Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Personal > Arbeitsrecht

Affären am Arbeitsplatz: Regeln, Rechte und Grenzen für Arbeitgeber

| Thorsten Giersch

Nestlé-Chef stolperte über eine Büro-Affäre. In Deutschland sind Beziehungen erlaubt – doch es gibt klare arbeitsrechtliche Grenzen.

Heimliche Liebe im Büro - Mitarbeiter flüstern
Deutschland: Liebe am Arbeitsplatz bleibt Privatsache – solange der Betriebsfrieden nicht leidet. (Foto: MuM/Ki)

Bei Nestlé musste der Chef gehen, weil er eine Affäre mit einer Mitarbeiterin hatte. Ähnliche Fälle gibt es in den USA. Was in Deutschland erlaubt ist und was nicht. 

09.10.2025 von Thorsten Giersch für Markt und Mittelstand

Wer täglich viel miteinander zu tun hat, kommt sich oft näher. Nahezu jede und jeder zweite Deutsche hatte Umfragen zufolge schon einmal eine Romanze am Arbeitsplatz – von der Schwärmerei für den Chef bis zur festen Beziehung mit der Kollegin. Ist das reine Privatsache oder ein Missstand, bei dem der Arbeitgeber einschreiten sollte? Bei Nestlé ist das klar: Laurent Freixe, Chef des schweizerischen Lebensmittelkonzerns, bandelte mit einer ihm direkt unterstellten Mitarbeiterin an und musste seinen Posten räumen. Der Konzern untersagte in einem Passus des Arbeitsvertrags solche Liebesbeziehungen. 

In Deutschland sind Affären im Büro nicht verboten. „Liebesbeziehungen sind grundsätzlich Privatsache und gehen die Unternehmensleitung nichts an“, sagt Thomas Gennert, Partner im Arbeitsrecht bei McDermott Will & Schulte in Düsseldorf. „Klauseln in Arbeitsverträgen oder interne Richtlinien, die solche Beziehungen grundsätzlich untersagen, sind unwirksam.“ So bestätigte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf bereits 2005, dass Unternehmen Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern nicht durch eine „Ethikrichtlinie“ verbieten dürfen (LAG Düsseldorf, 14.11.2005, Az. 10 TaBV 46/05). Ein US-Konzern hatte den Mitarbeitern der deutschen Tochtergesellschaft unter anderem untersagt, mit jemandem auszugehen oder in eine Liebesbeziehung mit jemandem zu treten, „wenn Sie die Arbeitsbedingungen dieser Person beeinflussen können oder der Mitarbeiter Ihre Arbeitsbedingungen beeinflussen kann“. Das Gericht sah darin eine Verletzung der Menschenwürde und des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, nach dem jedermann selbst entscheiden darf, ob und mit wem er eine Beziehung eingeht, egal ob Freundschaft oder Liebe. 

2015 stellte das Arbeitsgericht Berlin klar: Zwischenmenschliche Beziehungen am Arbeitsplatz sind grundsätzlich Privatsache (Arbeitsgericht Berlin, 27.02.2015, Az. 28 Ca 16939/14). Weil zumindest Vollzeit-Berufstätige Vorgesetzten und Kollegen in der Regel mehr Zeit widmen als „dem Partner, der Familie und den Freunden zusammen“, bleibe es nicht aus, dass aus betrieblicher Kooperation zwischenmenschliche Verbindungen erwachsen, „die bei entsprechendem Verlauf in Partnerschaften, Lebensgemeinschaften oder auch Eheschließungen münden können“, schrieben die Berliner Richter in der Urteilsbegründung. Sie fügten allerdings eine wichtige Einschränkung hinzu: Die Beziehung dürfe nicht „auf die von den Akteuren geschuldete Vertragserfüllung nachteilig durchschlagen“. 

Versetzung, keine Kündigung

Arbeitsrechtler Gennert bestätigt deshalb: „Einschreiten darf der Arbeitgeber dann, wenn eine Beziehung nachweislich den Betriebsablauf stört, etwa weil sich in der Belegschaft der Eindruck verfestigt, die Freundin des Abteilungsleiters würde bevorzugt, oder wenn die Arbeitsleistung unter dem Flirt leidet.“ Führt eine persönliche Beziehung am Arbeitsplatz zu derartigen Konflikten, kann der Arbeitgeber aktiv werden, sagt der Rechtsanwalt. „Die Maßnahmen, die er trifft, müssen aber verhältnismäßig sein.“ Denkbar sei eine Versetzung in eine andere Abteilung, nicht aber eine Kündigung. (Lesen Sie auch: Beziehungen im Job: Wann Beziehungen am Arbeitsplatz erlaubt sind)

Müssen Vorgesetzte und Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens anzeigen, dass sie ein Paar sind? „Von Mitarbeitern wird man nicht verlangen können, dass sie der Unternehmensleitung ihre private Beziehung mitteilen“, sagt Gennert. „Auch für Vorgesetzte gibt es keine generelle Anzeigepflicht. Es kann aber im Sinne der Transparenz sinnvoll sein, eine Beziehung offenzulegen, bevor sie über Gerüchte bekannt wird.“ Eine Offenbarungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber kann dann entstehen, wenn die Beziehung zu Interessenskonflikten führen kann, etwa im Über-Unterordnungsverhältnis zwischen Vorgesetztem und Teammitglied. 

