Frauen in der IT sind unterrepräsentiert – das lässt sich ändern!
In IT und Informatik sind Frauen ein Anblick mit Seltenheitswert. Dabei wünscht sich die IT-Wirtschaft mehr Frauen und an ihrer Eignung besteht kein Zweifel. Was passt da nicht? Der Teufel steckt im Detail.

Von Edna Kropp
1.6.2025
Insgesamt 37 Prozent der Unternehmen haben sich interne Ziele gesteckt, um den Frauenanteil speziell in den IT- und Digitalberufen zu erhöhen, das zeigen aktuelle Zahlen des Verbands Bitkom. Umgekehrt sind solche Ziele für 38 Prozent der Unternehmen gar kein Thema. Als Gründe hierfür geben die Unternehmen an, nicht genügend qualifizierte Bewerberinnen zu haben (68 Prozent) oder andere Prioritäten zu setzen (61 Prozent).
Um mehr Frauen speziell für IT- und Digitalberufe zu gewinnen, setzen 60 Prozent der Unternehmen auf gezielte Recruiting-Maßnahmen, etwa Kooperationen mit Hochschulen und Schulen, spezielle Einstiegsprogramme oder frauenspezifische Karriereevents.
Keine Frage der Eignung!
Warum ist der Frauenanteil in den IT- und Digitalberufen dennoch nicht höher? 59 Prozent der Unternehmen sehen Hürden beim Wiedereinstieg als Grund, 53 Prozent verweisen auf traditionelle Rollenbilder in Unternehmen, 52 Prozent auf fehlende Netzwerke für Frauen und 50 Prozent geben an, dass eine männlich geprägte Kultur in IT- und Digitalberufen Frauen abschreckt. Erstaunliche 39 Prozent sind der Meinung, Männer seien für IT- und Digitalberufe einfach grundsätzlich besser geeignet.
Vieles davon ist wahr – nur eines nicht: Frauen sind genauso technikbegeistert wie Männer und können auch alles. Und grundsätzlich ist auch kein IT-Bereich für Frauen interessanter als andere Bereiche oder für Frauen zugänglicher oder geeigneter. Es geht vielmehr darum, dass gesellschaftlich bestimmte Interessen mehr für Frauen geprägt sind als andere. Das gilt für alle Berufe und so finden wir Frauen in der IT vor allem in Bereichen wie "Medizintechnik", "Design", "Gesundheit" und "Psychologie". Hier scheint der Einstieg für Frauen einfacher, es gibt mutmaßlich weniger Widerstand und es wird Frauen unterschwellig nahegelegt, dass dies die für sie besser geeigneten Bereiche sind und ihrer Komfortzone entsprechen.
Das ist also eine künstliche, gesellschaftlich begründete Einschränkung, die Frauen davon abhält, andere Aufgaben in der IT in Betracht zu ziehen. Hier spielt das Thema "Vorbilder" eine wichtige Rolle: Wo sind die weiblichen Astronauten, wo die weiblichen Chief Technology Officer und Technik-Vorstände? Wenn ich keine Frau kenne, die einen solchen Job bekleidet, traue ich ihn mir selbst fälschlicherweise auch nicht zu.
Warum Künstliche Intelligenz keine Hilfe ist
Fakt ist: Künstliche Intelligenz verstärkt den Einfluss von gesellschaftlichen Rollen und Vorurteilen. Denn KI basiert immer auf den Daten und Informationen, die es bisher in der echten Welt gibt. Das sind die Daten, mit denen KI gefüttert wird. Wer produziert diese KI-Lösungen? Antwort: KI wird überwiegend von Männern geprägt, denn Männer überwiegen nun mal in der IT. Das trägt wiederum zu einer männerdominierten KI ohne weibliche Einflüsse bei. Das ist ein geschlossener Kreis, der sich selbst erhält und sich automatisch ständig reproduziert und durch die Art, wie KI funktioniert, die Vorurteile, Bias genannt, immer weiter verstärkt. KI bildet nur ab, was es bisher gibt, und verfälscht durch weitere Interpretation das Bild. KI macht keine gesellschaftliche Revolution. Sie zementiert im Zweifel das Bestehende, weil sie nur darauf basiert.
Was Unternehmen tun können
Wer etwas an der aktuellen Situation ändern will, kann bei den Stellenausschreibungen und dem Einstellungsprozess anfangen: Häufig ist der Einstellungsprozess so gestaltet, dass er eine bestimmte Zielgruppe anspricht. Und wer ist diese Zielgruppe? Man kann nachweisen, dass beim Recruiting gern eingestellt wird, wer einem ähnlich ist. Das läuft unbewusst. Männliche Tekkies stellen deswegen aber gern männliche Tekkies ein. Entsprechend sind die Formulierungen schon bei der Stellenausschreibung gewählt. Frauen fühlen sich davon nicht angesprochen. Männliche Tekkies dagegen verstehen sich intuitiv, das vermindert Reibereien, macht das Arbeiten einfacher und so weiter. Das ist aber nachweislich nicht von Vorteil, wenn es darum geht, erfolgreich oder innovativ zu sein, andere Wege zu beschreiten oder anders zu denken. So bleiben Potentiale und Chancen ungenutzt.
Die Rechtfertigung lautet dann oft: Es gibt nicht genügend Frauen für diese Position. Das ist nur teilweise richtig. In der Regel lässt sich ermitteln, wie viele Frauen im Verhältnis zu Männern diese oder jene Ausbildung haben oder diesen Beruf ausüben. Warum also nicht diesen Prozentsatz in den Bewerbungsprozess übernehmen? Wenn beispielsweise von allen Beschäftigten im Beruf XY 20 Prozent Frauen sind, warum dann nicht diesen Prozentanteil bei den Bewerbungen einfordern? Kommen nicht genügend Bewerbungen von Frauen, also weniger als 20 Prozent, kann das zum Beispiel an der Formulierung der Ausschreibung liegen. Vielleicht hilft es, diese zu ändern?
Erfolg braucht andere Ideen als immer nur die eigenen
Und noch ein Unterschied fällt auf: Männer werden gern nach ihrem Potenzial beurteilt, also was traut sich der Mann zu, wohin soll die Reise gehen? Frauen dagegen werden gefragt, was sie bereits gemacht haben, womit sie sich auskennen. Sie werden also nach ihrer Erfahrung beurteilt. Das sind zwei völlig verschiedene Herangehensweisen. Der Weg muss daher sein, mehr Diversity und eine offene Arbeitskultur zu schaffen. Dazu gehört, sich dieser unterschwelligen Bevorzugung bewusst zu sein. Menschen einzustellen, die anders sind als man selbst, ist eine Bereicherung und Verbesserung. Denn das sorgt für mehr Diskussionen, für größere Meinungsvielfalt, für andere Ideen als immer nur die eigenen. Diverse Teams sind deswegen nachweislich erfolgreicher. Aber es heißt auch, dass sich Strukturen ändern müssen, die bislang hauptsächlich männlich dominiert und geprägt sind. Uns muss klar werden, dass Männer und Frauen Verbündete sind. Warum also nicht öfter an die Doppelspitze denken?

Die Autorin
Edna Kropp ist Head of Product Management beim deutschen Technologieunternehmen VIER GmbH.