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Unternehmen wollen keine Frauen finden

„Wenn du bist wie wir, kannst du mitmachen“ – das ist die unterschwellige Botschaft von Männern an Frauen im Führungskreis. Wer dagegen heilige Kühe schlachtet, ist raus. Dabei braucht Potenzialentfaltung das genaue Gegenteil: ein Umfeld, zu dem man sich zugehörig fühlt, in dem Andersartigkeit als Bereicherung und nicht als Störfaktor empfunden wird.

Meryl Streep spielte die furchteinflößende Miranda Priestly in Der Teufel trägt Prada. Bildnachweis: picture-alliance / Mary Evans Picture Library

Was ist los in unserem Land? Warum geht es in Führungsfragen rund um das weibliche Geschlecht so zäh voran? Schließlich gab es noch nie eine bessere Zeit für Frauen, um im wahrsten Sinne des Wortes in Führung zu gehen. Haben einst nur Männer die vermeintlich benötigte Stärke, Dominanz und Durchsetzungsfähigkeit bewiesen, können Frauen heute theoretisch auf allen Feldern mitspielen – eben aber nur theoretisch. In unserer männerdominierten Führungslandschaft ist noch einiges in Sachen Chancengleichheit zu tun. Denn die mangelnde Repräsentanz in den Führungsetagen ist weder auf mangelnde Kompetenz noch auf fehlendes Potenzial zurückzuführen. Im Vergleich verfügen die Frauen über mindestens gleichwertige oder sogar höhere Bildungsabschlüsse; die Voraussetzungen zum Karrierestart sind für beide Geschlechter gleichermaßen gegeben. 
 

Grüne und Linke machen es vor

2022 sind laut Statista in deutschen Führungsetagen rund 24 Prozent Frauen vertreten. 
Im Ranking der 27 EU-Mitgliedstaaten aus dem Jahr 2021, lag der Frauenanteil hierzulande noch bei 29 Prozent. Deutschland belegte damit den 20. Platz. Im Schnitt der EU liegt die Frauenquote bei etwa 35 Prozent; Vorreiter ist Lettland mit 46 Prozent, ferner liegen noch Schweden, Polen und Estland jenseits der 40-Prozent-Marke. In den Vorstandsfluren der 160 börsennotierten Unternehmen treffen wir auf ein Verhältnis von 7:1 zugunsten der Männer, und auch in der Politik herrscht keineswegs Parität. Im April 2023 werden von Statista 35,05 Prozent gezählt, wobei sich mit 11,5 Prozent der geringste Frauenanteil in der AfD-Fraktion findet. Die Union hat 23,8 Prozent weibliche Abgeordnete. Deutlich besser sieht es in den Fraktionen der Grünen und Linken aus, wo die Kolleginnen mit 59,3 Prozent (Bündnis 90/Die Grünen) und 53,8 Prozent (Die Linke) sogar die Mehrheit der Fraktionsmitglieder stellen.

Grüne und Linke machen es vor – also sollte es doch Mittel und Wege geben, die auch in anderen Organisationen funktionieren. Dennoch sehen wir Management und Personalverantwortliche ratlos. Klar wollen sie Frauen für oben gewinnen und nach oben befördern: „Wir finden einfach keine Managerinnen“ oder „Frauen bewerben sich nicht auf die ausgeschriebene Führungsposition“: Sätze wie diese hören wir immer wieder. 

Fragt man die Frauen hingegen, sind diese äußerst positiv gestimmt für den Aufzug nach oben. Gemeinsam mit Professor Armin Trost, der an der Hochschule Furtwangen Arbeits- und Organisationspsychologie lehrt, entstand im Jahr 2021/2022 eine repräsentative Studie, die plakativ aufzeigt, worauf Frauen bei der Besetzung einer Führungsposition Wert legen. Die gute Nachricht: Knapp 90 Prozent der weiblichen Befragten würden durchaus die Verantwortung eines Führungsjobs übernehmen. An dieser Stelle kommen die Rahmenbedingungen ins Spiel, die Frauen in der Arbeitswelt vorfinden und oftmals von einem entscheidenden Karrieresprung abhalten. 

Es kann nur eine geben! Wirklich nur eine? 

Die Eins ist die einsamste Zahl der Welt. Sitzt man als einzige Frau in der Management-Runde, stellt sich ein Gefühl der Einsamkeit ein. Frauen fühlen sich – allein in männerdominierten Zirkeln – oft wie eine absolute Exotin. Wohlbefinden sieht anders aus. Es ist auf Dauer anstrengend, immer „die Andere“ zu sein, die, die nicht so recht ins Bild passt. Frauen bestätigen im Gespräch, dass ihnen diese Andersartigkeit durchaus vermittelt wird: Ein eindeutiger Small-Talk-Ausschluss – es wird nur über Fußball gesprochen (Nein! Kein Klischee! Wirklich erlebt!) – oder die unterlassene Einladung zum After-Work-Event mit den Kollegen, sind beliebte Mittel der Wahl. Männern geht es da im Übrigen nicht anders. Allein unter Frauen sinkt ihr Feelgood-Faktor im Business ebenso deutlich und sie wünschten sich ebenfalls mehr Geschlechtsgenossen im Meeting. 