Whistleblower-Hotlines

Sind Affären ein Fall für Hinweisgebersysteme im Unternehmen? Über eine solche Whistleblower-Hotline war der Fall des abgesetzten Nestlé-Chefs ans Licht gekommen. Dieser hatte die Affäre mit der Mitarbeiterin dann vermeintlich monatelang bestritten. Erst eine externe Untersuchung hatte zu seiner Entlassung geführt. Arbeitsrechtler Gennert stellt klar: „Meldet ein Hinweisgeber eine Liebesbeziehung zwischen Beschäftigten verschiedener Hierarchiestufen, ist das zunächst irrelevant. Erst wenn ein rechtlich relevantes Fehlverhalten im Zusammenhang mit dem Verhältnis oder ein Interessenskonflikt auftritt, rechtfertigt dies entsprechende Maßnahmen des Arbeitgebers.“ 

Wer bei einer Tochter eines ausländischen Konzerns arbeitet, sollte bedenken, dass vor allem US-Unternehmen oft strenge Compliance-Richtlinien haben, die Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz reglementieren oder verbieten – besonders bei Machtgefällen. Gründe sind Haftungsrisiken (zum Beispiel bei Vorwürfen sexueller Belästigung), Vermeidung von Interessenkonflikten sowie der Schutz von Unternehmenskultur und Reputation. „Die strikten Regelungen sind durch die möglichen Klagen und die hohen Summen an Schadensersatz begründet, die in den USA üblich sind“, erklärt Julia Schweitzer, Partnerin bei der Kanzlei BCLP in Frankfurt und auf Arbeitsrecht spezialisiert. „Durch die Me-too-Debatte sind diese Regelungen eher noch strenger geworden. In Frankreich oder Deutschland gelten Beziehungen – auch auf der Arbeit – dagegen eher als ­Privatsache.“ 

Haben deutsche Arbeitgeber unter Umständen die Möglichkeit, Beziehungen am Arbeitsplatz zu verbieten oder zumindest zu beschränken? „Interne Richtlinien dafür könnten theoretisch aufgestellt werden, jedoch müssten sie sich im Rahmen des Weisungsrechts des Arbeitgebers (Paragraf 106 GewO) bewegen und dürften nicht gegen das Maßregelungsverbot verstoßen“, sagt Schweitzer. Der Arbeitgeber könne zum Beispiel verlangen, dass Beziehungen mit Hierarchiegefälle, also Vorgesetzte und Untergebene, angezeigt werden und dann auch organisatorisch eingreifen, etwa durch Versetzung. Ein generelles Verbot von Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz ist aber in Deutschland nicht zulässig, denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die freie Entfaltung der Persönlichkeit und damit auch die Partnerwahl. 

Ein generelles Verbot von Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz ist in Deutschland nicht zulässig.

Thorsten Giersch, Chefredakteur

Unzulässige Verhaltensregeln

„Richtlinien wie Betriebsordnungen oder Verhaltenskodizes sind unzulässig“, sagt Ralf-Dietrich Tiesler, Partner im Arbeitsrecht bei Menold Bezler. „Sie stellen einen tiefen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dar, der nicht durch überwiegende legitime Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist.“ Das Weisungsrecht des Arbeitgebers stoße hier an eine Grenze. Es sei nicht dazu da, den persönlichen Umgang der Belegschaftsangehörigen zu regeln. 

Das Paar darf sich nur nichts zu Schulden kommen lassen. Wenn durch die Beziehung unzulässige Begünstigungen, Störungen der Arbeitsleistung oder des Betriebsfriedens entstehen, dann darf das Unternehmen Maßnahmen ergreifen. Eine Führungskraft, die über Beförderungen, Gehaltserhöhungen oder Ähnliches entscheidet, kann verpflichtet werden, eine enge persönliche Beziehung im eigenen Zuständigkeitsbereich anzuzeigen. Bei den möglichen Maßnahmen ist immer das mildeste Mittel zu wählen. Zunächst Gespräch, dann eine Versetzung oder der Entzug von Weisungsbefugnissen. Bei einer Pflichtverletzung kommt eine Abmahnung infrage. Eine Kündigung wäre in Deutschland nur als letzte Lösung und bei sehr groben Verstößen möglich. 

Gefährliche Liebe im Büro – Was gilt in Deutschland?

  • Fall Nestlé: Konzernchef Laurent Freixe musste gehen – Grund war eine Beziehung mit einer direkt unterstellten Mitarbeiterin. Nestlé untersagte solche Affären vertraglich.

  • Deutschland: Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz sind grundsätzlich Privatsache. Ein generelles Verbot ist unzulässig (u. a. LAG Düsseldorf 2005, ArbG Berlin 2015).

  • Arbeitgeberrechte: Eingreifen nur, wenn die Beziehung den Betrieb stört (z. B. Bevorzugung, Leistungsabfall). Mögliche Maßnahmen: Gespräch, Versetzung, Entzug von Weisungsbefugnissen.

  • Keine Kündigung: Eine Entlassung allein wegen einer Beziehung ist rechtlich nicht haltbar – außer bei groben Pflichtverletzungen.

  • Anzeigepflicht: Grundsätzlich keine Pflicht, eine Beziehung zu melden. Ausnahme: Bei Hierarchiegefälle kann Transparenz verlangt werden.

  • Hinweisgebersysteme: Meldungen über Affären sind irrelevant, solange kein Fehlverhalten oder Interessenkonflikt entsteht.

  • USA vs. Deutschland: In den USA sind Regeln deutlich strenger (Compliance, Me-too-Debatte, Haftungsrisiken). In Deutschland schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht die freie Partnerwahl.


Bleiben Sie auf dem Laufenden, abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter und erhalten Sie immer die neuesten Nachrichten und Analysen direkt in Ihren Posteingang.

Ähnliche Artikel