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„Wann ist uns eigentlich die Leichtigkeit abhanden gekommen?“

Es wird nicht mehr um die besten Sachargumente gerungen, sondern endlos über ideologische Konzepte gestritten. Die Ergebnisse sind oft nur Mittelmaß. Die Zweifel der Menschen an der Lösungskompetenz der Regierung nimmt gewaltig zu. Und während die Politik von einer Keilerei in die nächste stolpert, verzettelt sich auch noch der Wirtschaftsstandort. Was fehlt ist: Leadership, meint Erlebnisunternehmer Jochen Schweizer.

Jochen Schweizer meint: Ohne Leadership geht es nicht. Bildquelle: (c) GABO für Jochen Schweizer

Es sind gerade keine spaßigen Zeiten, wer wüsste es nicht. Politiker, Wirtschaftsweise und Zukunftsforscher sprechen von „Krisenzeiten“. Nicht im Sinne von „einer Krise“, die es zu lösen gälte, sondern von einer Gegenwart und Zukunft im Dauerkrisenmodus. Angefangen hat es mit Corona, dann kam der Ukraine-Krieg, die Energiekrise, die Inflationskrise, Innovationsstau, Personal- und Fachkräftemangel, darüber gelegt die größte Krise von allen, mit der wir zu leben lernen müssen: die Umwelt-, Arten- und Klimakrise. Ganz ehrlich, das ist für einen Unternehmer wie mich, der Erlebnisse und Begeisterung vermitteln will, keine ideale Zeit. Und dann frage ich mich: Wann genau ist uns eigentlich die Leichtigkeit, die Freude am Leben abhandengekommen? Und manchmal träume ich mich zurück an den Anfang der 1970er Jahre, als man noch im besten Sinne naiv und euphorisch sein konnte, ohne dass einen ein schlechtes Gewissen plagen musste, wenn man sich selbst mit Haut und Haar spüren wollte? Diese Naivität gibt es nicht mehr und angesichts der heute zu lösenden Probleme ist das auch gut so - auch wenn es schmerzt. Will man der bewusste Gestalter seines Lebens sein, hilft es nicht in der Vergangenheit festzuhängen, man muss sich den drängenden Aufgaben im Heute stellen. Das gilt für den Bundeskanzler wie für die Unternehmer und Unternehmerinnen in diesem Land, für die Familienväter und Mütter, es gilt für uns alle gleichermaßen, die wir Verantwortung tragen: Ohne Leadership geht es nicht. 

Aber was genau ist das nochmal, Leadership? Ein Begriff, der aus der Welt des BWL-Studiums kommt und damit viel zu kurz greift. Wir sollten uns eines vor Augen führen: Wir alle, die wir tagtäglich Verantwortung übernehmen für uns selbst, im Job, in Alltag und Familie sind Führungskräfte auf den vielfältigen Ebenen unseres Lebens. Und zwar gerade dann, wenn es Probleme und Krisen zu meistern gilt. Dann machen wir nicht die Augen zu, überlassen die Lösung des Problems nicht dem Zufall, wir schieben sie nicht auf die lange Bank (zumindest sollten wir das nicht), sondern wir gehen sie aktiv an, weil alles andere uns nicht weiterbringt. In genau diesem Sinne sind wir die Führungskräfte unseres eigenen Lebens, weil nur wir selbst wissen können, was für unser Leben richtig und wichtig ist. Denn kein Leben ist ohne Widerstände, niemand steht immer nur auf der Sonnenseite, ein Leben, das nach vorne gelebt wird, ist immer auch ein Stück weit riskant, dafür braucht man Mut, da kann auch mal was daneben gehen. Gerade auch deshalb ist Leadership vor allem auch „Krisenship“. Das Wort gibt es gar nicht, das habe ich gerade erfunden, aber Sie verstehen, worauf ich hinaus will: Ein Leader ist einer, der seine Krisen meistern will. 

Das ist, zugegeben, oft leichter gesagt als getan. Gerade in einem Land wie Deutschland, das in meinen Augen derzeit eine hausgemachte politische und bürokratische Krise durchläuft. Mein Vertrauen in das politische Leadership unseres Landes ist gewaltig gesunken und ich sage das nicht mit Häme, sondern unter großen unternehmerischen Schmerzen. Es wird nicht mehr um die besten Sachargumente gerungen, sondern endlos über ideologische Konzepte gestritten. Entsprechend sind die Ergebnisse oft nur Mittelmaß. Demzufolge nehmen die Zweifel der Menschen an der Lösungskompetenz der Regierung gewaltig zu – auch meine. Und während die Politik von einer Keilerei in die nächste stolpert, verzettelt sich, ganz sprichwörtlich genommen, auch noch der Wirtschaftsstandort. Die Flut an Gesetzen, Regelungen und Vorschriften, die keiner mehr zu durchschauen vermag, trifft auf einen trägen Verwaltungsapparat, der immer noch mit der Digitalisierung fremdelt. Zu wenig Lösungskompetenz, zu viel Streit und Überregulierung – irgendwann ist es die eine Krise zu viel für Deutschland.

