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Sorgfalt in der Lieferkette: So lässt sich das neue Gesetz in die Tat umsetzen

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gilt seit 1. Januar 2023 für alle Unternehmen, die mindestens 3.000 Mitarbeiter in Deutschland beschäftigen. Vier praktische Regeln helfen Mittelständlern dabei, es künftig umzusetzen.

Kinderarbeit in Dhaka, Bangladesh
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern Sorgfaltspflichten zum Schutz grundlegender Menschen- und Umweltrechte im Unternehmen und entlang ihrer Lieferketten zu beachten.©Shutterstock

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet darüber hinaus ab 1. Januar 2024 auch Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern in Deutschland Sorgfaltspflichten zum Schutz grundlegender Menschen- und Umweltrechte im Unternehmen und entlang ihrer Lieferketten zu beachten. Gegenstand dieser Sorgfaltspflichten ist die Implementierung eines spezifischen Risikomanagementsystems, das nicht nur materielle Risiken für das Unternehmen selbst in den Blick nimmt, sondern insbesondere Risiken für die Menschenrechte von Mitarbeitern im eigenen Unternehmen und bei Lieferanten sowie Umweltrisiken. Die Umsetzung erfordert einen Perspektivwechsel: Unternehmen müssen bei der Konzeptionierung der auch aus etablierten Managementsystemen bekannten Prozesse, wie der Durchführung von Risikoanalysen, der Verankerung von Präventions- und Abhilfemaßnahmen, der Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens oder bei Dokumentation und Reporting, umdenken. 

Zuständige Aufsichtsbehörde für die Einhaltung der Sorgfaltspflichten nach dem LkSG ist das das BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle). Das BAFA hat in den vergangenen Monaten vier sogenannte Handreichungen zum LkSG veröffentlicht. Diese bieten als dokumentierte Behördenmeinung einen wichtigen Anhaltspunkt für die rechtssichere Umsetzung des LkSG. Denn einem Unternehmen, das sich bei der Implementierung seines Risikomanagementsystems an den Handreichungen orientiert, dürfte in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zumindest kein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden können. Betroffene Unternehmen und Unternehmen mit 1.000 und mehr Mitarbeitern, die nun mit der Umsetzung der Anforderungen des Gesetzes starten, sollten diese praktischen Hinweise beachten.

Die vier Handreichungen des BAFA – zur Risikoanalyse, zum Berichtswesen, zum Beschwerdeverfahren und zur Angemessenheit – behandeln Kernthemen des Gesetzes. Im Hinblick auf die Handreichungen ist es ratsam, diese im Zusammenhang zu lesen und nicht isoliert zu betrachten. Denn gerade zeitlich nachfolgende Handreichungen enthalten häufig weitere wichtige Hinweise für die Interpretation und das Verständnis der vorhergehenden Handreichungen und werden zudem durch FAQ der Behörde ergänzt.

1. Berichterstattung 


Die Handreichung zum Berichtswesen ist kein Leitfaden für die Umsetzung einzelner Prozesse oder Prinzipien des LkSG, sondern der Fragenkatalog des BAFA, der im Rahmen der Einreichung eines jährlichen (Rechenschafts-)Berichts zu beantworten ist. Hierfür wird künftig eine Online-Eingabemaske zur Verfügung stehen. 

Die Handreichung zur Berichterstattung umfasst ca. 35 Seiten mit 437 Eingabefeldern für Fragen. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, lediglich einen verkürzten Bericht einzureichen. Da diese verkürzte Berichtspflicht allerdings an das Fehlen jeglicher Risiken und Verletzungen geknüpft ist, wird dies wohl eher eine theoretische Möglichkeit bleiben. Tatsächlich werden die meisten Unternehmen daher im Detail Bericht erstatten müssen. 
Trotz des großen Umfangs des BAFA-Fragenkatalogs ist dieser für Rechtsanwender insofern von Nutzen, als sich daraus eine Erwartungshaltung des BAFA ableiten lässt. Aufgrund der vielen Freitextfelder im Fragenkatalog verbleiben für die Unternehmen jedoch weiter Unsicherheiten zu Umfang und Detailgrad der Berichterstattung. Hier fehlt es an Klarstellungen und Erläuterungen. 

Die wichtigste Information für betroffene Unternehmen betrifft den Beginn der Kontrolle durch die Behörde: Das BAFA wird nach eigener Verlautbarung erstmals zum Stichtag 1. Juni 2024 das Vorliegen der Berichte und deren Veröffentlichung auf den Internetseiten der Unternehmen überprüfen. Zugleich stellt es klar, dass die Erfüllung der übrigen Sorgfaltspflichten (außer der Berichtspflicht) und deren Kontrolle durch das BAFA hiervon nicht berührt werden.

