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Geopolitische Unsicherheit hat auch Vorteile

In einer Zeit zunehmender geopolitischer Unsicherheit ist es für Anlegerinnen und Anleger verlockend, in einen gewissen Pessimismus zu verfallen. Doch bei näherem Hinsehen gibt es mehr positive Themen als gedacht!

geopolitische Unsicherheiten können auch ihre Vorteile haben. Bild: Shutterstock

2024 ist durch entscheidende Wahlen und starke geopolitische Risiken gekennzeichnet. Die Angst vor einer Eskalation im Nahen Osten wächst, das Ergebnis der Wahlen in Taiwan schafft die Voraussetzungen für weitere Unstimmigkeiten in den Beziehungen zwischen China und den USA. Die immer aggressivere Rhetorik Nordkoreas schürt die Besorgnis über einen möglichen Krieg mit dem Süden.  

So beunruhigend diese Entwicklungen auch sein mögen: Man sollte sie nicht nur unter dem Aspekt der Risikominimierung betrachten. Warum? Weil Risiken in einem Teil der Welt oft Chancen in einem anderen Teil mit sich bringen – und zwar nicht nur im globalen Süden, sondern auch im Westen. Man muss nur wissen, wie man die Dynamik erkennt. 

Europa wird vom USA-China-Konflikt profitieren 

Europa profitiert von den Spannungen zwischen den USA und China. Wir könnten zukünftig mehr Investitionen aus China in Europa sehen, da Europa Peking ein besseres Investitionsumfeld bietet als die USA.  

Seit 2016 ist Chinas Rückzug aus den USA in den Daten ersichtlich. Zwar beobachten wir bisher noch keinen signifikanten Anstieg chinesischer Investitionen in Europa, was vor allem auf die lange Dauer der chinesischen Zero-Covid-Politik zurückzuführen ist, doch das Bild ändert sich gerade. Chinesische Investitionen in Europa steigen, insbesondere in strategischen Sektoren wie der Batterieproduktion und der Herstellung von Elektrofahrzeugen. Mit der Zeit werden diese Investitionen in Europa neue   Arbeitsplätze schaffen, und die EU kann den ökologischen Wandel beschleunigen, indem sie schneller billigere Batterien und E-Fahrzeuge bereitstellt. Einen Teil der Produktionskette im eigenen Land zu haben, ermöglicht den europäischen Staaten auch eine bessere politische Kontrolle. 

Europa bietet Peking ein sichereres Investitionsumfeld als die USA. Umgekehrt werden europäische Investoren in China ebenfalls ein höheres Sicherheitsniveau genießen als ihre amerikanischen Kollegen. Für beide Seiten steht zu viel auf dem Spiel, um den jeweils anderen zu verprellen. Aus europäischer Sicht wird die Situation zusätzlich noch durch den Inflation Reduction Act von Präsident Biden verschärft, der den Wettbewerb zwischen den USA und der EU weiter anfacht. 

Gewinner im globalen Süden – Malaysia, Marokko und mehr

Im globalen Süden gibt es ebenfalls viele Gewinner der aktuellen Weltenlage. Diese lassen sich grob in drei Gruppen einteilen. 

Es gibt Länder, die von der Notwendigkeit einer Diversifizierung weg von China und Russland profitieren, und solche, die China bei der Diversifizierung weg von den USA helfen. Dies sind Länder, die zunehmend im Zentrum neuer oder angepasster Lieferketten stehen, aber auch Länder, die reich an natürlichen Ressourcen und relativer Stabilität sind. 

Malaysia und Vietnam werden immer wichtigere Standorte für die Umleitung von Schiffen, während Marokkos Automobilsektor von der Diversifizierung aufgrund des Krieges in der Ukraine profitiert hat. China investiert in Marokko und Mexiko, um die westlichen Absatzmärkte von dort aus besser bedienen zu können. Japan und Südkorea mit ihrer geografischen Nähe zu China und ihren Spitzentechnologiesektoren profitieren wiederum von Abwanderungstendenzen aus China.

Auch die rohstoffzentrierten Volkswirtschaften machen das Beste aus der Situation. Sie versuchen nicht nur, mehr zu exportieren und neue Exportmärkte zu finden, sondern auch ihre Position in der Wertschöpfungskette zu verbessern, indem sie sich von mehrheitlich reinen Rohstoffexporteuren zu Produzenten von Zwischenprodukten entwickeln. So hat Indonesien beispielsweise die Ausfuhr von Rohnickel verboten und fordert stattdessen ausländische Käufer auf, in lokale Schmelzwerke zu investieren, um das Material vor dem Export zu verarbeiten. Diese Politik zielt darauf ab, das Land in der Wertschöpfungskette ein paar Stufen höher zu positionieren. Darüber hinaus könnte Indonesiens Plan, eine inländische Batterieindustrie für Elektroautos aufzubauen, zu Steuern auf Eisen-Nickel-Exporte führen, wodurch die Inputkosten für die einheimische Industrie sinken. 

Es gibt auch Länder, die von neuen Sicherheitsverträgen mit den USA profitieren, da diese oft mit Investitionsverpflichtungen einhergehen, die über die Verteidigung hinausgehen. Die Philippinen sind ein gutes Beispiel dafür. Sie haben zugestimmt, US-Militärstützpunkte zu beherbergen, und erhalten von den USA im Gegenzug erhebliche Investitionszusagen für verschiedene Sektoren.

Wieder andere Länder gewinnen weltweit an Einfluss, indem sie sich als neue Pole in der zunehmend multipolaren Welt etablieren. Indien profitiert von einer Fülle neuer Abkommen mit den USA in den Bereichen Technologie und grüne Energie. Das Land weiß, dass es als neuer vorrangiger Partner in Asien eine Menge Gegenleistungen verlangen kann.

Optimismus und Pessimismus sollten sich die Waage halten

Investoren und Unternehmen sind zu Recht besorgt über die anhaltende und eher noch steigende geopolitische Unsicherheit. Sie führt zu einer weltweiten Neuausrichtung von Partnerschaften und Lieferketten. Es besteht die Gefahr, dass die Spannungen in weitere Konflikte und Disruptionen ausarten. Wenn dann noch ein so schwieriges Wahljahr hinzukommt, kann man den Menschen ihren Pessimismus verzeihen. Anleger sollten jedoch optimistisch sein. Geopolitische Umwälzungen bringen auch einige klare Gewinner hervor.  

Rechtliche Hinweise: Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von dem Amundi Asset Management und sind Stand 01. März 2024. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung des Amundi Asset Management. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte des Amundi Asset Management zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen. 

Von Anna Rosenberg, Head of Geopolitics im Amundi Investment Institute

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