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Firmen-News > Ende des Ehegattensplittings

Die richtige Idee zum falschen Zeitpunkt und aus den falschen Motiven

Der SPD ist das Ehegattensplitting seit Jahrzehnten ein Dorn im Auge. Seit 2022 hat die Gelegenheit für eine Reform, nutzte die aber nicht. Jetzt, aus purem Kalkül, kommt das Thema kurz vor der Sommerpause halbgar auf den Tisch. So sollte man keine Politik machen, kommentiert Thorsten Giersch.

Die SPD Spitze: Lars Klingbeil und Saskia Esken machen Druck beim Ehegattensplitting.

Wer 1958 schon Steuern zahlte, ist heute mindestens 80 Jahre alt und im wohlverdienten Ruhestand. Es war eine Zeit, in der Frauen selten ein höheres Einkommen hatten und noch nicht einmal ein eigenes Konto eröffnen durften. Damals wurde das Ehegattensplitting eingeführt – ein Verfahren, nach dem Ehepaare und Lebenspartnerschaften besteuert werden, die keine Einzelveranlagung wählen. Dabei wird das gemeinsame Einkommen halbiert, die darauf entfallende Einkommensteuer berechnet und die Steuerschuld anschließend verdoppelt. Das nützt vor allem Paaren, bei denen einer viel und der andere wenig verdient und kostet jährlich 20 Milliarden Euro.

Seit seiner Einführung ist es trotz vielfacher Kritik unverändert geblieben. Die sozialliberale Koalition vom September 1982 wollte mal ran, doch durch den Austritt der FDP-Minister aus der Regierung und das Ende der Regierungskoalition wurde das Vorhaben nicht weiter verfolgt. 1998 hatten sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Koalitionsvertrag auf eine Kappungsgrenze geeinigt. Das Vorhaben fand zwar Eingang in den Gesetzentwurf des Steuerentlastungsgesetzes, wurde aber später wieder gestrichen.

Die allermeisten Ökonomen sind sich einig, dass das Ehegattensplitting dringend reformiert werden muss, weil es falsche Anreize setzt: Viele nicht oder geringfügig arbeitende Ehepartner werden so motiviert, nicht wieder stärker ins Erwebsleben einzusteigen. „Das Steuerrecht läuft gegen die Gleichstellung“, sagte Heil zurecht.

Vor dem Start der Ampel-Regierung war klar, dass es dem Ehegattensplitting nun wirklich an den Kragen geht. Schon in der Vorgängerregierung scheiterte der heutige und damalige Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mit seinen Reformplänen an der CDU. Der damalige Koalitionspartner sei in dieser Frage „gesellschaftspolitisch noch nicht weit genug“ und „in alten Rollenbildern gefangen“. Heil prognostizierte, dass das Ehegattensplitting „eine entscheidende Frage auch bei der Bundestagswahl sein wird“.

Und dann wollte es die Wähler auch noch so, dass Heil im Amt blieb und mit den Grünen und unter bestimmten Umständen auch die FDP zwei Partner bekam, die einer Reform des Ehegattensplittings positiver gegenüberstehen als die CDU. Und im Hinblick auf eine Reform dieser verhassten Regelung passierte: nichts. Aber gerade jetzt, gefühlt Stunden vor der Sommerpause, kommt die SPD mit einer Reform des Ehegattensplittings um die Ecke. Und dann ist es nicht mal der zuständige Arbeitsminister, sondern der Vorsitzende der SPD. Und das ohne jede Absprache mit Finanzminister Lindner.

Lars Klingbeil schlug jetzt die Abschaffung des Ehegattensplittings für neue Ehen vor. „Damit würden wir dem antiquierten Steuermodell, das die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau begünstigt, ein Ende setzen. Und der Staat würde Geld sparen.“ Allein der Nachsatz spricht Bände: Die Reform des  Ehegattensplittings sollte keine staatliche Sparmaßnahme sein, keine Steuererhöhung durch die Hintertür. Das wäre mit der FDP ohnehin nicht zu machen.

Zweitens: Warum legt die Arbeiterpartei, die selbst ernannte Partei der Diversität, dieses ach so wichtige Thema gerade jetzt auf den Tisch? Weil es ihr eben jetzt gerade nützlich ist. Man muss Klingbeils Vorschlag in engem Zusammenhang sehen mit den Plänen der Bundesfamilienministerin Lisa Paus, das Elterngeld für Paare zu streichen, deren gemeinsam zu versteuerndes Einkommen über 150.000 Euro statt wie bisher über 300.000 Euro liegt. Im Zuge der Haushaltsplanung für das kommende Jahr und den von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) forcierten Ausgabenkürzungen war dies der Weg, den die Grünen-Politikerin wählte, um ihren Sparanteil zu leisten.

Die erntete dafür herbe Kritik sogar aus der eigenen Koalition, aber auch von bekannten Frauenrechtlerinnen. Klingbeil sagt nun: „Ich bin dafür, dass höhere Einkommen mehr schultern und mehr Verantwortung tragen. Aber Verteilungsfragen klärt man über die Steuerpolitik, nicht über das Elterngeld.“ Das Elterngeld sei keine Sozialleistung, sondern solle Männer motivieren, mehr Verantwortung in der Familie zu übernehmen.

Da liegt eine Vermutung nah: Klingbeil nutzt das Ehegattensplitting, um aus der für die Grünen schwierigen Gemengelage Profit zu schlagen. Er schmeißt dieses extrem wichtige Thema in eine Schlacht, in der es nichts zu suchen hat – und das zu einem unmöglichen Zeitpunkt. Das mag kurzfristig politisch womöglich clever sein. Aber macht sich die SPD eigentlich Gedanken, welche Folgen es für das ohnehin angeschlagene Vertrauen der Menschen in die Politik hat, wenn man bedeutende Reformen als taktische Verhandlungsmasse missbraucht?

Ein durchdachter, konzedierter Vorschlag der zuständigen Minister Lindner und Heil nach Absprache mit den anderen beteiligten Ministerien, das wäre mal was. Robert Habeck hat all diese Fehler in den vergangenen Monaten gemacht nicht zuletzt mit dem Heizungsgesetz – mit bekanntem Ausgang. Warum hat die SPD daraus nicht gelernt?

Das Ehegattensplitting zu reformieren ist komplex, Gerechtigkeit nicht leicht herzustellen sein. Eine Allerverdienerehe darf nicht schlechter gestellt sein als eine, in der die beiden Partner jeweils 50 Prozent arbeiten. Was ist mit Selbstständigen, nach einer Scheidung, bei Unterhaltszahlungen, wenn es Mieteinnahmen gibt oder Kapitalerträge?

Ja, das ist komplex. Es gibt eben einen Grund, warum die Regelung seit 1958 existiert. Das wischt man nicht 58 Stunden vor der parlamentarischen Sommerpause mal eben vom Hof. Bleibt zu hoffen, dass es nach der Sommerpause einen vernünftigen Prozess gibt – damit die dringend notwendige Reform nicht erneut verschoben wird.

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