Und trotzdem, ich will die Rahmenbedingungen, die ich selbst nicht ändern kann, nicht als Ausrede benutzen. Will ich ein Leader sein, muss ich die Krisen in der Wirklichkeit meistern, in die ich hinein gestellt bin. Das heißt: Ich muss noch kreativer, innovativer, mutiger sein. Und ich habe viele Krisen in meinem Leben meistern müssen, privat wie geschäftlich. Die letzte Großkrise war 2019 als der Corona-Lockdown mich dazu zwang, meine Eventlocation, die Jochen Schweizer Arena in Taufkirchen bei München, neun Monate lang zu schließen. Für mich als Erlebnismacher war das eine harte, eine frustrierende Zeit. Mein Geschäftsmodell ist Euphorie und Endorphin, aber über dem ganzen Land lag eine lähmende Angst vor Ansteckung. Unsere 130 Beschäftigten mussten wir in Kurzarbeit schicken, zu 70 Prozent ihres Nettolohns. Unsere Kellner, die zum Großteil auf Trinkgeld angewiesen waren, konnten davon nicht mehr leben, schulten auf Paketfahrer um und nach dem Ende des Lockdowns kamen sie nicht wieder. Man vergisst gerne die Familien, die daran hängen und denen ich mich als Unternehmer ebenso verantwortlich fühle. Unsere penibel erarbeitete Infrastruktur für die Arena gab es nicht mehr. Solange Maskenpflicht herrschte, buchten Firmen keine Events bei uns, Touristen gab es keine und auch kaum Privatleute, die Corona beim Indoorsurfing oder Bodyflying so einfach vergessen konnten. Wir haben tiefrote Zahlen geschrieben und trotzdem nicht die Perspektive aus den Augen verloren. Wir haben uns gegenseitig Mut gemacht, ich habe meinen Mitarbeitenden von all den Plänen für die Arena erzählt, die ich noch in meinem Kopf habe, die nur aufgeschoben seien, aber niemals aufgegeben. Wir haben mit der „Wok-Küche“ ein neues kulinarisches Konzept eingeführt, einen Lieferservice auf die Beine gestellt oder eine „Drive Through“-Corona-Teststation. Leadership muss man verkörpern, gerade in der Krise, sonst funktioniert er nicht. 

Heute, vier Jahre später, gibt es die Arena immer noch. Gerade weil ich mit ihr eine so frustrierende Zeit durchstehen musste, macht sie mir heute mehr Freude denn je. Alle betriebswirtschaftlichen Kennzahlen gehen nach oben, wir haben so viele Firmen-Events wie nie zuvor, gut zweihunderttausend Menschen kamen im letzten Jahr zu uns. Haben wir heute gar keine Probleme und Krisen mehr? Aber mitnichten! 

Als verantwortungsbewusster Unternehmer sehe ich auch die Schattenseiten meiner Unternehmung. Die Arena ist sehr energieintensiv, in Zeiten knapper Energieressourcen kann ich nicht so tun als wäre dem nicht so. Leadership verlangt nach Lösungen. Also brauchte ich eine Antwort auf die Frage, unter welchen Prämissen es gesellschaftlich gerechtfertigt ist, mein Eventangebot auch während einer Energiekrise weiter aufrechtzuerhalten? Meine Antwort war: Wir pachteten von einem Landwirt ein nahegelegenes Grundstück, auf dem wir gerade eine 5,5 Hektar große Photovoltaikanlage errichten lassen. Mit der Anlage produzieren wir doppelt so viel Solarstrom wie wir in der Arena verbrauchen. Wenn der Pachtvertrag in 30 Jahren ausläuft, dann bin ich 96 Jahre alt. Anfangs war mir etwas mulmig bei dem Gedanken, heute weiß ich, dass es die konsequente Verkörperung meiner Idee von Führung ist. Denn echtes Leadership ist immer vom Ende her gedacht, also im besten Sinne nachhaltig. 

Zur Person

Jochen Schweizer, 66, ist Inhaber der Eventlocation Jochen Schweizer Arena in München-Taufkirchen. Der Bestseller-Autor ist darüber hinaus als Keynote-Speaker und Veranstalter von Online- und Offline-Seminaren tätig. Thematische Schwerpunkte: Unternehmertum, Krisenmanagement und Persönlichkeitsentwicklung.

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