Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Firmen-News > Gastbeitrag

Zukunft gestalten trotz Krisen

Der Mittelstand wird auch in digitalen Zeiten dringend gebraucht. Unternehmensberater Philipp Garra erklärt in seinem Gastbeitrag, wie Unternehmen der schlechten Wirtschaftslage entgegenwirken können.

Philipp Garra, Unternehmensberater und Autor des Buchs „Das neue Wirtschaftswunder“.

Die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt. Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Abstieg. Minus 0,3 Prozent Wirtschaftswachstum im Jahr 2023 und es ist keine echte Besserung in Sicht.

Das größte Sorgenkind ist der industrielle Mittelstand. Nach Zahlen der Unternehmensberatung Roland Berger, lag das Produktivitätswachstum hier von 2010 bis 2020 bei mageren 1,0 Prozent. Nicht nur der Fachkräftemangel, hohen Energiepreise und eine ausufernde Bürokratie, stellen die heimische Wirtschaft vor teils unlösbare Aufgaben. Es fehlt an Innovation und modernen Prozessen. Oder um es direkter zu formulieren: Eingestaubten Aktenordnen und stumpf-piepsenden Faxgeräten, sorgen nicht gerade für Zuversicht.

Dabei soll schon der Wirtschaftswunder-Kanzler Ludwig Erhard gesagt haben, dass Wirtschaft zu 50 Prozent auch Psychologie ist. Was also können Unternehmen tun, um optimistisch in die Zukunft zu blicken?

Aus meiner Arbeit mit den Mittelstand-Digital Zentren, sehe ich drei zentrale Schritte:

  1. Ein positives Zukunftsbild entwerfen.
  2. Einen klaren, mittelständischen Weg definieren.
  3. Momentum aufbauen.

Was zunächst banal klingt, führt in vielen Unternehmen zu einem tiefgreifenden Umdenken.

Bitte keine Vision

Zunächst das Zukunftsbild: Das basiert im Mittelstand selten auf einer besonders futuristischen Vision, sondern vielmehr auf der Erkenntnis, dass das eigene Unternehmen auch in Zukunft gebraucht wird. Klima, Mobilität und Gesundheit, überall liefern Mittelständler Lösungen und nehmen Schlüsselrollen ein.

Beispiel Green Manufacturing: Bisher werden nur neun Prozent aller Industriegüter wiederverwendet.  Gleichzeitig werden Ressourcen wie Lithium oder Kobalt, die zwingend für E-Autos gebraucht werden, immer teurer und schwerer zu beziehen. Es werden dringend neue Ideen, Materialien und Produktionsansätze benötigt. Plötzlich wird nicht nur die Montage, sondern auch die Demontage von Batterien und ganzer Autos interessant - durch Roboter und inzwischen gesteuert von künstlicher Intelligenz. Ein digitalisierter Mittelstand kann hier den Grundstein für eine neue Kreislaufwirtschaft setzen.

Wichtig ist an dieser Stelle zu erkennen, dass es für ein positives Zukunftsbild es nicht reicht, nur finanzielle Ziele auszugeben. Führungskräfte müssen aufzeigen, welche Kompetenzen ausgebaut werden, und begründen, warum dies sinnvoll ist. 
 

Mittelständische Transformation

Im nächsten Schritt geht es darum, die eigenen Stärken auszuspielen. Insbesondere in der Digitalisierung fiel dies bisher vielen mittelständischen Unternehmen schwer. Dabei müssen sie dringend Antworten darauf geben, wie langfristiges Wirtschaften mit schnelllebigen Technologiezyklen vereinbar ist; was das eigene Qualitätsverständnis wert ist, wenn digitale Lösungen sich ständig verändern und, welche Rolle der Betriebsgemeinschaft zukommt, wenn Zusammenarbeit deutlich weniger menschlich wird. 