„Wenn du so bist wie wir, dann kannst du mitmachen“ – das ist oft die unterschwellige Botschaft im Führungskreis. Wer Stereotype sprengt oder heilige Kühe berührt, der ist raus. Dabei braucht Potenzialentfaltung das genaue Gegenteil: ein Umfeld, zu dem man sich zugehörig fühlt, in dem Andersartigkeit als Bereicherung und nicht als Störfaktor empfunden wird. 

Feminin ist doch kein Schimpfwort

Insgesamt ist Kompetenzzuschreibung das Zauberwort. Frauen erwarten, dass sie in ihrer Position uneingeschränkt anerkannt werden, unabhängig auf welchem Hierarchielevel. Sie wollen nicht als Führungskraft wahrgenommen werden, „obwohl sie eine Frau sind“, sondern weil sie die dafür notwendigen Fähigkeiten, die Kompetenzen und die Leistungsbereitschaft mitbringen. Scheinbar sind die Ansprüche an Frauen höher, von außen, aber auch durch die Frau selbst. Alles perfekt machen, sich ganz besonders anstrengen, sich täglich aufs Neue beweisen, damit sind Frauen konfrontiert. Denn ein Scheitern würde bestehende Vorurteile, dass Frauen nicht führen können, weiter befeuern. Die Frage, ob sie als weniger fähig bewertet werden wollen, um dann ihre Kompetenz permanent beweisen zu müssen, wägen Frauen sehr genau ab – und das ist keinesfalls als ein „Nicht-führen-Wollen“ zu werten. 

Die oben zitierte Studie hat es eindeutig gezeigt: Frauen präferieren einen anderen Führungsstil als jenen, der in den meisten Organisation gelebt und gefordert wird. Ein Führungsstil der eher weiblichen Art hat sich noch lange nicht durchgesetzt. Dabei ist der Ansatz der „Servant Leadership“ als Idee gar nicht so neu. Führung als partnerschaftliche Dienstleistung, Entwicklung jenseits des eigenen Wachstums, Enabling des geführten Teams, führen auf Augenhöhe, offene Türen, eine Rolle als Befähigerin bis hin zum „coachendem Führen“ – das sind wichtige Prämissen für ein weiblicheres Management.

Gesetzlich ist es nun verbürgt: Die Führungspositionen-Richtlinie der EU ist zum Jahreswechsel in Kraft getreten. Es gilt das Mindestbeteiligungsgebot von einer Frau für Vorstände mit mehr als drei Mitgliedern von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen, umzusetzen bis 2026 – das markiert einen deutlichen Wendepunkt für Europa und für unsere Arbeitswelt.

Empathie lässt sich nicht gesetzlich regeln

Change per Verordnung führt selten zum Ziel. Wir alle, und vor allem die Männer, sollten ins Umdenken kommen, die Frauen machen lassen, es sie auf ihre Art machen lassen. Frauen werden immer noch nach vorwiegend männlichen Verhaltensmustern und Kriterien bewertet. Dabei schreibt man die klassischen Führungsattribute (dominant, durchsetzungsfähig, verhandlungssicher, entscheidungsstark, sachlich), eher den Männern zu. Auf der Habenseite bei Frauen werden Empathie, Kommunikationsstärke, Teamfähigkeit, Co-Creation, Konsensorientierung genannt – Attribute, die mit kompetenter Führung nicht unbedingt verbunden werden. Genau das sind aber die Attribute, die absolut notwendig sind für ein zukunftsfähiges Leadership und die bereits heute schon unter der Überschrift „future skills“ zusammengefasst werden. 

Das Denken und Verhalten von Frauen ist anders. Und weibliches Führungsverhalten ist genauso wertvoll. Diese Andersartigkeit muss anerkannt und wertgeschätzt werden. Deshalb sollten sich HR-Verantwortliche und die beteiligten Männer viel intensiver fragen, warum sich keine Frau bewirbt. Und sich dann in die Situation von Frauen hineinversetzen. Ihre Bedürfnisse nachvollziehen. Empathie leben. Dann kann man beginnen, Strukturen und Unternehmenskulturen so zu verändern, dass sich dort alle aufgehoben fühlen. Die Studien zum Thema liegen auf dem Tisch. Wer Fragen dazu hat, möge sich gerne bei der Autorin melden!

Zur Person:

Lilian Gehrke-Vetterkind ist Autorin und Systemische Beraterin für Organisationsentwicklung und Change Management. Sie ist Inhaberin von Gehrke & Vetterkind Consultants mit den Beratungs- und Trainingsschwerpunkten Diversity und Female Leadership. Sie kooperiert mit der Haufe Akademie und der AllBright Stiftung. Außerdem ist sie Initiatorin des Young Female Leadership Program. Ehrenamtlich engagiert sie sich als Mentorin bei MentorMe und der Deutschlandstiftung Integration. Ihr jüngstes Buch: „Frau kann Chef. Mit Freude und gelassenheit in Führung gehen“ ist im Gabal-Verlag erschienen. https://gehrke-vetterkind.com/

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