2. Risikoanalyse 


Die Risikoanalyse ist das Herzstück der Sorgfaltspflichten nach dem LkSG. Diese ist das wesentliche Instrument zur Schaffung von Transparenz im eigenen Geschäftsbereich und in den Lieferketten und Basis für alle präventiven Maßnahmen. 
Die Handreichung des BAFA zur Risikoanalyse fordert den Dreiklang Ermittlung, Gewichtung und Priorisierung von Risiken:

▪    Risikoanalyse zu Beginn der Konzeptionierung als Basis für die Präventionsmaßnahmen 


▪    Regelmäßige Risikoanalyse (jährlich)

▪    Anlassbezogene Risikoanalyse aufgrund substantieller Kenntnis oder bei risikorelevanter Veränderung der Geschäftstätigkeit 


Besonders zu erwähnen ist die Auffassung der Behörde, dass auch die tiefere Lieferkette (n-tier) bei wesentlich veränderten oder erweiterten Risikolagen, etwa aufgrund wesentlicher Änderungen der Geschäftstätigkeit, zu betrachten sei. Zudem fordert die Handreichung einen sukzessiven Rollout von Risikoanalyse und Sorgfaltspflichtenkonzept in global verzweigten international aufgestellten Unternehmen.

3. Beschwerdeverfahren

Das Beschwerdeverfahren ist nach der Risikoanalyse das wichtigste Instrument für Unternehmen zur Schaffung von Transparenz. Die Handreichung zum Beschwerdeverfahren ist anwenderfreundlich und konkretisiert im Wesentlichen verständlich die im Gesetz aufgestellten Anforderungen an das Beschwerdeverfahren. 

Für die Praxis ist hier von Bedeutung, dass ein niederschwelliges Beschwerdeverfahren aus Sicht der Behörde ein wesentlicher erster Baustein für die Erstimplementierung der Sorgfaltspflichten darstellt. Das Beschwerdeverfahren sollte so ausgestaltet sein, dass es leicht zu nutzen ist (mündlich wie schriftlich, verschiedene Sprachen, keine besonderen technischen Anforderungen).

4. Angemessenheit 


Die Handreichung zur Angemessenheit behandelt das für die Umsetzung aller Sorgfaltspflichten wesentliche Angemessenheitsprinzip. Dieses ist Ausdruck des risikobasierten Ansatzes des Gesetzes. In der Handreichung werden die Angemessenheitskriterien erläutert und mit anschaulichen Beispielen versehen und die Wechselwirkung von Angemessenheit und Wirksamkeit herausgearbeitet.  

Auch die Handreichung zur Angemessenheit zeigt, dass das BAFA eine umfassende Erwartungshaltung an die Unternehmen hat. Die Behörde lässt zum Beispiel die Auffassung anklingen, dass Lieferanten nicht durch Bagatellgrenzen von Risikoanalyen ausgenommen werden dürften, sondern grundsätzlich sämtliche Lieferbeziehungen auf Risiken für die geschützten Rechtsgüter zu überprüfen sind. Ob für eine begrenzte Übergangszeit gleichwohl eine Priorisierung der Lieferanten anhand solcher Kriterien erfolgen kann, etwa bis für alle Lieferanten eine hinreichende Datenqualität geschaffen wurde, spricht das BAFA nicht an. Dies dürfte sich aber auf Basis der sonstigen Äußerungen des BAFA zur Zulässigkeit eines zeitlich gestaffelten Vorgehens und Bemühens um kontinuierliche Verbesserung in vielen Fällen durchaus begründen lassen. 

Das LkSG ist Jahresbeginn in Kraft und die Unternehmen müssen die Umsetzung der Gesetzesanforderungen sukzessive vorantreiben. Zum Stichtag 1. Januar 2023 war es für die verpflichteten Unternehmen bereits erforderlich, über ein den gesetzlichen Anforderungen entsprechendes Beschwerdeverfahren zu verfügen und Zuständigkeiten für die Überwachung des Risikomanagements nach LkSG benannt zu haben. Für den weiteren Umsetzungsprozess sind die Handreichungen als best practice heranzuziehen und bei weiteren Veröffentlichungen auch bereits etablierte Prozesse zu überprüfen und im Bedarfsfall zu überarbeiten. 

Zugleich wird im Detailgrad der Handreichungen deutlich, dass auch Unternehmen mit 1.000 und mehr Mitarbeitern mit der Umsetzung der Pflichten nach LkSG frühzeitig beginnen sollten, um zum Stichtag 1. Januar 2024 adäquat aufgestellt zu sein. Für diese Unternehmen kann der Aufwand noch größer als bei den bereits verpflichteten Unternehmen sein, wenn diese noch nicht über etablierte Strukturen und Prozesse für das Risikomanagement, Datentransparenz in den Lieferketten und entsprechend geschultes Personal verfügen. 

KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH:
Von Dr. Christine Heeg-Weimann (Partner), Dr. Thomas Uhlig (Partner), Thomas Lohwasser (Associate)

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