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Energiepreisbremsen, Industriestrompreis, Strompreispaket – Was bleibt der Industrie nach der Haushaltskrise?

Dr. Hans-Christoph Thomale

Die beiden Autoren arbeiten für die Mazars Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

Der Gesetzgeber schnürt milliardenschwere Subventionsprogramme, mit denen die wirtschaftlichen Auswirkungen von massiven Energiepreissteigerungen abgefedert werden sollen. Doch einige Subventionen laufen in wenigen Monaten aus. Daher wurden zuletzt mit dem sog. Strompreispaket der Bundesregierung große Hoffnungen verbunden. Sorgt das Strompreispaket für einen Strompreis, der für Industrieunternehmen und Unternehmen des produzierenden Gewerbes auskömmlich ist?

Unterdessen werden Energiepreisentlastungen aufgrund des sog. Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich in Frage gestellt. In dieser undurchsichtigen Gemengelage stellt sich die Frage, mit welchen Entlastungen überhaupt noch gerechnet werden darf.

1. Das Strompreispaket – Was steckt hier drin?


Am 9. November 2023 hat sich die Bundesregierung auf das sog. Strompreispaket zur Entlastung der Industrie geeinigt:

Einheitliche Steuerentlastung für Unternehmen des produzierenden Gewerbes

Für Unternehmen des produzierenden Gewerbes soll die Stromsteuer auf den europäisch zulässigen Mindestsatz von 0,05 Cent pro Kilowattstunde einheitlich abgesenkt werden.
 
Unternehmen des produzierenden Gewerbes profieren seit jeher von einer Stromsteuerentlastung. Um eine umfassende Stromsteuerentlastung zu erhalten, mussten die Unternehmen jedoch spezifische Anforderungen des sog. Spitzenausgleichs erfüllen. Mit dem Strompreispaket fallen die engen Voraussetzungen des Spitzenausgleichs jedoch weg, so dass nunmehr alle Unternehmen des produzierenden Gewerbes, also auch diejenigen, die bisher keinen Spitzenausgleich in Anspruch nehmen konnten, den geringen Mindestsatz von 0,05 Cent pro Kilowattstunde zahlen würden.
 

CO2-Kosten-Entlastungen nur für wenige energieintensive Unternehmen

Für wenige Unternehmen bestimmter energieintensiver Sektoren, die im internationalen Wettbewerb stehen, sind Entlastungen im Bereich der indirekten CO2-Kosten vorgesehen. Indirekte CO2-Kosten entstehen dadurch, dass Stromerzeuger die Kosten für Emissionsberechtigungen über den Strompreis an ihre Kunden weitergeben. Mit den Entlastungen für indirekte CO2-Kosten (Strompreiskompensation) soll ein Teil dieser Kosten kompensiert werden.
Mit dem Strompreispaket soll die bestehende Strompreiskompensation um fünf weitere Jahre verlängert werden. Zum Kreis der Berechtigten gehören allerdings nur ca. 350 Unternehmen.

 
Nicht der erhoffte Industriestrompreis
 
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck forderte in seinem Strategiepapier zur Industriepolitik am 24. Oktober 2023 den sog. Industriestrompreis als direkte Entlastung für hohe Strombezugspreise. Anders als es in manchen Branchenverbänden und in Teilen der Medien kolportiert wurde, beinhaltet das Strompreispaket jedoch keinen solchen Industriestrompreis. Die Industrie zahlt den Strombezugspreis somit in voller Höhe, was die Unternehmen spätestens mit dem Auslaufen der sog. Energiepreisbremsen (siehe hierzu unten) spüren werden.
 

Was bleibt?

Für die meisten produzierenden Unternehmen ist es am Ende allein die Steuerentlastung, auf die sie hoffen dürfen. Im Ergebnis bedeutet dies nicht mehr (aber auch nicht weniger) als eine finanzielle Entlastung in Höhe von maximal 1,5 Cent pro Kilowattstunde.
 
