweise bearbeitet werden müssen. Das bringt Klarheit für Hinweisgebende und Unternehmen“, bewerte Florian Block, Partner und Rechtsanwalt bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland, zum Gesetzentwurf: Denn in der Praxis werden Hinweise auf schwerwiegende Verstöße in der Regel anonym gemeldet. Begrüßenswert sei zudem die Möglichkeit, dass Fehlverhalten zunächst intern gemeldet werden soll und Unternehmen hierfür konkrete Anreize für die Mitarbeitenden schaffen sollen.
 
CDU und CSU begründen ihre Ablehnung mit dem Aufwand, der gerade mittelständischen Betrieben damit auferlegt werde. Reinhold von Eben-Worlée, Präsident des Verbands "Die Familienunternehmer", schlägt in dieselbe Kerbe: "Mittelständische Familienunternehmer hatten bis jetzt alle Hände voll zu tun mit der Bürokratie aus der Gas- und Strompreisbremse, der Grundsteueranmeldung sowie dem Lieferkettengesetz." Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die EU seit Jahren darüber spricht und weit vor dem Ukraine-Krieg klar war, dass die Regeln kommen.
 
Und dass Whistleblowerinnen und Whistleblowern geschützt werden müssen, gilt als allgemein anerkannt. Fälle wie Wirecard wären sonst vermutlich nicht zutage getreten. Laut dem Whistleblowing-Report 2021 von der EQS Group, einem Anbieter von Compliance-Systemen, und die Fachhochschule Graubünden, geht es bei den allermeisten gemeldeten Fällen um Zwischenmenschliches wie Mobbing oder sexuelle Belästigung. Nur jeder zehnte Fall handelt von eher skandalträchtigen Themen wie Umweltverschmutzung oder Menschenrechtsverletzungen.
 
Zur Umsetzung der Vorgaben erklärt der CMS-Anwalt Florian Block: „Bei der praktischen Umsetzung müssen sich Unternehmen vor allem die Frage stellen, auf welchem Weg Hinweisgebende Meldungen abgeben können sollen.“ Meldewege wie ein schlichter Briefkasten oder eine Mailadresse seien wegen der neu aufgenommenen Regelungen zur Bearbeitung anonymer Meldungen jedenfalls ab 2025 nicht mehr ausreichend. Hier würden sich digitale Meldesystemen anbieten. „Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitenden, die noch über kein Hinweisgebersystem verfügen, sollten sich schnellstmöglich mit der Einführung befassen. Die anwaltliche Praxis zeigt, dass viele Fragen offen sind und ausreichend Zeit benötigt wird“, rät Block.

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