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Arbeitsmarkt im Wandel: Normalarbeitsverhältnisse auf dem Vormarsch

Immer mehr Menschen in Deutschland arbeiten wieder in regulären Jobs – das Statistische Bundesamt meldet: Atypische Beschäftigung ist auf dem Rückzug.

Der Anteil regulärer Arbeitsverhältnisse in Deutschland steigt – atypische Jobs wie Mini- oder Zeitverträge verlieren an Bedeutung. (Foto: shutterstock)

In einem leisen, aber nachhaltigen Strukturwandel hat sich der deutsche Arbeitsmarkt über die letzten anderthalb Jahrzehnte neu sortiert. Wo früher Unsicherheit, Befristung und prekäre Beschäftigung den Ton angaben, kehrt nun das zurück, was viele bereits abgeschrieben hatten: das klassische Normalarbeitsverhältnis – unbefristet, sozialversicherungspflichtig und mit verlässlichem Stundenumfang.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) arbeiteten im Jahr 2024 nur noch 17,2 % der sogenannten Kernerwerbstätigen – also Menschen im erwerbsfähigen Alter außerhalb von Bildungsmaßnahmen – in atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Zum Vergleich: 2010 lag dieser Anteil noch bei 22,6 %. Die Zahlen markieren nicht nur einen statistischen Rückgang, sondern spiegeln einen strukturellen Wandel, der tief in gesellschaftliche Erwartungen und wirtschaftliche Realitäten hineinreicht.

Denn mit dem Rückgang atypischer Beschäftigung geht ein deutlicher Anstieg regulärer Arbeitsverhältnisse einher: 74,8 % der Erwerbstätigen waren 2024 „normalbeschäftigt“ – gegenüber nur 65,8 % im Jahr 2010. Besonders auffällig ist dabei die Entwicklung der sogenannten substanziellen Teilzeit, also Beschäftigungen mit mehr als 20 Wochenstunden. Ihr Anteil hat sich fast verdoppelt – von 7,3 % auf 14,1 %.

Diese Form der Teilzeit steht sinnbildlich für den neuen Arbeitsmarkt: flexibler, aber nicht prekär; anpassungsfähig, aber dennoch sozial abgesichert. Teilzeit verliert ihr Stigma – sie wird zunehmend als vollwertiger Bestandteil einer stabilen Erwerbsbiografie anerkannt.

Der Trend zeigt: Der Arbeitsmarkt ist nicht nur resilienter geworden, sondern offenbar auch gereifter. Zwischen individueller Lebensgestaltung und gesellschaftlicher Stabilität findet eine neue Balance statt – leise, aber nachhaltig.

Definition atypischer Beschäftigung

Als atypische Beschäftigung gelten Arbeitsverhältnisse außerhalb der Normalbeschäftigung – also keine unbefristeten, sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten mit mehr als 20 Arbeitsstunden pro Woche. Normalbeschäftigte üben ihre Tätigkeiten zudem nicht in Leih- oder Zeitarbeit aus.

Frauen zwischen Aufstieg und Ambivalenz

Doch der Wandel ist nicht geschlechtsneutral. Frauen sind nach wie vor überproportional in atypischen Beschäftigungsformen vertreten: 2024 lag ihr Anteil bei 25 %, während nur 10,2 % der Männer in solchen Verhältnissen arbeiteten. Die Ursache ist kein Geheimnis: Mini-Jobs und Teilzeit bis 20 Wochenstunden – lange Zeit das Rückgrat weiblicher Erwerbsbiografien – prägen dieses Bild nach wie vor. Doch es gibt Bewegung.

Zwar sind immer noch fast 20 % der erwerbstätigen Frauen in sehr geringer Teilzeit beschäftigt, aber auch hier zeigt die Kurve nach unten. Seit 2010 ist der Anteil dieser Beschäftigungsform bei Frauen um gut 7 Prozentpunkte gesunken. Parallel dazu wächst die substanzielle Teilzeit. 2024 arbeiteten 25,1 % der kernerwerbstätigen Frauen in dieser Form – ein Plus von über 11 Prozentpunkten in 14 Jahren. Es ist ein leiser Umbruch: weg vom Zuverdienst, hin zur selbstbestimmten Erwerbstätigkeit.

Atypisch – das Auslaufmodell?

Betrachtet man die Zahlen im Langzeitvergleich, drängt sich eine Erkenntnis auf: Atypische Beschäftigung ist auf dem Rückzug – sowohl absolut als auch relativ. Die Zahl atypisch Beschäftigter sank seit 2010 um rund 1,5 Millionen, während gleichzeitig knapp 4,8 Millionen Menschen in ein Normalarbeitsverhältnis wechselten oder neu hinzugekommen sind.

Dabei ging die befristete Beschäftigung von 8,1 % auf 5,9 % zurück, geringfügige Beschäftigung von 7,2 % auf 4,2 %. Auch Zeitarbeit – oft als Synonym für Unsicherheit im Job gebraucht – verlor an Boden. Ihr Anteil lag 2024 bei nur noch 2,1 % – nach einem Spitzenwert von 2,5 % im Jahr 2017. Selbst der Selbstständigenanteil schrumpfte leise, aber stetig: von 11,1 % auf 7,9 %.

Was bleibt?

Der deutsche Arbeitsmarkt hat in den vergangenen Jahren still, aber konsequent die Richtung geändert. Weg von Flexibilität um jeden Preis, hin zu mehr Stabilität, Verlässlichkeit und Struktur. Das einst als zukunftsweisend gepriesene „Patchwork aus Jobs“ hat an Strahlkraft eingebüßt – zumindest in seiner prekären Ausprägung.

Dass Frauen dabei nicht nur aufholen, sondern mit neuen Erwerbsmodellen den Arbeitsmarkt mitprägen, ist kein Randphänomen, sondern ein Indiz für ein tieferes Umdenken. Teilzeit, wenn substanziell ausgestaltet, kann genauso tragfähig sein wie Vollzeit. Und atypische Beschäftigung – einst als notwendiges Übel oder gar Türöffner zur Normalität deklariert – wird zunehmend zum Auslaufmodell.

In der Summe: Deutschlands Arbeitsmarkt kehrt zurück zur Stabilität – mit leiser, aber klarer Handschrift. Ein Strukturwandel, der nicht von Konjunkturprogrammen diktiert wird, sondern aus den Arbeitsbiografien selbst erwächst.

Faktenbox: Atypische Beschäftigung in Deutschland

Der Anteil atypisch Beschäftigter an allen Kernerwerbstätigen sank von 22,6 % im Jahr 2010 auf 17,2 % im Jahr 2024. In absoluten Zahlen bedeutet dies einen Rückgang um rund 1,5 Millionen Beschäftigte.

  • Befristete Beschäftigung sank von 8,1 auf 5,9 %
  • Teilzeit bis 20 Wochenstunden sank von 14,1 auf 10,9 %
  • Geringfügige Beschäftigung sank von 7,2 auf 4,2 %
  • Zeitarbeit sank von ihrem Höchststand 2017 mit 2,5 % auf 2,1 % im Jahr 2024.

Geschlechterspezifische Unterschiede bleiben bestehen: 25 % der erwerbstätigen Frauen, aber nur 10,2 % der Männer sind atypisch beschäftigt. Der Rückgang ist bei Frauen mit 9,2 Prozentpunkten seit 2010 jedoch deutlich stärker als bei Männern (2,5 Prozentpunkte).

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