Angesichts der Verdreifachung der Strompreise in den letzten beiden Jahren dürfte diese Entlastung jedoch allenfalls ein Trostpflaster sein. Ein produzierendes Unternehmen zahlt aktuell ca. 30 Cent pro Kilowattstunde für Netzstrom. Die zusätzliche Stromsteuerentlastung in Höhe von rd. 1,5 Cent pro Kilowattstunde führt demnach zu einer Einsparung von maximal 5% des Strompreises. Für Unternehmen, die bisher den Spitzenausgleich in Anspruch genommen haben, fällt die Einsparung noch geringer aus. Vor diesem Hintergrund erscheint die Kritik der energieintensiven Branchen am Strompreispaket durchaus nachvollziehbar.

2. Keine Verlängerung der Energiepreisbremsen


Zum Anfang des Jahres 2023 ist das Strompreisbremsengesetz (StromPBG) und das Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz (EWPBG) in Kraft getreten. Danach sind Energieversorger grundsätzlich verpflichtet, Entlastungen für den Strom-, Gas- und Wärmebezug zu gewähren. Noch am 16. November 2023 wurden im Bundestag die sog. Energiepreisbremsen verlängert. Jedoch gilt es nach dem „Haushalts-Debakel“ (siehe hierzu unten) inzwischen als gesichert, dass es nun doch nicht zur Verlängerung der Energiepreisbremsen kommt. Damit fallen auch diese Entlastungen ab dem 1. Januar 2023 endgültig weg.

3. Das sog. Haushaltsurteil zur Schuldenbremse – Was geht überhaupt noch?


Mit dem am 15. November 2023 ergangenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum zweiten Nachtragshaushalt 2021 und den damit verbundenen Implikationen für die Schuldenbremse (sog. Haushaltsurteil) wurde auf einen Schlag die Finanzierbarkeit sämtlicher Entlastungsmaßnahmen im Energiebereich in Frage gestellt.

Das Haushaltsurteil erging zunächst im Hinblick auf Sondermittel in Höhe von 60 Milliarden Euro, die in der Corona-Pandemie gebilligt wurden und als Investitionsvorhaben in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) umgewidmet wurden. Mit dem KTF werden u.a. die Energieeffizienz in Gebäuden, CO2-freie Mobilität, Klimaschutzverträge und die Abschaffung der EEG-Umlage finanziert.
 
Zum Zeitpunkt der Verkündung des Haushaltsurteils lag es aber schon in der Luft, dass die Rechtsprechung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) und damit auf die Finanzierung der Energiepreisbremsen Anwendung finden wird. Mit dem WSF wurden im Jahr 2022 Kredite in Höhe von 200 Milliarden Euro bewilligt, die jedoch erst im Jahr 2023 für die Energiepreisbremsen genutzt wurden. Weil Schulden nach dem Haushaltsurteil in dem Jahr verbucht werden müssen, in dem sie aufgenommen wurden (hier: 2022), spricht Vieles dafür, dass auch die in 2023 verbuchten Energiepreisbremsen bzw. deren Finanzierung im WSF gegen haushaltsrechtliche Vorgaben verstoßen. Zu massenhaften Rückforderungen von in diesem Jahr gewährten Energiepreisentlastungen wird es indes nicht kommen.
 
Ob das Strompreispaket nun so umgesetzt wird, wie von der Bundesregierung zuletzt kolportiert, ist noch nicht ganz klar. Die geplante Senkung der Stromsteuer erfolgt über eine Finanzierung aus dem Bundeshaushalt für das Jahr 2024, der notwendigerweise Kürzungen vorsieht, weil Haushaltslöcher zu stopfen sind. Diesbezüglich hat man sich innerhalb der Regierung nun immerhin geeinigt. In diesem Zusammenhang wird berichtet, dass die Reduktion der Stromsteuer für die Jahre 2024 und 2025 beibehalten werden soll. Hingegen sieht der neue Sparkurs der Bundesregierung auch eine erhebliche Erhöhung des CO2-Preises vor. Im Ergebnis sind das trübe Aussichten für die energieintensive Industrie in Deutschland.

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