Wenn das funktioniert, schafft es etwa ein Druck-Maschinenhersteller mit künstlicher Intelligenz die eigne Qualitätssicherung aufzuwerten; dann lässt ein Forstwirtschaftsbetrieb automatisch berechnen, wie viele Bretter aus jedem Baum geschlagen werden; und der Hersteller von Logistik-Robotern lässt diese nun autonom durch die Hallen fahren. 

Der Mittelstand neigt vielleicht nicht dazu, große technologische Risiken einzugehen, aber es gibt oftmals ausgeprägtes Tüftler-Gen und kurze Entscheidungsprozesse. Unternehmen lernen, wie man diese Stärken endlich ausspielt.

Momentum schaffen 

Jetzt bleibt noch die Umsetzung. Denn die Anzahl der Fehlinvestitionen bleibt hoch - bis zu 70 Prozent aller Transformationsprojekte verfehlen ihre Ziele

Hier wird der Wunsch nach dem großen Wurf, von der Einsicht ersetzt, dass sogenannte Quick-Wins, also Projekte, die schnell und mit vorhandenen Kompetenzen umsetzbar sind, Unternehmen auf den richtigen Weg bringen. Wirksamkeit und Machbarkeit spielen eine deutlich wichtigere Rolle in der Projekt-Priorisierung ein als spekulative Umsatzbeiträge oder Gewinnprognosen. Auch der Wunsch mit einem Start-up oder einem Digitalkonzern gleichzuziehen, weicht der Idee, die eigenen Kunden noch besser zu unterstützen.

Umdenken

Es gibt noch zwei weitere Indikatoren, die dieses Umdenken im Mittelstand untermauert und aufzeigt, dass Unternehmen ihre Zukunft wieder spürbar aktive in die Hand nehmen – dass der unternehmerische Gestaltungswille zurückkehrt. 

Zum einen steigt der Ifo-Geschäftsklimaindex, als Stimmungsbild der Wirtschaft, das dritte Quartal in Folge an – trotz der schlechten Gesamtlage. Und das gilt auch für das verarbeitende Gewerbe, dessen Stimmung sich trotz eines Rückgangs in den Auftragsbüchern sichtlich aufhellt.

Den zweiten Indikator liefert das Meinungsforschungsinstitut Civey, das Anfang des Jahres eine Umfrage unter 150 mittelständigen Führungskräfte der Fertigungsbranche durchgeführt ha. 40 Prozent der Befragten geben an, dass Ihr Unternehmen sich bereits in einer mittleren oder fortgeschrittenen Phase der digitalen Transformation befindet. Bei fast 70 Prozent der Befragten bleiben die Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr entweder gleich oder steigen. Bei 26 Prozent der Befragten sollen die Investitionen sogar um mehr als 15 Prozent steigen. Im Hinblick auf Produktivität und Prozesse bewegt sich gerade eine Menge. 

Gerade für kleinere Mittelständler, ohne Chief Digital Officer mit eigenem Team, rücken endlich die Chancen neuer Technologien in den Vordergrund. Die Investitionen verlagern sich zunehmend von operativen Aufgaben hin zum Ausbau geschäftskritischer Kompetenzen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Insbesondere Investitionen in After-Sales-Aktivitäten, wie Kundenportale und E-Commerce, nehmen zu.

Dabei fällt auf, dass der Mittelstand nicht mehr die Technologie, sondern das eigene Unternehmen und die eigenen Ziele in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken. Sätze wie: „Wir sollten jetzt auch, etwas mit KI machen“, werden seltener. Nachhaltige Lösungen, langfristig geplant und praxisnah umgesetzt - häufiger. 

Denn pauschale Antworten darauf, welche Technologien, welche Software und Projekte die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens sichern, gibt es nicht. Mittelständler, sind AGABUs: „Alles ganz anders bei uns.“ 

Es ist vielleicht dick aufgetragen, aber der Mittelstand wird deutlich besser darin, digitale Möglichkeiten in die echte Welt zu holen. Und das stimmt in jedem Fall optimistisch. Es gibt noch Hoffnung für Made in Germany.
 

Ähnliche Artikel