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Finanzierung > Kommentar EU-Lieferkettengesetz

Warum sich Deutschland enthalten muss

Am 9. Februar entscheidet sich, ob das EU-Lieferkettengesetz kommt. Vieles hängt an Deutschland, doch die Regierung streitet. Eine Enthaltung wäre ein streitbares Signal, doch dies ist aus zwei Gründen die beste Option.

Marco Buschmann (links, FDP), Bundesminister der Justiz, und Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, sind gegen das EU-Lieferkettengesetz in der jetzigen Form.

Das Richtige muss nicht deshalb falsch sein, weil man es zu spät tut. Das Nein der FDP zum geplan­ten EU-Liefer­ket­ten­ge­setz kommt natürlich viel zu spät und das erzeugt Schaden für Deutschland. Zudem blicken die Bürger mal wieder irritiert auf die Ampel-Regierung und ihren Dauer-Dissens bei praktisch allen Themen. Aber dass sich Deutschland bei der Abstimmung in Brüssel enthalten sollte, ist richtig.

Die Begründung ist zweigeteilt: Wenn es hierzulande keinen Konsens gibt, ist eine Enthaltung die einzig logische Entscheidung. Und diesen Konsens gibt es offensichtlich nicht – weder innerhalb der gewählten Regierung noch in der Gesellschaft allgemein. Die FDP begründet ihr Nein mit inhaltlicher Kritik am Gesetz, aber auch einem übergeordneten Argument: Finanzminister Christian Lindner und Justizminister Marco Buschmann erklärten in einem Schreiben: Europa müsse im Systemwettbewerb zwischen den USA und China seinen Platz finden und brauche eine starke, wettbewerbsfähige Wirtschaft, um sich in der Welt zu behaupten. „Diesen Zielen sollen und dürfen wir den Schutz der Menschenrechte und die Verantwortung für die Umwelt nicht opfern.“ Diese Haltung wird von vielen Deutschen geteilt, aber längst nicht von allen. Bei dieser Frage ist die Gesellschaft wie alle möglichen Umfragen zeigen gespalten – und dann muss man sich eben enthalten, wenn sonst nur Schwarz oder Weiß zur Entscheidung stehen.

Der zweite Teil der Begründung lautet: Politiker sollten Unternehmen nicht zwingen, ihre Wert­vor­stel­lun­gen bei deren Zulieferern in aller Welt durchzusetzen. Zumindest nicht in der geplanten Form. Natürlich darf es Betrieben nicht egal sein, wie die Vorprodukte hergestellt werden, die auf ihrem Hof landen. Und auch nicht die Dienstleistungen. Wer Armut ausnützt, gerade in Form von Kinderarbeit und mangelnden Sicherheitsvorkehrungen, gehört an den Pranger gestellt. Aber erstens ist ein Generalverdacht und die Umkehrung der Beweispflicht unangebracht. Zweitens geht der Weg ärmerer Länder zu Wohlstand nur darüber, ihre Lohnkostenvorteile ausspielen zu dürfen. Was würde denn passieren: Deutsche Unternehmen ziehen sich zurück und chinesische kommen. Das Sorgfalts­pflich­ten­ge­set­zes der EZ würde ihre Entwicklung hemmen. Und drittens sind dessen Regeln zu schwammig und unpraktikabel.

Allein schon mit den seit Anfang 2023 geltenden deutschen Regeln hat die Wirtschaft mächtig zu kämpfen, die europäische Variante wäre noch einmal härter, auch weil sie einige hundert Unternehmen mehr direkt betrifft – ab 250 statt 500 Mitarbeitern – und striktere Schwellenwerte beinhaltet. Kleine Betriebe werden benachteiligt, weil die Haftungsrisiken für sie allzu groß sind und sie die Bürokratie weitaus weniger schultern können wie große. Das pauschale Bußgeld mit der vorge­se­he­nen Mindest­höchst­gren­ze von 5 Prozent des Umsat­zes differenziert nicht nach der Schwe­re eines Verstoßes.

Wie sähe eine bestmögliche Lösung aus? Klarer Vorteil der europäischen Variante ist allerdings, dass die Firmen gemäß der ohnehin geltenden EU-Richt­li­nie zur Nachhal­tig­keits­be­richt­erstat­tung berich­tet könnten. Das sollte so bleiben. Dass Betreibe die Zulie­fe­rer ihrer Zulie­fe­rer und deren Zulie­fe­rer erfassen sollen, ist des Guten zu viel. Eine sogenannte Safe- -Harbour-Regelung wäre praktikabler, also dass es Unternehmen ermöglicht wird, Produk­te und Liefer­ket­ten zerti­fi­zie­ren zu lassen. Das würde die bürokratische Belas­tung senken und die Haftung auf ein realistisches Maß senken. Wenn das politisch nicht durchsetzbar ist, sollte zumindest das Risiko eine Rolle spielen gemessen am Sitz des Zulieferers: Kommt der aus den Niederlanden ist das etwas anderes, als wenn er aus Timbuktu kommt. Muster­ver­träge würden den Aufwand genauso senken wie gemein­sa­me Audits, in denen Unter­neh­men Kontrol­len bündeln.

Vieles wird bei der Abstimmung am 9. Februar an Deutschland und Italien hängen: Findet die Ampel-Regierung keinen Kompromiss und enthält sich das Alpenland ebenfalls, wäre eine Mehrheit für der EU-Lieferkettengesetz sehr unsicher. Dann käme es zu Nachverhandlungen. Wenn die scheitern, droht ein Flickenteppich, in dem jedes europäische Land seine eigenen Standards durchzieht. Das wäre der größtmögliche Schaden auch aus Sicht der Unternehmen.

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